Der «lebendige» Synesius
27.09.2019 BremgartenSynesius (der «Einsichtige»), ein Katakombenheiliger, geniesst noch heute grosse Verehrung
Die Stadtpfarrkirche von Bremgarten besitzt in einem reich verzierten Reliquienschrein den Schädel und die Knochenstücke des Heiligen Synesius, die am 18. August 1653 mit ...
Synesius (der «Einsichtige»), ein Katakombenheiliger, geniesst noch heute grosse Verehrung
Die Stadtpfarrkirche von Bremgarten besitzt in einem reich verzierten Reliquienschrein den Schädel und die Knochenstücke des Heiligen Synesius, die am 18. August 1653 mit grössten Feierlichkeiten empfangen wurden. Seither wird hier der Augensegen erteilt.
Über das Leben des Synesius ist nichts bekannt. Katakomben-Heiligenreliquien aber gibt es unzählige. Synesius‘ Gebeine wurden 1652 unter Papst Innozenz X. und durch die Vermittlung des Kommandanten der Schweizergarde, Johann Rudolf Pfyffer von Altishofen, aus der Calepodius-Katakombe in Rom enthoben und von Stadtpfarrer Heinrich Honegger sowie dem Kapitularen Christopherus Bürgisser nach Bremgarten gebracht.
Zeichen der Versöhnung
Der 18. August 1653 – das Jahr der Schlacht bei Wohlenschwil im Zeichen der Bauernkriege – war wohl einer der wichtigsten Merkpunkte in der Stadtgeschichte: Bremgarten feierte die Ankunft der Gebeine, die Häuser und Strassen waren mit Blumengirlanden, Triumphbögen sowie Inschrifttafeln verziert. Bei den Feierlichkeiten anwesend waren der Abt Dominicus des Klosters Muri, der Abt Georgius des Klosters Adelberg in Württemberg und mehr als 90 Priester aus der Welt- und Ordensgeistlichkeit sowie politische Gesandte der Kantone Uri, Schwyz, Glarus und Zug. Eine ganz grosse Sache. Wie Heinz Koch aus heutiger Sicht beurteilt, war der Willkomm für den Katakombenheiligen auch ein Zeichen an die Landbevölkerung und diente der Versöhnung nach besagten Bauernkriegen.
Der Reliquienheilige wird am Synesiusfest, dem vierten Sonntag im Oktober, als Helfer bei Augenkrankheiten angerufen. Dazu wird von einem Geistlichen ein in Silber gefasster Knochen des Heiligen an die Stirn gehalten und ein Segen ausgesprochen. Die Reliquie wird nicht etwa auf die Augen gelegt, sondern an die Mitte der Stirn gehalten. Für Heinz Koch ist die Geste ein Hinweis auf das dritte, göttliche Auge: «Die Augen öffnen für Solidarität.» Noch heute wird das Synesifest rege besucht. Es ist zudem mit dem «Markt der Vielfalt», dem früheren Herbstmarkt, verbunden.
Ganz früher pilgerte die Landbevölkerung aus den Untertanengebieten des 17. Jahrhunderts, dem Kelleramt, am Montag nach Synesius mit Kreuz und Fahnen nach Bremgarten und liess sich die Augen segnen. Und der «Synesi» ist ja auch ein guter Vorname.
«Synesius geht mit der Zeit»
Ganz besondere Ereignisse waren die jeweiligen Jahrhundert-Feierlichkeiten: am 24. Oktober 1753 (mit 10 000 Gläubigen, Prozession und Festspiel mit eigens komponierter Musik), am 24. Oktober 1853 und am 25. Oktober 1953; jeweils wurden umfangreiche Festschriften aufgelegt.
Am vierten Oktobersonntag 2003 wurde die Feier zum 350. Jahrestag der Überführung der Reliquien fällig. Pfarrer Kurt Ruef und ein paar Bremgarter Notabeln machten sich schon ein Jahr vorher einige Gedanken. «Man wollte unseren Synesius etwas vom Staub der Geschichte befreien», beschreibt Heinz Koch. Und Silvio Blatter, der schon einmal ein ähnliches Buch vorgelegt hatte, prägte den Slogan «Synesius gehört nach Afrika». Die Solidaritätsidee, aus der das Projekt «Synesius für die Ärmsten in Afrika» wachsen würde, war geboren.
Als erste Aktion gab es eine Geldsammlung für Augenkranke und jeden Monat eine Aktion oder Veranstaltung, unter anderem einen Zeichnungswettbewerb in den Schulen, Thema: «Augen». Und weil man von den beachtlichen 100 000 Franken, welche da zusammenkamen, nicht alles auf einmal ausgab, wurde ein Verein gegründet.
Im Kontakt mit Pater Isidor und Bruder Röbi Peterhans (aufgewachsen in Künten) kam man nach Tansania ins Kloster «Sanya Juu» und dessen Augenstation. Man finanziert – heute an drei Standorten in Nairobi – als Zentrumsaktivität «Katarakt-Operationen» gegen den grauen Star, gibt den Kindern Schulbildung und Mahlzeiten und eröffnet ihnen Lebensperspektiven.
Damit hat der Bremgarter Synesius eine erweiterte Dimension erhalten und ist so lebendiger denn je. --rts