Mit Schafen als Nachbarn
23.07.2019 Region Unterfreiamt«Freiämter im Ausland»: Roger Kündig lebt mit seiner Familie in Irland
Roger Kündig aus Sarmenstorf und seine Frau Nicole aus Wohlen sind vor 13 Jahren nach Irland ausgewandert. Mittlerweile hat das Paar einen kleinen Sohn. Die Eltern von Nicole ...
«Freiämter im Ausland»: Roger Kündig lebt mit seiner Familie in Irland
Roger Kündig aus Sarmenstorf und seine Frau Nicole aus Wohlen sind vor 13 Jahren nach Irland ausgewandert. Mittlerweile hat das Paar einen kleinen Sohn. Die Eltern von Nicole Kündig sind inzwischen auch auf die Grüne Insel gezogen.
Josip Lasic
Laghey, ein kleiner Ort im Nordwesten Irlands, sechs Kilometer von der nordirischen Grenze entfernt. Das kleine Dorf hat 183 Einwohner. Drei davon leben fünf Minuten ausserhalb des Dörfchens in einem 80 m2 grossen Cottage. Es sind die Freiämter Roger und Nicole Kündig und ihr fünf Jahre alter Sohn Simon. Die nächste grössere Ortschaft ist Donegal. Sie ist rund zehn Minuten vom Cottage entfernt. Mit 2618 Einwohnern ist auch Donegal sehr klein. «Unsere nächsten Nachbarn sind Schafe», sagt Roger Kündig. «Wir leben abgelegen und geniessen die Ruhe.»
Ursprünglich nur ein Jahr geplant
2006 flogen der Sarmenstorfer Roger Kündig und seine Partnerin Nicole, die damals noch Saxer hiess, für ein Jahr nach Irland. «Ich hatte den Wunsch, die Welt zu entdecken. Deshalb habe ich mir gesagt, dass ich für mindestens ein Jahr in einem anderen Land leben will.» Seine damalige Freundin und jetzige Frau wollte ihn begleiten. «Da wir beide mit Freunden im Jahr vor unserer Reise für eine Woche in Irland waren und uns das Land gefallen hat, fiel die Wahl auf die grüne Insel.» Die Wohlerin Nicole Saxer war 24 Jahre alt. Kündig fand für sie Arbeit im Nordwesten Irlands. Eine irisch-schweizerische Familie, die ein Hotel führt und für ihre drei Kinder ein Kindermädchen suchte, stellte die Wohlerin ein. Kündig war 26 Jahre alt und erhielt das Angebot, im Hotel der Familie zu arbeiten. «Nach diesem einen Jahr war Nicole den Kindern und der Familie so ans Herz gewachsen, dass sie gefragt wurde, ob sie nicht noch ein weiteres Jahr bleiben möchte.» Das Paar entschied sich, so lange zu bleiben, wie es für beide passt. Daraus sind inzwischen 13 Jahre geworden.
In Irland angekommen
In diesen 13 Jahren haben sich die Kündigs ein Leben in Irland aufgebaut. 2011 hat das Paar in der Schweiz geheiratet. «Wir wollten nicht, dass unsere Familien und Freunde für die Hochzeit nach Irland reisen müssen», erzählt Roger Kündig. «Freunde aus Irland kamen an die Hochzeit in die Schweiz. Ebenso drei Musiker aus Donegal. Sie spielten irische Musik. Unsere Schweizer Hochzeitsgäste schwärmen noch heute davon.»
Das Paar hat ein Reisebüro gegründet, das Irlandreisen für Schweizer anbietet. 2014 kam Sohn Simon zur Welt. Vor zweieinhalb Jahren sind die Eltern von Nicole Kündig ebenfalls von Wohlen nach Irland gezogen. «Sie haben sich entschieden, ihr stressiges Leben in der Schweiz hinter sich zu lassen und in Irland bei ihrer einzigen Tochter und dem Grosskind zu leben», erzählt Roger Kündig. «Die beiden führen eine Bedand-Breakfast-Unterkunft und wohnen 15 Minuten von uns entfernt.»
Gelassenheit, Hallwilersee und der FC Aarau
Nicole und Simon Kündig haben neben der schweizerischen auch die irische Staatsbürgerschaft. «Ich habe einzig den Schweizer Pass, könnte den irischen aber jederzeit beantragen», sagt Roger Kündig. Er erzählt, dass sich die Familie mittlerweile der irischen Mentalität angenähert hat. «Die Iren sind gelassen, gastfreundlich, können gut über sich selber lachen und sind sehr offen. Die Schweizer werden in Irland meist als zurückhaltend, scheu, aber sehr freundlich empfunden», beschreibt er die Unterschiede. «Schweizer Mentalitäten wie Pünktlichkeit, Perfektionismus oder Sparsamkeit haben wir behalten», ergänzt er lächelnd. Den grössten Vorteil beim Leben in Irland sehen die Kündigs in der Gelassenheit. «Wir geniessen die Ruhe hier in Irland. Es wird nicht gehetzt und jeder lässt den anderen in Ruhe», erzählt Roger Kündig. «Bei unseren Besuchen in der Schweiz sehen wir immer wieder, wie gestresst und vielbeschäftigt unsere Freunde sind. Wir könnten uns ein solches Leben nicht mehr vorstellen.» Dennoch vermissen die Kündigs nach wie vor einiges aus der Schweiz. «Wir vermissen unsere Familie und Freunde. Abgesehen davon gibt es auch Esswaren, die man hier in Irland nicht bekommt.»
Auch spezifische Dinge aus dem Freiamt und der Region drumherum fehlen der Familie. So wie die Mohrenköpfe aus Waltenschwil oder der Hallwilersee. «In Donegal haben wir zwar den Atlantik, dieser ist jedoch deutlich kühler als der Hallwilersee.» Die Kündigs besuchen das Freiamt regelmässig. Sie können jeweils bei Freunden auf einem Bauernhof in Kallern übernachten. Die Ferientage werden so eingeteilt, dass der FC-Aarau-Fan Roger Kündig auch ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft auf dem Brügglifeld besuchen kann. «Das erste Fussballspiel, das mein Sohn besucht hat, war das unglückliche Barrage-Rückspiel der Aarauer gegen Neuenburg Xamax», erzählt er. «Trotzdem läuft er seither in Irland gern im FCA-Trikot herum.»
Zwischen Linksverkehr und dem Brexit
Ebenfalls eine Umstellung war der Linksverkehr, der in Irland herrscht. Der Nordwesten der Insel ist mit dem öffentlichen Verkehr nicht gut erschlossen. «Man benötigt zwingend ein Auto, um sich frei bewegen zu können», erklärt Roger Kündig. «Wir haben uns aber schnell daran gewöhnt, links zu fahren.»
Ein Thema, das die Region um Donegal beschäftigt, ist der Brexit. Dadurch könnte es wieder zu einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland kommen. «Viele Firmen in der Region klagen bereits jetzt über weniger Umsatz. Die Nordiren kommen nicht mehr über die Grenze, um hier Geld auszugeben», so Roger Kündig. Auch in ihrem Reisebüro spürt die Familie die politische Situation. «Wir bieten ebenfalls Reisen durch Nordirland an. Die Kunden entscheiden sich oft dazu, den nordirischen Teil der Insel auszulassen und diesen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen.»
Eine Rückkehr in die Schweiz schliesst die Familie nicht aus. Momentan stimmt es für sie aber in Irland. «Wenn dies nicht mehr der Fall sein sollte, würden wir uns zusammensetzen und entscheiden, wohin uns unsere Reise führt.»
Serie «Freiämter im Ausland»
In der Schweiz leben viele Personen, die aus dem Ausland zugewandert sind. Aber auch viele Schweizer zieht es dauerhaft in die Ferne. In dieser Serie stellen wir einige Freiämter vor, die den Sprung ins Unbekannte gewagt haben. Bisher erschienen: Guido Honegger aus Bremgarten in Finnland (Ausgabe 56) und Yasmine Henseler in Schweden (Ausgabe 57).