Mission erfüllt
29.10.2019 Wohlen48 Stunden voller Strapazen und schwieriger Aufgaben wartete auf die Acht-Mann-Patrouille. Am Schluss gab es erstmals Gold für die Schweiz.
Chregi Hansen
«Irgendwann kommt jeder an seine Grenzen. Genau dann muss man fähig sein, ...
48 Stunden voller Strapazen und schwieriger Aufgaben wartete auf die Acht-Mann-Patrouille. Am Schluss gab es erstmals Gold für die Schweiz.
Chregi Hansen
«Irgendwann kommt jeder an seine Grenzen. Genau dann muss man fähig sein, weiter seine Maximalleistung zu bringen», sagt Juan Hausherr, während er an seinem Rivella nippt und die letzten Sonnenstrahlen des Tages geniesst. Er hat sich die kleine Auszeit verdient, hat er doch zuvor viel Aufwand auf sich genommen, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen: Eine Goldauszeichnung am Cambrian Patrol, dem vielleicht härtesten Militärwettkampf der Welt.
Die meisten Soldaten nehmen diese Strapazen nur einmal auf sich, Hausherr und sein Kollege Nicolas Baumann waren jetzt das zweite Mal im Sumpf von Wales unterwegs. «Nachdem wir letztes Jahr Bronze holten, wollten wir Gold», sagt der 23-Jährige, der zusammen mit Baumann das Team anführte, die Teilnehmer rekrutierte und die Trainings gestaltete. Die Mission war ein Erfolg. Die für die Goldauszeichnung nötige Punktzahl wurde erreicht. Eine offizielle Rangliste gibt es zwar nicht. «Aber über Umwege haben wir erfahren, dass wir wohl zu den Top Ten gehören», erklärt der Wohler Grenadier.
Das Erstaunliche: Die Schweizer Patrouille war das einige Miliz-Team. Daneben starteten beispielsweise amerikanische Rangers, Special Forces aus Mexiko oder Elitetruppen der britischen Armee. «Wir haben bewiesen, dass auch eine Milizarmee auf hohem Niveau Leistung bringen kann», freut sich Hausherr. Das Lob der Schweizer Armeespitze liess darum nicht lange auf sich warten.
Über sich hinausgewachsen
Juan Hausherr holte am Cambrian Patrol in Wales mit dem Schweizer Team Gold
Bereits zum 60. Mal organisierte die britische Armee den Militärwettkampf. 140 Teams aus rund 40 Nationen nahmen daran teil. Nur gerade 20 von ihnen wurden am Schluss mit Gold ausgezeichnet. Darunter auch eine Miliz-Patrouille aus der Schweiz mit dem Wohler Juan Hausherr.
Chregi Hansen
Als wäre der Marsch mit seinen 85 Kilometern nicht schon lange genug, machte der Navigator noch einen dummen Fehler, welcher der Schweizer Truppe acht zusätzliche Kilometer bescherte. Des einen Leid, des anderen Glück. «Danach übernahm ich die Navigation. Das hat mir geholfen, denn ich war in dem Moment körperlich am Anschlag. Mit der zusätzlichen Aufgabe gerieten die Strapazen aber in den Hintergrund», berichtet Juan Hausherr.
Dem Navigator macht er hingegen keinen Vorwurf. «Es ist extrem schwierig, sich in diesem walisischen Sumpf zu orientieren», sagt der 23-Jährige. Während Tag und Nacht, starkem Regen und stürmischen Winden musste sich die Patrouille im Gebiet der Brecon Beacons und in den Black Mountains hindurchnavigieren, um eine spezifische Aufklärungsmission zu absolvieren. 17 anspruchsvolle Aufgaben warteten dabei auf die Teilnehmer. «Wir waren dabei so schnell unterwegs, dass einzelne Posten noch gar nicht vorbereitet waren», lacht Hausherr.
Körperlich topfit
Der gelernte Schreiner nahm bereits zum zweiten Mal an diesem für die Schweiz vielleicht härtesten Militärwettkampf teil. «Ich wollte mir beweisen, wozu ich fähig bin und dass ich es schaffe, Hürden zu überwinden, und in einer Gruppe ein grosses Ziel erreichen kann», erklärt er seine Motivation. Als Grenadier und Mitglied des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Schweizer Armee ist er körperliche Anstrengungen gewohnt. Zudem ist Hausherr Mitglied des TV Wohlen und ein starker Leichtathlet.
«Körperlich sind alle Teilnehmer absolut topfit. Wichtig ist aber, auch die psychischen Belastungen zu meistern», sagt er. Etwa dann, wenn man mitten in der Nacht und in tiefster Dunkelheit durch einen 0 Grad kalten See waten muss. Oder wenn an einem Posten schreiende und blutende Opfer auf Hilfe warten. «Man weiss nur ungefähr, was alles auf einen zukommt, das Programm ist jedes Jahr etwas anders», sagt der Wohler. Insofern war es nur ein kleiner Vorteil, dass er und Nicolas Baumann schon im letzten Jahr dabei waren.
Die beiden waren anschliessend bereit, nochmals anzutreten, wenn sie die Gruppe auswählen und trainieren dürfen. «Dabei haben wir beide nur den Rang eines Wachtmeisters», lacht Hausherr. Dass die Armee den Vorschlag bewilligte, erachtet er darum als Riesenglück. «Die Schweiz nimmt seit fünf Jahren am Cambrian Patrol teil, für Gold hat es noch nie gereicht. Dass wir das geschafft haben, das macht uns extrem glücklich.» Und brachte ihnen auch viel Respekt von den Soldaten anderer Armeen ein. Dass sich die Schweizer Milizarmee so gut schlägt, das sorgt für Bewunderung.
Das Lob von der Armeespitze
Der junge Wohler ist denn auch stolz auf das Team, dem er als stellvertretender Gruppenleiter oft vorausging. «Wir sind im Laufe der Vorbereitung gute Freunde geworden, fast eine Familie», erzählt er. Dieser Aspekt ist ihm besonders wichtig. «Ich bin eher ein Teamplayer als ein Einzelkämpfer», sagt er über sich selbst. «Es ist toll, als Gruppe so etwas zu schaffen.» Er ist stolz, dass er die Schweiz im Ausland vertreten durfte. Und das erst noch mit Erfolg. «Es ist das Ergebnis einer sorgfältigen Vorbereitung auf den Wettkampf und Beharrlichkeit und Bewusstsein bei der Durchführung. Es sind diese Eigenschaften, welche unsere Taten als Spezialeinheit charakterisieren und auszeichnen», heisst es im Dankesschreiben, welches Hausherr von der Armeespitze erhalten hat. Und das mit dem Satz «Wir sind stolz auf Sie» endet.
Armeeschokolade als gefragtes Zahlungsmittel
Die Schweizer Patrouille bestand aus drei Fallschirmaufklärern und fünf Grenadieren. Dazu kamen ein Ersatzmann und ein weiteres Mitglied, das die ganze Organisation unter sich hatte. Dabei konnte das Team auf viel Unterstützung zählen, so flogen die zehn Armeeangehörigen mit einem Flugzeug des Bundes nach England. Auch beim Zoll wurden sie schnell durchgewunken – nur das eigene Gewehr mussten sie zu Hause lassen. Vor Ort mussten sie dann noch etliches Material organisieren, «dabei konnten wir oft unsere Armeeschokolade als Zahlungsmittel einsetzen», sagt Hausherr lachend. Überhaupt empfand er den Kontakt mit den Soldaten aus anderen Ländern als spannend und bereichernd. «Es ist mehr eine Übung als ein Wettkampf, man hofft auch für die anderen, dass sie alle Posten schaffen», sagt er.
Die körperliche Anstrengung ist dabei hoch. 48 Stunden ist die Patrouille unterwegs, und das mit rund 30 Kilogramm Gepäck. «Ein Grenadier ist sich gewohnt, über seine Leistungsgrenzen hinaus zu gehen. Trotzdem braucht es auch das Gespür des Gruppenführers, wann es eine kleine Pause braucht», sagt Hausherr. Dieses Wissen würden er und Baumann gerne auch in den kommenden Jahren den Schweizer Teams zur Verfügung stellen. «Wir könnten uns vorstellen, in Zukunft diese Patrouille auszubilden», sagt der Wohler. Mitmachen darf er nicht mehr – zweimal ist das Maximum.
Neue Herausforderung suchen
Nach den Strapazen in Wales, dem Ausflug nach London und der Siegerehrung ist Hausherr wieder zurück in Wohlen. Der Alltag hat ihn wieder. Er holt im Moment die Matur nach und will anschliessend an der Fachhochschule studieren. Zudem will er wieder vermehrt Leichtathletik betreiben – «in diesem Jahr kam das Training wegen dem Cambrian Patrol zu kurz», sagt er. Eine militärische Karriere hingegen strebt er nicht an. Hingegen überlegt er sich, welche nächste körperliche Herausforderung er angehen will. Und denkt dabei an die vier Grenadiere, die letztes Jahr am Atlantic Challenge teilgenommen haben und dabei über den Atlantik gerudert sind. «So etwas würde mich auch reizen», sagt er schmunzelnd. «Ich liebe es, mich selber an den Anschlag zu bringen.» Und dann noch weiter zu gehen.




