Auftakt zur heissen Phase
03.09.2019 WohlenAuch im Freiamt läuft der Wahlkampf so richtig an: zwei Podien in Wohlen
Welches sind die bedeutungsvollsten Themen im Wahlkampf? Der Klimawandel und die stetig steigenden Krankenkassen-Prämien. So urteilt ein erfahrenes Polit-Trio am Podium in ...
Auch im Freiamt läuft der Wahlkampf so richtig an: zwei Podien in Wohlen
Welches sind die bedeutungsvollsten Themen im Wahlkampf? Der Klimawandel und die stetig steigenden Krankenkassen-Prämien. So urteilt ein erfahrenes Polit-Trio am Podium in Wohlen.
Daniel Marti
«Die heisse Phase im Wahlkampf beginnt jetzt», stellte Organisator Fabian Furter vom Verein Schlössli Wohlen vor der Podiumsdiskussion fest. Tatsächlich. Die drei Ständeratskandidaten von SVP, CVP und SP lieferten sich spannende und heisse Rededuelle. Am meisten Platz in der Diskussion nahmen der Klimawandel und die Krankenkassen-Prämien ein. Und logisch: Hansjörg Knecht (SVP), Marianne Binder (CVP) und Cédric Wermuth (SP) waren sich nur selten einig. In einem Punkt war sich das Trio allerdings so ziemlich deckungsgleich: Wahlkampf bedeutet auch Provokation und den unerbittlichen Kampf um Aufmerksamkeit. Eine Kostprobe davon: «In Bundesbern schaut beim Thema Krankenkasse die Gesundheits-Lobby nur für die Unternehmen und zielt dabei am Patienten vorbei.» Wer sagte das? Richtig: Nationalrat Cédric Wermuth (SP). So richtig entkräftet wurde seine Argumentation nicht – im Wissen, dass die stets steigenden Prämien ein heisses Wahlkampfthema sind. Am hartnäckigsten hält sich jedoch der Klimawandel als populäres Wahlkampfthema. Die Ansichten von Hansjörg Knecht, Marianne Binder und Cédric Wermuth sind hier sehr unterschiedlich.
Ein einziges Thema beanspruchten vier Jungpolitiker bei einem Podium in der Kanti Wohlen für sich. Die Digitalisierung beschäftigt die Jugend fast so stark wie das Klima. Ständeratspodium und Jugendpodium an einem Abend in Wohlen – der Wahlkampf ist auch im Freiamt definitiv lanciert.
Das Klima lässt doch niemand kalt
Podium im Schlössli mit den Ständeratskandidaten Marianne Binder (CVP), Hansjörg Knecht (SVP) und Cédric Wermuth (SP)
Sie war gehaltvoll, immer fair und stilvoll, bei der Podiumsdiskussion im Schlössli standen eben drei erfahrene Politkräfte im Fokus. Drei von zehn Kandidierenden für den Ständerat diskutierten, stritten auf gutem Niveau. Klimawandel und Krankenkassenprämien sind die heissen Wahlthemen.
Daniel Marti
Vor allem die grossen Parteien sollten Einzug halten im ältesten Haus von Wohlen. Und das taten sie auch mit Marianne Binder (CVP), Hansjörg Knecht (SVP) und Cédric Wermuth (SP). Auch Thierry Burkart (FDP) war vom organisierenden Verein Schlössli vorgesehen, nur passte dem Nationalrat aus Baden kein einziger Termin. Die Dreier-Runde hatte auch so viel zu bieten. Moderiert wurde das Podium von Fabian Hägler, Redaktor der «Aargauer Zeitung».
Zu viele Provokationen?
Ein richtiges Heimspiel hatte keine Person aus dem Trio. Eine konkurrenzfähige Freiämter Kandidatur fehlt im Ständeratswahlkampf. Zumindest ein «halbes Heimspiel» nahm Cédric Wermuth für sich in Anspruch. Er ist in Boswil aufgewachsen und ging in Wohlen in die Kanti. Hansjörg Knecht sieht sich als «waschechter Milizpolitiker», der die Treppe Schritt für Schritt emporstieg. Gemeinderat, Grossrat, Nationalrat. Jetzt Ständerat? Und Marianne Binder gab in der persönlichen Vorstellungsrunde preis, dass sie zu einem linken Geschichtslehrer in die Kanti ging, «dessen Geschichten mein Vater immer konterte». Deshalb wusste Binder rasch, dass es im Leben nicht nur Schwarz oder Weiss gibt und die Mitte eine gute Kraft ist. Worauf Wermuth rasch erwiderte: «Ach was, die politische Mitte hat sich radikalisiert.» Somit war die Podiumsrunde bestens lanciert.
Als Würmer abgestempelt?
Gewiss, das SVP-Plakat mit den Maden und Würmern kam auch zur Rede. Es sei nicht seine Art, andere zu verunglimpfen, stellte SVP-Vertreter Knecht klar, letztlich gehe es um Aufmerksamkeit, und die Botschaft sei klar: Es geht gegen Europa, gegen die EU. «Vergesst nicht, 70 Prozent der Aargauer wählen nicht die SVP, und all diese werden als Würmer abgestempelt», betonte Wermuth. Somit war alles gesagt zum umstrittenen Plakat.
Alle drei Ständeratskandidaten betonten mindestens einmal, dass sie Inhalte und Lösungen präsentieren möchten. Allerdings oft ohne Kostenfolgen. Es gehe auch um die Zukunft des Landes. Und um ständige Provokationen, wie Marianne Binder einräumte. «Die totale Provokation liegt aber meiner Partei nicht.» Aus der Mitte heraus sei es schwierig zu politisieren, weniger auffällig als von den beiden Polen aus. «Aber es ist eine Tradition, dass es in der Schweiz eine starke Mitte gibt.» Und wenn es in der Schweiz keine starke Mitte mehr geben sollte, dann sieht sie schwarz.
Selbstbewusst gegenüber der EU auftreten
Zu den wichtigsten Themen im Wahlkampf: Für SVP-Knecht ist das klar «unsere Beziehung zur EU». Die Diskussion um das Rahmenabkommen mit der EU wolle man erst nach dem Wahltermin vom 20. Oktober führen. «Niemand will jetzt darüber reden, das wichtigste Thema wurde auf Sparflamme gesetzt.» Knecht sieht mit der EU gar nicht ganz so grosse Differenzen. «Wir haben ja nur bei der Personenfreizügigkeit ein Problem mit der EU.» Und er sei überzeugt, dass es da Lösungen geben werde. «Das Rahmenabkommen wäre wichtig mit der EU», betonte dagegen Wermuth, obwohl auch die SP dagegen ist. Sie fordert verstärkten Lohnschutz. «Es müssen Löhne bezahlt werden, von denen die Menschen auch leben können.» Er sei jedenfalls entspannt, so der SP-Nationalrat, «wir werden mit der EU einig».
Dass selbst die ehemaligen Euro-Turbos nun plötzlich skeptisch sind, findet Marianne Binder seltsam. Aber: «Unser Land ist auf die bilateralen Verträge angewiesen. Seit 1991, als der EWR dank der SVP abgewiesen wurde, ist die Schweiz ja nur noch am Verhandeln.» Was das alles gekostet haben wird?
Das System der EU passt gemäss der Aargauer CVP-Präsidentin nicht zum System Schweiz, «trotzdem gilt es Lösungen zu finden. Die Schweiz muss einfach selbstbewusst auftreten.» Binder gab zu bedenken, dass die Schweiz mitten in Europas Herzen liegt. Was sie daher ärgert, ist der Umgang mit der EU. «Dass die EU bei uns in der Schweiz stets verteufelt wird», kann sie nicht verstehen. «Wenn man miteinander Geschäfte betreibt, dann bekriegt man sich nicht. Und die EU ist ein grosses Friedenswerk.»
Alle auf den Berggipfel mitnehmen
Für Cédric Wermuth sind die stetig steigenden Krankenkassen-Prämien das Wahlkampfthema Nummer eins. Noch vor dem Klimawandel, «der eine grosse Herausforderung darstellt. Und da wollen viele auch nur mitmachen, wenn es nicht zulasten des Portemonnaies geht.» Klima und Krankenkasse sind laut Binder wichtige Themen. «Da sind wir auch von aussen gesteuert.» Aber der Klimawandel werde noch lange dominant sein. Beim Klimawandel brauche es Antworten, «aber keine extreme Haltung». Es könne aber nicht sein, so Hansjörg Knecht, «dass der Staat sagt, was wir machen sollten. So kommt es sowieso nicht gut. Weil man die Massnahmen beim Klimawandel gar nicht zahlen kann.» Knecht appelliert auch hier an die Eigenverantwortung. Beim Klimawandel dürfe man keinesfalls den Linken folgen, so Knecht weiter. Er wolle beim Klimawandel alle Menschen mitnehmen, wie bei einer Bergwanderung. Und man müsse den Weg so wählen, dass alle auf dem Gipfel ankommen werden.
Klima-Jugend hat sensibilisiert – und zwar weltweit
Es gehe aber nicht an, dass Politiker, die während den letzten 40 Jahren versagt haben, beim Klimawandel nun den Ton angeben, kritisierte Wermuth. «Genau diese Politiker wollen nun den Jungen vorwerfen, was sie falsch machen.» Mit CO2-Abgaben werde aber nur der kleine Mann abgestraft, reklamierte Knecht. «Was nicht stimmt», erwiderte Wermuth, «die CO2-Abgabe würde ja auch zurückerstattet.»
Gewiss doch, die sogenannte Klima-Jugend sei inkonsequent, sie lebe nicht immer vorbildlich, fügte Marianne Binder an. «Aber dies ist noch lange kein Grund, ihre Forderungen nicht ernst zu nehmen. Die Klima-Bewegung ist nicht schlecht. Sie hat sensibilisiert – sogar weltweit.» Trotzdem sei er als Politiker gefordert, so Hansjörg Knecht, «Vorlagen zu erarbeiten, die mehrheitsfähig sind». Er verlangt, dass zusammen mit der Forschung Lösungen erarbeitet werden. Cédric Wermuth hat da eine andere Rangliste, welche Sektoren am schnellsten wirkungsvoll Massnahmen gegen den Klimawandel umsetzen könnten: der Finanzplatz Schweiz, gefolgt von der Mobilität und von Gebäudesanierungen.
Gewagte Prognosen
Klimawandel, Krankenkasse und EU. Diese Themen werden bis zum Wahltag am 20. Oktober dominieren. Und zentral bei allen Veränderungen sind immer die Finanzen, die vor allem im bürgerlichen Bereich stets angemahnt werden. Apropos Wahltag, wo siedeln die drei Kandidierenden ihren Wähleranteil am Wahltag an, wollte Moderator Fabian Hägler wissen. Marianne Binder prognostizierte während des Podiums 20 Prozent. Und Cédric Wermuth will einfach «ein Prozent mehr als Hansjörg Knecht. Nein im Ernst», korrigierte er, «wir haben eine Drittelchance.» Und Hansjörg Knecht: «Vor vier Jahren erhielt ich im ersten Wahlgang 43 Prozent.» Er wurde im zweiten Wahlgang trotzdem nicht gewählt. «Das Ziel muss es sein, höher zu liegen als vor vier Jahren», so Knecht. Am Ende der Podiumsrunde sah dann Marianne Binder steigende Chancen, den prognostizierten Wähleranteil legte sie dann auf 30 Prozent. Das nennt man Selbstvertrauen. -- dm
«Die Schweiz ist überfordert»
Junge Nationalratskandidaten: Podiumsgespräch zur Digitalisierung in der Kanti
Machen Roboter und Computerprogramme viele Jobs bald überflüssig? Oder erlaubt die fortschreitende Digitalisierung der Menschheit ein sorgenfreieres Leben? Die Meinungen gehen auseinander. Vier Jungpolitiker nahmen im Rahmen eines Politpodiums Stellung.
Joel Gattlen
«Die Schweiz ist auf einem sehr guten Weg, was die Digitalisierung betrifft. Wir dürfen den Anschluss aber nicht verlieren», betont Jacqueline Wick (Junge CVP) aus Bremgarten. Deswegen sei es wichtig, stets aktiv und vorausschauend nach Lösungen zu suchen. «Nur so kommt man vorwärts», sagt sie.
Anderer Meinung ist Sandro Covo (Juso) aus Jonen: «Die Schweiz ist masslos mit der Digitalisierung überfordert. Das Schweizer Datenschutzgesetz ist beispielsweise völlig veraltet. Sogar eine Expertengruppe von Facebook kam zum Schluss, dass der Schweizer Datenschutz völlig unzureichend ist, und schlug eine Verschärfung vor. Das will etwas heissen.» Für die Überforderung spreche auch, dass regelmässig bei IT-Projekten Millionen an Steuergeldern verlocht werden, ohne dass dabei eine brauchbare Lösung herauskomme. «Es braucht endlich Leute in Bern, die etwas von der Materie verstehen», ist sich Covo sicher.
«Die Digitalisierung wird unser Leben einfacher machen»
Moderiert wurde das Podium von Maurice Velati, Redaktionsleiter Regionalredaktion Aargau Solothurn, bei SRF. «Roboter ersetzen immer mehr Aufgaben von Fabrikarbeitern. Zudem gibt es heute bereits Computerprogramme, die journalistische Sportmeldungen schreiben oder in den USA nahezu wasserdichte Scheidungsverträge aufsetzen. Sind durch die Digitalisierung unsere Jobs bedroht?», fragt Velati in die Runde.
Martin Mennet (Jungfreisinnige) aus Rheinfelden dementiert: «Die Digitalisierung wird unser Leben in vielen Bereichen einfacher machen. Es wäre falsch, sie zu verteufeln. Es stimmt zwar, dass die beruflichen Anforderungen steigen und dass gewisse Jobs verschwinden werden. Gleichzeitig entstehen aber auch viele neue. Es findet also ein Wandel statt.» Ob dabei nicht doch viele Arbeitnehmer auf der Strecke bleiben werden, will Velati wissen.
«Informatik wird bereits heute in der Schule gelehrt. Jugendliche sind zudem meist schon früh sehr IT-affin. Aber auch bei älteren Personen sollte die fortschreitende Digitalisierung kein Problem sein. Wenn er wirklich will, kann sich jeder anpassen», ist sich Svenja Schmid (Junge SVP) aus Hägglingen sicher.
Machtverhältnisse entscheiden über Fluch oder Segen
Den Gegenpol dazu zeigte Covo auf: «Rund 300 000 Jobs werden in der Schweiz aufgrund der Digitalisierung vernichtet werden. Momentan ist es leider so, dass nur sehr wenige Menschen wirklich von dieser profitieren.» Komplett gegen die Digitalisierung ist Covo ebenfalls nicht. Er mahnt jedoch: «Die Machtverhältnisse in Politik und Wirtschaft entscheiden darüber, ob sie eine Chance oder eine Gefahr ist. Wir haben es in der Hand.»
Chancen der Digitalisierung sehen Wick und Mennet auch beim E-Voting. «E-Voting wird die Zukunft sein und sich zwangsläufig durchsetzen, sobald die Sicherheit genügend garantiert werden kann. Für die Demokratie wird dies ein Mehrgewinn sein und er wird diese wieder deutlich näher zu den Menschen bringen», sagen die beiden.
Programmierte bereits mit zwölf
Am Politpodium nahmen die vier Nationalratskandidaten Martin Mennet (Jungfreisinnige), Jacqueline Wick (Junge CVP), Svenja Schmid (Junge SVP) und Sandro Covo (Juso) teil. Mennet ist 20 Jahre alt, wohnt in Rheinfelden und studiert an der Universität St. Gallen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Wick ist 19 Jahre alt, wohnt in Bremgarten und wird 2020 die Matura an der Kantonsschule Baden abschliessen. Danach will sie Ius an der Universität Zürich studieren. Svenja Schmid ist ebenfalls 19 Jahre alt und wohnt in Hägglingen. Die Freiämterin hat ihre kaufmännische Lehre erfolgreich bei der Gemeinde Bremgarten absolviert. Aktuell arbeitet sie als Consultant im Bereich Steuern und Debitoren bei einer Softwaresupportunternehmung in Baldegg. Sandro Covo hat schon viel Erfahrung auf dem Politparkett. Rund zwei Jahre war er Präsident der JUSO Aargau. Seit April ist Covo nun in der Geschäftsleitung der JUSO Schweiz tätig. Der ambitionierte Jungpolitiker ist 22 Jahre alt, wohnt in Jonen und programmiert, seit er zwölf Jahre alt ist. Covo arbeitet als Informatiker und studierte an der ETH Zürich Physik. Neu wird er zum Studiengang Informatik wechseln.
Nicht aufs Geschlecht reduzieren
Um den potenziellen Wählern einen besseren Überblick über die politischen Ansichten der Jungpolitiker zu verschaffen, stellte Velati den Podiumsteilnehmern im Schnelldurchlauf weitere Fragen zu unterschiedlichsten Themen. So zum Beispiel zu einem allfälligen EU-Beitritt oder der Einführung von Frauenquoten. Hinsichtlich beider Fragen waren alle Politiker ausser Covo (Juso) dagegen.
«Ich will keine Quotenfrau sein und auf mein Geschlecht reduziert werden. Wenn ich eine Kaderstelle bekomme, dann will ich, dass ich von meinem Arbeitgeber aufgrund meiner Persönlichkeit und meiner Leistung ausgewählt werde», sagt Svenja Schmid.
Mehr Gehör für Jungpolitiker in Wohlen gefordert
Organisiert wurde der Anlass durch das Jugendparlament Aargau in Kooperation mit dem Jugendrat Wohlen. Für Ersteres war Parlamentspräsident und Nationalratskandidat Samuel Hasler (JSVP) vor Ort. Das Podium fand in der Aula der Kantonsschule Wohlen statt. Rund 120 Personen besuchten dieses.
Für eine starke Jungpolitik setzt sich auch Mitorganisator Mentor Morina (17), Mitglied des Jugendrates Wohlen, ein: «Ich finde es wichtig, dass die Jugend politisch mitwirken kann. Gerade in Wohlen, wo es Institutionen wie den Jugendrat und die Jugendsession gibt, sollten die Wohler Politiker den Jugendlichen noch mehr Gehör schenken.»






