Nochmals 115 Prozent
31.10.2019 WohlenGemeinderat präsentiert Budget 2020
Das Budget 2020 der Gemeinde Wohlen geht in die nächste Runde. Überraschenderweise mit den fast gleichen Vorgaben. Der Gemeinderat zeigt sich in keiner Art und Weise kompromissbereit. Er beantragt erneut einen Steuerfuss von 115 ...
Gemeinderat präsentiert Budget 2020
Das Budget 2020 der Gemeinde Wohlen geht in die nächste Runde. Überraschenderweise mit den fast gleichen Vorgaben. Der Gemeinderat zeigt sich in keiner Art und Weise kompromissbereit. Er beantragt erneut einen Steuerfuss von 115 Prozent. Obwohl diese Marke in der jüngsten Vergangenheit weder beim Stimmvolk noch in der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission eine Mehrheit gefunden hat. Der Einwohnerrat wies das Budget Mitte Oktober zurück. Nun wird ihm ein ähnliches Zahlenwerk wieder vorgesetzt. Immerhin: Der Gemeinderat hat fast 400 000 Franken an Ausgaben gestrichen. Die mit Spannung erwartete Finanzdebatte findet am 9. Dezember im Casino statt. --dm
Nur langfristige Perspektive zählt
Budget 2020, die zweite Vorlage: Der Gemeinderat beantragt erneut einen Steuerfuss von 115 Prozent
Da gibt es kein Vor- oder Nachgeben. Der Gemeinderat verteidigt stur seine Strategie. Das Budget 2020 hat er überarbeitet und knapp 400 000 Franken an Ausgaben gestrichen. An der Steuerfusserhöhung von 110 auf 115 Prozent hält der Gemeinderat unbeirrt fest. Heftige Diskussionen sind garantiert.
Daniel Marti
Da zeigen die Warnungen von einer Mehrheit des Einwohnerrates und der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission gar keine Wirkung. Auch das zweifache Volks-Nein zum Budget 2019 geht anscheinend spurlos am Gemeinderat vorbei. Ob Volksvertreter, Bevölkerung oder Kommission – alle wehrten sich mehrheitlich gegen einen Steuerfuss von 115 Prozent. Und was tut der Gemeinderat bei der zweiten Vorlage fürs Budget 2020? Er beantragt erneut 115 Prozent.
Kostenbewusstsein nicht mit Budgetkürzungen abstrafen
Bei der Rückweisung durch den Einwohnerrat vor zweieinhalb Wochen wurden diese 115 Prozent noch als «nicht mehrheitsfähig» deklariert. Trotzdem geht der Gemeinderat genau mit dieser Marke in die nächste Finanzdebatte vom Montag, 9. Dezember.
Er habe das Budget 2020 «nochmals sorgfältig geprüft», hält der Gemeinderat in der Vorlage fest. Über sämtliche Vorschläge zur Verbesserung des Voranschlags – eingereicht von der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission und von den Fraktionen – wurde beraten. Betriebsund Sachaufwand will der Gemeinderat jedoch nicht kürzen. «Aufgrund der hohen Ausgabendisziplin möchte der Gemeinderat diese Positionen nicht kürzen», so der Gemeinderat. Ausgaben erfolgen hier nur, wenn absolut nötig. Und weiter: «Das grundsätzlich hohe Kostenbewusstsein möchte man nicht mit Budgetkürzungen abstrafen.» Und Kürzungen beim Unterhalt der Liegenschaften seien keine nachhaltigen Einsparungen, sondern nur Aufschiebungen.
Ausgaben: 395 000 Franken gestrichen
Trotzdem hat der Gemeinderat bei den Ausgaben Kürzungen in der Gesamthöhe von 395 000 Franken vornehmen können. Es handelt sich dabei um Honorare externe Berater und Gutachten (30 000 Franken), Dienstleistung Dritter (15 000 Franken), Beiträge familienergänzende Kinderbetreuung (50 000 Franken), Unterhalt Strassen (100 000 Franken), Unterhalt Parkplätze (200 000 Franken). Bei den grossen Einsparungen betreffend Strassen und Parkplätze handelt es sich um die Sanierung des Mattenhofweges und den anschliessenden Parkplätzen für die Badi, dies ist das einzige grosse Sparobjekt.
Der Ertragsüberschuss steigert sich somit vom ersten zum zweiten Budget von 2,135 Millionen Franken auf 2,53 Millionen Franken.
Dagegen steigert sich die Investitionsrechnung um knapp 200 000 Franken wegen inzwischen beschlossenen Verpflichtungskrediten. Die Nettoinvestition beträgt neu 7,98 Millionen Franken, der Finanzierungsfehlbetrag liegt neu bei 3,64 Millionen Franken.
In seinem Ausblick geht der Gemeinderat auch auf den Finanzplan 2020 bis 2029 ein. Auch dieser sei vom Einwohnerrat behandelt worden, hält der Gemeinderat in der Vorlage fest. Dort ist von einem Steuerfuss von 115 Prozent die Rede, durchgehend in den nächsten zehn Jahren. «Und das Investitionsvorhaben von rund 140 Millionen Franken wurde ohne Einwand goutiert.»
Eigenfi nanzierung stärken
Der Gemeinderat grundsätzlich: «Das Budget bildet ein Zeitfenster von einem Jahr ab. Für die Entwicklung der Gemeinde ist die mittel- bis langfristige Perspektive wichtiger als ein einzelnes Budgetjahr. Um die Selbstfinanzierung zu verbessern, ist es wichtig, Ertragsüberschüsse zu erwirtschaften, um die Eigenfinanzierung zu stärken und die Neuverschuldung zu dämpfen.»
Zurück zum Steuerfuss. Der Gemeinderat hat alle drei Szenarien eingehend beraten: 110, 113 oder 115 Prozent. Ein unveränderter Steuerfuss von 110 Prozent hält er für «nicht verantwortbar» – vor allem im Hinblick auf die langfristige Ausgabenplanung. Und bei 113 Prozent betont der Gemeinderat die Haltung der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission. Die Kommission verweist auf die hohe Zunahme der Verschuldung und die tiefe Selbstfinanzierung. Daraus schliesst der Gemeinderat, «dass der beantragte Steuerertrag grundsätzlich notwendig ist». Weiter sei das grosse «Investitionsvolumen nur umsetzbar und finanziell tragbar», wenn die Selbstfinanzierung verbessert werden könne. Die Steuerfusserhöhung «von mindestens fünf Prozent ist notwendig». Und es seien zwingend Ertragsüberschüsse zu erwirtschaften.
Regierungsrat stellt vertiefte Überprüfung in Aussicht
Der Gemeinderat kommt auch auf den Regierungsrat zu sprechen, der den Steuerfuss im Budget 2019 bestimmte und auf 110 Prozent belassen hat. Der Regierungsrat habe damals festgehalten, dass beim Steuerfuss Handlungsbedarf besteht, schreibt der Gemeinderat. Der Regierungsrat stellte damals in Aussicht, dass er beim Budget 2020 die anstehenden Investitionen der Gemeinde Wohlen einer «vertieften Überprüfung unterziehen» und dass längerfristige Überlegungen eine wichtige Rolle spielen werden.
Diese Interpretation lässt einen Schluss zu: Sollte das Budget also erneut nach Aarau zur Entscheidungsfindung gehen, dann setzt der Gemeinderat auf den Regierungsrat und seine Versprechungen.
Der Gemeinderat gibt sich auch kämpferisch. Er stelle sich der finanzpolitischen Herausforderung, heisst es in der Vorlage. Er stützt seinen Entscheid auf «die langfristige Betrachtung der finanziellen Entwicklung». Ob sich damit Einwohnerrat und Volk überzeugen lassen? Wohl nur schwerlich.
Arsène Perroud: «Das ist die Realität»
Der Marke 115 Prozent schlagen ziemlich sicher viel Skepsis und Kritik entgegen. Und dass der Gemeinderat nach den beiden Volks-Nein zum Budget 2019 und der aktuellen Rückweisung durch den Einwohnerrat an diesem Steuerfuss festhält, könnte von grossen Teilen der Bevölkerung und des Einwohnerrates durchaus als stur – vielleicht sogar als arrogant – ausgelegt werden. Wie ist die Meinung des Gemeindeammanns dazu?
Arsène Perroud: «Nein. Das ist weder stur noch arrogant.» Das Budget mit diesem Steuerfuss sei eine «realistische und ungeschönte Darstellung». Es sei die Aufgabe des Gemeinderates, die Tatsachen und die Realität aufzuzeigen, so Perroud weiter. «Hinter diesem Steuerfuss können wir stehen.» Und alles, was tiefer sei als die 115 Prozent, sei einfach nicht ehrlich. «Wir stehen in der Verantwortung, darum müssen wir auch diese Zahlen so nennen.» Sollte der Investitionsschub nur einigermassen gemeistert werden, «dann brauchen wir einfach mehr Mittel». Der Gemeinderat habe diese 115 Prozent ja nicht aus einem persönlichen Antrieb gesucht, erklärt der Gemeindeammann. Im Hinblick auf die Debatte im Einwohnerrat hat er eine pragmatische Einstellung: «Wenn die Parteien zu einem anderen Resultat, zu einer anderen Haltung kommen, dann liegt das in ihrer Verantwortung.» --dm