«Gehe gerne dorthin, wo es wehtut»
30.08.2019 WohlenBänz Friedli am Donnerstag, 5. September, 20.15 Uhr, im Kantiforum mit «Was würde Elvis sagen?»
Der Berner Kabarettist und Kolumnist Bänz Friedli (54), der 2015 mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet wurde, tritt mit seinem vierten Programm, ...
Bänz Friedli am Donnerstag, 5. September, 20.15 Uhr, im Kantiforum mit «Was würde Elvis sagen?»
Der Berner Kabarettist und Kolumnist Bänz Friedli (54), der 2015 mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet wurde, tritt mit seinem vierten Programm, «Was würde Elvis sagen?», am Donnerstag, 5. September, im Kantiforum in Wohlen auf.
Wo wären Sie heute, wenn es Elvis nicht gegeben hätte?
Bänz Friedli: Vermutlich würde ich auch hier sitzen und Ihnen ein Interview geben, aber ich hätte viel weniger Freude an meinem aktuellen Programm, bei dem Elvis mehr als nur Namensgeber ist. Seine Pionierrolle in der Musik ist unbestritten. Ob ohne ihn jemand anderer die kulturelle Revolution ausgelöst hätte, die er auslöste? Kann sein, weil die Zeit einfach reif war. Sicher ist: Es war eine moralische Befreiung Amerikas und der ganzen westlichen Welt.
Wie hat er sie geschafft?
Elvis sorgte mit seiner Musik und seinen Auftritten dafür, dass man sexuelle Bewegungen auf der Bühne machen durfte, er brachte das Sinnliche ins weisse Entertainment und lockerte generell die alltäglichen Sitten. Ich wäre vielleicht auch sonst Kabarettist geworden, stünde aber womöglich steif mit Krawatte auf der Bühne, dürfte nicht so frech sein und nicht mehrmals pro Abend «huere Schiisdräck» sagen. Was für Verdienste er hat, vergisst man meist, wenn man das traurige Bild des zuletzt übergewichtigen und wirren King of Rock ’n’ Roll vor Augen hat.
Das klingt, als hätte Sie weniger seine Musik als seine Biografie gepackt.
Das eine war die Folge des anderen, kam aber relativ spät. Ich war schon 30, als ich zusammen mit meiner Frau in Memphis Elvis’ Villa Graceland und die Sun Studios besuchte. Da gibt es tolle Führungen, bei denen man seine Musik aus den Original-Lautsprechern hört. Das ist mir wahnsinnig eingefahren – ein musikalisches Erweckungserlebnis. Die frühen Aufnahmen haben nichts von ihrer Kraft eingebüsst. Elvis ist für mich der Grösste, den es je in der Musik gegeben hat.
Elvis hat seine Show Las Vegas angepasst. Variieren Sie Ihr Programm auch je nach Auftrittsort?
Ich biedere mich nicht an, aber ich recherchiere und rede mit den Leuten, um zu erfahren, was sie gerade bewegt. Die Sanierung einer Kreuzung. Die Dreifachturnhalle, die das Dorf spaltet. Das A und O eines Theaterabends ist es, dem Publikum zu zeigen: Heute bin ich hier bei euch. Es ist nicht Fernsehen, keine Konserve. Ich bin in Möriken, Stein am Rhein oder Domat/Ems. Das ist zum Beispiel ein Ort, der mich sehr herausgefordert hat, als ich merkte, dass Frau Martullo-Blocher entgegen meinen Erwartungen eine Lokalheilige ist. Grundsätzlich kommt breites Züritüütsch dort zwar nicht so gut an, doch sie ist mit der Ems-Chemie die grösste Arbeitgeberin im Kanton. Beim Vater ist das nicht anders. Als ich mich an seinem Wohnort Herrliberg über ihn lustig machte, hielt der Saal den Atem an. Aber davor habe ich keine Angst. Ich gehe gerne dorthin, wos wehtut, nicht nur bei Exponenten der SVP. Denkverbote, da muss ich der «Weltwoche» schon fast recht geben, gibt es auch in der ewig rot-grünen Stadt Bern. Dort ist Kritik an der Reitschule ebenso ein Tabu, wie man in gewissen Zürcher Kreisen nicht sagen darf, dass in der FCZ-Südkurve zahlreiche Vollidioten stehen.
Sie haben als Redaktor bei «10 vor 10» und «Facts» und mit der Pendler-Kolumne in «20 Minuten» Pionier-Arbeit geleistet. Was prädestiniert Sie dafür?
Hmm, das habe ich mir noch nie überlegt! Ich bringe sicher grosse Neugier und eine Grundrespektlosigkeit mit. Ich mache mir nicht in die Hose, wenn ein Bundesrat neben mir steht. Bei einem politischen Anlass in Thun, wo ich als Hofnarr engagiert war, behauptete Johann Schneider-Ammann, die Matura sei heute viel zu einfach. Das ist Chabis. Deshalb konterte ich: «Wenn ich an Ihr Französisch denke und an meine Mathematikkünste, weiss ich nicht, ob wir beide noch durch die Matura kämen. Und ich kann das beurteilen, denn ich habe eine Maturandin zu Hause.»
Wie waren die Reaktionen?
Er hat es locker genommen, aber im Saal herrschte betretenes Schweigen. Man zündet doch keinen Bundesrat an! Aber als Kabarettist muss ich zuspitzen, obwohl ich weiss, dass andere auch ihre Argumente haben. Ich kenne Leute aus Kentucky, die Trump gewählt haben. Und aus ihrer Perspektive kann ich das sogar nachvollziehen. Aber ich finde Trump trotzdem das Schlimmste, was in der Weltgeschichte je passiert ist. Okay, das Zweit- oder Drittschlimmste – auf jeden Fall sehr schlimm. Jedenfalls muss ich, wenn ich manchmal zu stark differenziere, meine Haltung jeweils wieder schärfen. Sonst würde mein Programm langweilig.
Welches war Ihr grösster Irrtum?
Als Journalist? Ich verriss im Nachrichtenmagazin «Facts» das erste Album von Gölä. Das war die Zeit, in der man dieses und jenes gut oder schlecht finden musste, wenn man sich in einem urbanen Umfeld bewegte. Er aber verkaufte unglaubliche 360 000 Alben. Es war das erste Mal in der Mundart-Rockmusik, dass jemand, der nicht aus der städtischen, linksintellektuellen Ecke kam, grossen Erfolg hatte. Gölä hat der schweigenden Mehrheit in unserem Land aus den Herzen gesungen. Damals erkannte ich, dass ich als Journalist – egal, ob die Musik mir persönlich gefällt oder nicht – ein solches Phänomen erklären muss.
Reinhold Hönle
Live: Donnerstag, 5. September, Wohlen, Kantiforum. Im TV: 17. September. Swiss Comedy Award (20.05 Uhr, SRF2).
Journalist und Kabarettist
Bänz Friedli wuchs in einer Berner Lehrerfamilie auf. Lange war er als Journalist in den Sparten Popmusik und Sport für Medien wie Radio Förderband, SRF («10 vor 10») und «Facts» tätig. Ab 2000 machte er sich in «20 Minuten» und im «Migros Magazin» als Kolumnist einen Namen.
Als Kabarettist ging er 2011 erstmals auf Tournee und wurde 2015 für «Gömmer Starbucks?» über die Blüten der Jugendsprache mit dem «Salzburger Stier» ausgezeichnet. In der Laudatio wurde er als «kritisch heimatverbunden, sympathisch philosophisch und stets witzig» beschrieben. Nun ist er mit seinem vierten Programm «Was würde Elvis sagen?» auf Tournee.
In seinem neuen Programm sprudelt es nur so aus Friedli heraus: was ihn beglückt und was ihn aufregt. Er stellt sich einfach hin und erzählt, und darin besteht im Grunde schon sein ganzes Kabarett. Er mischt Politisches und Privates, und was so locker dahergeplaudert erscheint, ist klug durchdacht und hochaktuell. Mit Leichtigkeit spürt er dem Irrsinn der Jetztzeit nach. --pd