Der Reiz der Ferne
30.07.2019 WohlenFilmemacher und Globetrotter Patrick Allgaier zu Besuch im Open-Air-Kino Wohlen
Tiefgründig, bildgewaltig und dennoch beschwingend leicht. Mit «Weit. Eine Geschichte von einem Weg um die Welt» wurde eine wahre Perle des Dokumentarfilms gezeigt. Vor Ort stand ...
Filmemacher und Globetrotter Patrick Allgaier zu Besuch im Open-Air-Kino Wohlen
Tiefgründig, bildgewaltig und dennoch beschwingend leicht. Mit «Weit. Eine Geschichte von einem Weg um die Welt» wurde eine wahre Perle des Dokumentarfilms gezeigt. Vor Ort stand Regisseur und Hauptprotagonist Patrick Allgaier dem Publikum Rede und Antwort.
Joël Gattlen
Alles hinter sich lassen und nicht zurückblicken. So lange nach Osten reisen, bis man wieder aus dem Westen zurückkommt. Ohne jemals ein Flugzeug zu nehmen und mit dem Ziel, nicht mehr als 5 Euro pro Tag auszugeben.
Was für viele Menschen wie ein verrücktes Abenteuer klingt, war für das Paar Patrick Allgaier und Gwendolin (kurz Gwen) Weisser ihr grösster Lebenstraum und wurde schliesslich Realität. 2013 verliessen sie ihre Heimat in Freiburg im Breisgau in Deutschland.
Dreieinhalb Jahre unterwegs
Ganze dreieinhalb Jahre sollte die Weltreise dauern. «Schnell wurde klar, dass dies keine Reise werden würde, sondern ein Lebensabschnitt, in dem wir unterwegs sind. Dabei wollten wir auch unsere Grenzen kennenlernen. Doch das Leben im Zelt, der Verzicht und die körperlichen Strapazen wurden schnell zu unserem Alltag», betont Allgaier.
Das Paar reiste mehrheitlich per Anhalter oder zu Fuss. Dabei kam es den Menschen besonders nahe und tauchte tief in deren Kultur ein. Besonders eindrücklich ist dies zu sehen, wenn sie im Film beispielsweise in Pakistan mit den Menschen Neujahr feiern, welche vor Freude mit Maschinengewehren in die Luft schiessen, oder am Dias del Muertos (feierlicher Totengedenktag) in Guatemala helfen, riesige bunte Papierdrachen aufzustellen.
«Neugier ist unser Motor. Zudem haben wir ein Urvertrauen in die Menschheit, das Gute und die Welt», konstatiert Allgaier.
Giftige Skorpione mit dem Trinkglas eingefangen
Auf ihrer Reise durchquerten sie Wüsten und Schluchten, durchstreiften den Dschungel und trotzten der rauen See. Sie überstanden sengende Hitze und Minustemperaturen von bis zu 30 Grad Celsius unter dem Gefrierpunkt. Im guatemaltekischen Regenwald fingen sie mit einem Glas giftige Skorpione ein, welche sich aufgrund der heftigen Regenschauer in ihre Hütte eingeschlichen hatten.
Plötzlich schwanger
In Sibirien folgte eine grosse Überraschung. Weisser war schwanger. «Doch an ein Umkehren war nicht zu denken, viel zu gross wäre der Einschnitt in unser damaliges Leben gewesen», sagt Allgaier. Deswegen beschlossen die beiden, ihre Reise fortzusetzen und ihr Kind in Mexiko auf die Welt zu bringen. Dort blieben sie einige Monate. Die Art des Reisens änderte sich. Statt zu trampen kauften sie sich vor Ort einen eigenen VW-Bus, um ihrem Sohn Bruno mehr Komfort bieten zu können.
Wieder in Europa angekommen, legten sie die letzten 1000 Kilometer samt Kleinkind komplett zu Fuss zurück. «Wir wollten uns vor unserer Rückkehr noch ein letztes Mal mit der Natur verbunden fühlen und die Weite in ihrer ganzen Dimension hautnah erleben.»
Zeichen gegen Fremdenhass
Der Film «Weit.» ist eine wahre Perle des Dokumentarfilms. In einer Zeit, in der immer mehr Mauern und Zäune zwischen Ländern hochgezogen werden, Angst, Misstrauen und Fremdenhass in den Herzen der Menschen keimen, lässt der Film einen neue Hoffnung schöpfen. Nicht etwa, weil Allgaier und Weisser eine politische Botschaft forcieren, sondern weil die Bilder für sich selbst sprechen.
So zum Beispiel, als das junge Paar in Pakistan oder auch im Iran von vielen Menschen mit offenen Armen empfangen wird. Das Wenige, was die Einheimischen zum Leben haben, teilen sie gerne mit den Fremden. «Dass es in Pakistan Terroristen gibt und es teilweise gefährlich ist, lässt sich nicht abstreiten. Doch es ist bedenklich, wenn im Westen lediglich ein einseitiges Bild von diesem wunderschönen Land vermittelt und dieses dadurch auf einige wenige militante Extremisten reduziert wird», kritisiert Allgaier.
Ökologisches Dorf mit Kulturangebot als neues Lebensziel
«Zurzeit planen wir kein neues Filmprojekt und geniessen das Familienleben zu viert. Zu Sohn Bruno (4) ist mittlerweile noch Töchterchen Tonka (1) dazugestossen. «Dafür arbeiten wir zurzeit aktiv daran, eine Lebensgemeinschaft in Deutschland zu gründen. Ziel ist es, ein ökologisches Dorf mit breit gefächertem Kulturangebot zu gründen», verrät Allgaier.
Aktuell hat die junge Familie ihre Zelte am Hallwilersee aufgeschlagen. Angst vor Kaimanen hat sie nicht. «Wir lieben es, in den Schweizer Seen zu baden. Das Freiamt und das Seetal sind wunderschöne Gegenden. Generell die ganze Schweiz. Kurz vor Abschluss unserer grossen Reise durchquerten wir zu Fuss den Schweizer Jura und durften ihn in all seiner Schönheit bestaunen.»
Fasziniert zeigte sich auch Kinogänger Walter Dubler: «Was die beiden geleistet haben, ist unglaublich und verdient grossen Respekt. Die Reise ist körperlich sehr beschwerlich. Gleichzeitig zeigt der Film auch auf wunderbare Weise, dass der Mensch nicht wirklich viel zum Leben braucht, um glücklich zu sein.»
Mehr Informationen zum Film gibt es unter www.weitumdiewelt.de