Die Aufstiegs-Zwillinge
09.08.2019 WohlenSommerserie «Zwillinge im Freiamt»
Sie werden im Herbst 40 Jahre alt. Doch wenn man in Wohlen den Namen «Viceconte» hört, denkt man an junge Männer im Trikot des FC Wohlen. Die Zwillinge Gerardo und Carmine Viceconte prägten gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Fabio die ...
Sommerserie «Zwillinge im Freiamt»
Sie werden im Herbst 40 Jahre alt. Doch wenn man in Wohlen den Namen «Viceconte» hört, denkt man an junge Männer im Trikot des FC Wohlen. Die Zwillinge Gerardo und Carmine Viceconte prägten gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Fabio die Mannschaft des FC Wohlen, die erstmals in der Geschichte in der Nationalliga B spielte. Das Duo ging bis zum Rücktritt von Gerardo Viceconte immer einen gemeinsamen Weg. Sei es beim FC Wohlen, FC Aarau, in den Schweizer Nachw uchs-Nationalmannschaften, aber auch in der Schule oder der RS. Sie erzählen über ihre Erfahrungen im Fussball, ihre besondere Verbindung als Zwillinge, ihre Unterschiede und wie sie ihre Ähnlichkeit vorteilhaft nutzen. --jl
Der Siebner und der Neuner
Sommerserie: «Zwillinge im Freiamt»: Gerardo und Carmine Viceconte, Wohlen
Bekannt sind sie in der Region vor allem durch den Fussball-Sport. Gerardo und Carmine Viceconte waren «die Zwillinge» beim FC Wohlen. Sie erzählen über ihre Fussballzeit und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Josip Lasic
Selten wurde ein 0:0 auf der Paul-Walser-Stiftung so gefeiert wie am 8. Juni 2002. Mit diesem Ergebnis stieg der FC Wohlen zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte in die Nationalliga B auf. Mitten drin beim feiernden Fussballverein sind zwei Brüder. Der Mittelfeldstratege Gerardo Viceconte, geboren am 24. Oktober 1979, und der Stürmer Carmine Viceconte, geboren am selben Tag, zwei Minuten vor Gerardo.
Kaum ein Name wird neben Trainer Martin Rueda so stark mit dem NLB-Aufstieg in Verbindung gebracht wie Viceconte. Knapp einen Monat später bestritt der FC Wohlen seine ersten Spiele in der NLB. Nachdem der zwei Jahre jüngere Bruder Fabio zu den Freiämtern stiess, hatte Wohlen in Sturm, Mittelfeld und Verteidigung je einen Spieler mit dem Nachnamen Viceconte. Sprach man jedoch von den Vicecontes, waren in erster Linie die Zwillinge gemeint. «Das war unserem Bruder gegenüber nicht immer so fair», sagt Gerardo Viceconte. «Er wurde oft nicht als eigenständige Person, sondern als ‹der Bruder der Zwillinge› betrachtet», ergänzt Carmine.
Kicken mit Alex Frei
Die Vicecontes standen für Wohler Fussball. «Meine Frau ist überhaupt nicht fussballinteressiert», erklärt Gerardo Viceconte. «Ich habe ihr irgendwann erklärt, dass ich auf regionaler Ebene ganz gut war. Erst als wir in Wohlen waren und mich zahlreiche Leute ansprachen, wusste sie, was das heisst.» Carmine Viceconte erinnert sich. «Gemeindeammann Walter Dubler kam oft zu uns und hat immer zuerst gefragt: ‹Bist du der Siebner oder der Neuner?›»
Das Duo ist auch heute noch mit dem Fussballsport verbunden. Carmine ist Sportchef beim FC Lenzburg und hat dadurch immer wieder Kontakte zum FC Wohlen. «Ich habe beispielsweise probiert, Alain Schultz nach seinem Rücktritt zu uns zu lotsen», erzählt der ehemalige Stürmer. Gerardo Viceconte lanciert 2020 ein Projekt im Bereich «Sport und Wirtschaft», über das er noch nicht zu viel verraten kann.
Der Fussball spielte eine grosse Rolle auf dem Lebensweg der Zwillinge, den sie sehr lange Zeit zusammen gingen. Als Junioren fingen sie gemeinsam beim FC Wohlen an und wechselten dann als Talente zum FC Aarau. Zusammen spielten sie zuerst in den Aargauer und später in den Schweizer Nachwuchsauswahlen. «In der Juniorennationalmannschaft spielten wir unter anderem mit Alex Frei», sagt Gerardo Viceconte. «Damals kam er im Sturm nicht an Carmine vorbei.» Auch nach der Juniorenzeit spielten die Brüder lange Seite an Seite. Zuerst bei Aarau, danach bei Solothurn und zuletzt in Wohlen.
Die Wege trennten sich erst, als Gerardo im Alter von 24 Jahren früh seine Fussballerkarriere an den Nagel hängte. «Das war schon speziell», erzählt Gerardo. «Wir waren vorher immer zusammen. Auch in der Schule oder in der RS. Plötzlich war es nicht mehr so.»
Unterschiede als Vorteil
Gerardo Viceconte hat sich im besten Fussballeralter auf den Beruf konzentriert. Er absolvierte an der Universität Fribourg ein Studium in Sportpsychologie. Später arbeitete er im Marketing und als Fachdozent in der Erwachsenenbildung.
Im Fussball betätigte er sich unter anderem als Co-Trainer beim FC Wohlen und später als Trainer vom FC Meisterschwanden. Dorthin holte er auch seine beiden Brüder. Carmine Viceconte begann seinen beruflichen Werdegang als Quereinsteiger in der Informatik. Nach dem erfolgreichen Abschluss als Informatiker HF arbeitet er seit mehreren Jahren in Zürich als System Engineer im Bereich Virtualisierung. «Wenn sich Gery ein Ziel setzt, dann verfolgt er es unnachgiebig», erzählt der ehemalige Stürmer. «Ich bin da lockerer. Auch ich komme ans Ziel, aber über Umwege.» Gerardo Viceconte sieht darin auch Vorteile bei seinem Bruder. «Durch seine lockere Art geht er manchmal einfacher durch das Leben. Carmine kann besser mit Dingen abschliessen und die Vergangenheit hinter sich lassen als ich.»
Die Brüder sehen auch Vorteile in den Unterschieden. Carmine Viceconte: «Braucht einer von uns Tipps bezüglich Ausbildung oder Beruf, wenden wir uns an Gery. Wenn wir handwerkliche Hilfe benötigen, ist unser jüngerer Bruder Fabio die Ansprechperson. Ich bin für Tipps im Bereich Ferien oder Ausgang zuständig.»
Eine besondere Verbindung
Die Gemeinsamkeiten konnten die Zwillinge auch oft vorteilhaft nutzen. Zwei Anekdoten aus der Vergangenheit – Carmine Viceconte erzählt: «Zu Aarau-Zeiten waren wir mit zwei Kollegen an der Fasnacht und haben eine hübsche Frau kennengelernt, die es auf Gery abgesehen hatte», so der ehemalige Stürmer. «Er hatte damals aber eine Freundin. Kurzerhand tauschte ich mit ihm das Shirt und versüsste mir somit den Fasnachts-Abend.»
«Ich absolvierte mal für Carmine den Sehtest beim Augenarzt, da er kurzfristig mit der 1. Mannschaft des FC Aarau engagiert war», schmunzelt Gerardo Viceconte.
Mittlerweile sind die Zwillinge Familienväter. Gerardo ist seit 2015 verheiratet und hat einen Sohn. Carmine wird im Dezember Vater. «Fabio hat mittlerweile eine kleine Tochter», erzählt Gerardo Viceconte. «Unsere gemeinsamen Themen drehen sich nun nicht mehr nur um den Fussball.»
Unterdessen wohnt nur noch Carmine Viceconte in Wohlen. Gerardo ist in Jonen zu Hause. «Trotzdem gibt es Verbindungen, die speziell sind», erzählt Carmine. «Ich will nicht von Übernatürlichem sprechen. Aber wir erleben seltsame Zufälle. Beispielsweise haben wir unabhängig voneinander den gleichen Gartentisch gekauft. Ebenso das gleiche Auto.» Gerardo ergänzt: «Als ich Carmine einmal von einer neuen Arbeitsstelle erzählt habe, fanden wir heraus, dass wir im gleichen Gebäude in Zürich arbeiten. Offenbar gibt es unter Zwillingen so eine Art Verbindung.»
Viceconte-Party im Herbst
Die Zwillinge sind nach wie vor in der Region verwurzelt. «Die Region, das Umfeld, unsere Freunde, das war uns immer wichtig», so Gerardo Viceconte. «Deshalb sind wir auch nie ins Ausland oder gross in andere Kantone gewechselt, obwohl Angebote da waren.» Im Oktober feiern sie ihren 40. Geburtstag daher ebenfalls in der Region. «Das wird ein grösseres Fest geben», erzählt Carmine. «Es ist bereits in Planung und wird in Boswil im Chillout stattfinden. Mehr verraten wir aber noch nicht.»




