«Tschau Sepp»
21.05.2019 WohlenNach 21 Jahren an der Spitze wurde Integra-Präsident Josef Brunner feierlich verabschiedet
«Eine Ära geht zu Ende»: Dieser Satz war an der Feier gleich mehrfach zu hören. Und er passt: Zwei Jahrzehnte lang hat Josef Brunner die Integra entscheidend ...
Nach 21 Jahren an der Spitze wurde Integra-Präsident Josef Brunner feierlich verabschiedet
«Eine Ära geht zu Ende»: Dieser Satz war an der Feier gleich mehrfach zu hören. Und er passt: Zwei Jahrzehnte lang hat Josef Brunner die Integra entscheidend mitgeprägt. Jetzt wurde er zum Ehrenpräsidenten ernannt.
Chregi Hansen
Als er 1998 das Präsidium übernahm, ahnte er wohl selber nicht, dass er es so lange behalten wird. «Ich habe mich in den letzten Wochen oft selbst gefragt, was meine Motivation für dieses Engagement war», sagt Josef Brunner an seiner letzten Stiftungsversammlung.
Zum einen war da sicher seine eigene Familie – seine letztes Jahr verstorbene Tochter Silvia kam mit einer Behinderung zur Welt. Zum anderen haben ihn andere ermutigt, dieses Amt zu übernehmen, nachdem sich Brunner zuvor schon bei Insieme Freiamt für das Wohl von geistig behinderten Menschen eingesetzt hat. Letztlich waren es aber vor allem auch die Klienten der Integra, zu denen Josef Brunner immer einen guten Draht hatte. «Ihre Offenheit, ihre Spontanität und ihre Warmherzigkeit haben mich immer berührt. Sie werde ich vermissen», so Brunner bei seiner Verabschiedung. Ihnen wie auch mit dem Personal wird «Sepp» noch persönlich Tschau sagen.
Zu seinem letzten Auftritt nach 26 Jahren im Stiftungsrat, davon 21 Jahre als Präsident, sind viele Gäste gekommen. «Ein einzelnes Traktandum an der GV reicht nicht, um dich würdig zu verabschieden, da braucht es schon einen ganzen Abend», erklärt Vizepräsidentin Caroline Somma. Die Festrede hält an diesem Abend Alois Huber, der viele Jahre mit Brunner zusammen im Stiftungsrat gewirkt hat. «Sepp hat die Integra mit Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein geleitet. Und er tat dies immer auf seine ruhige, liebenswürdige Art», betont Huber. Dabei gab es auch etliche Herausforderungen zu meistern. Etwa zwei Wechsel in der Leitung der Institution, die Umstrukturierung, den Neubau. «Was du hier geleistet hast, strahlt weit über Wohlen und das Freiamt hinaus», ist der Festredner darum überzeugt.
Ganz viele Spuren hinterlassen
Die Integra verabschiedet sich von ihrem langjährigen Präsidenten Josef Brunner
Bei der Aufzählung seiner Stärken kam Vizepräsidentin Caroline Somma an die Grenzen ihres Sprachschatzes. Und der langjährige Wegbegleiter Alois Huber fragt sich, wo denn Josef Brunner all die Kraft hernimmt. Letztlich sind sich alle einig. Der scheidende Präsident war Gold wert für die Integra.
Chregi Hansen
Als «ausdauernd, weitsichtig, teamfähig, konstruktiv und bestens vernetzt» bezeichnete Caroline Somma den abtretenden Präsidenten. Gefolgt von Dutzenden von weiteren positiv gefärbten Adjektiven. Dabei wurde eines deutlich: Der Stiftungsrat lässt Josef Brunner nur ungern ziehen. «Er hat die Integra mit Verstand und Weitsicht geführt. Vor allem aber auch mit viel Herz», betonte die Vizepräsidentin.
Und: Brunner war ein Teamplayer. Einer, der meist bescheiden im Hintergrund blieb. «Er hat nie das Rampenlicht gesucht», sagte denn auch Alois Huber. Der ehemalige Gemeindeammann von Boswil arbeitete als früherer Vizepräsident viele Jahre lang zusammen mit Brunner im Stiftungsrat. Und zeigt sich beeindruckt von Brunners Gelassenheit und Ruhe. «Seine Ruhe strahlte auf die Umgebung aus. Selbst in stürmischen Zeiten behielt er einen kühlen Kopf», so Huber.
Dabei warteten in der 21-jährigen Amtszeit als Präsident etliche Knacknüsse auf ihn. «Er hat sich all diesen Fragen gestellt und darauf Antworten gefunden», lobte der Festredner. Und habe dadurch die Integra in ihrer heutigen Art stark geprägt. «Es wurden Werke geschaffen, die sicher noch lange weiter bestehen werden.» 1993 in den Stiftungsrat gewählt, übernahm der Wohler 1998 ungeplant das Präsidium, sein Vorgänger Albert Meier musste damals das Amt aus gesundheitlichen Gründen abgeben. Meier ist erst vor wenigen Tagen verstorben, was die Freude bei Brunner trübte. «Ich hätte ihn sehr gerne bei meinem Abschied dabei gehabt», sagte er.
Schon kurz nach Amtsantritt musste sich Brunner mit wichtigen Fragen auseinandersetzen. Der erste Wechsel in der Leitung der Institution, die Umstrukturierung mit der Änderung des Namens, die neue Trägerschaft, mehrere Sanierungen und natürlich der grosse Neubau. Huber lobte dabei Brunners Weitsicht und seine akribische Arbeit, seine ausgleichende und vermittelnde Art. «Du hast der Integra den Stempel aufgedrückt.» Und auch wenn die Institution mit immer neuen Anforderungen und Vorschriften konfrontiert wird, stand bei Brunner stets der Mensch im Mittelpunkt. Und es ist ja nicht so, dass er sich nur für die Integra engagierte. Josef Brunner war und ist Präsident der Kirchenpflege und Vorstandsmitglied der Spitex und des Chappelehofs. «Jetzt kann er es wenigstens etwas ruhiger nehmen», freut sich Huber für seinen Freund.
Zum Dank die «Beförderung»
Josef Brunner wurden die vielen Lobreden fast zu viel. «Ja, es war eine lange Zeit. Aber ganz ehrlich, ich möchte keinen Tag missen», sagte er am Schluss des Abends. Und doch ist er froh, dass er jetzt die Verantwortung abgeben kann. «Wenn man sieht, wie die Integra sich heute präsentiert, habe ich es vermutlich nicht so schlecht gemacht», meint Brunner am Schluss. Dieser Meinung waren alle anderen auch. Und ernannten ihn prompt zum Ehrenpäsidenten. «Diese Beförderung hast du verdient», so Vizepräsidentin Caroline Somma.
Vor grossen Herausforderungen
Stifterversammlung der Integra wählte Walter Küng zum neuen Präsidenten
Im vergangenen Jahr konnten sich die Verantwortlichen der Integra über viele Glanzlicher freuen. Doch die Anforderungen an die Institution werden nicht kleiner. Auf den Stiftungsrat und den neuen Präsidenten wartet viel Arbeit.
«Wir haben einige Baustellen in der Zukunft. Aber ich freue mich darauf, diese zusammen mit dem Stiftungsrat und der Geschäftsleitung anzugehen», erklärte der neue Präsident Walter Küng nach seiner Wahl.
Der Wohler ist von seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung her bestens für das Amt geeignet. Der studierte Pädagoge war einst Leiter der Abteilung Sonderschulung, Heime und Werkstätten beim Kanton, aktuell ist er als Familienrichter tätig. Seit neun Jahren arbeitet er bereits im Stiftungsrat mit, nun übernimmt er also die Führung.
Fit werden für die Zukunft
Tatsächlich gibt es viel zu tun in den kommenden Monaten. Denn im letzten Jahr hat der Stiftungsrat die Strategie für die Jahre 2019 bis 2023 festgelegt. Jetzt gilt es, die dort festgelegten Ziele anzugehen. So will man sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie die Integra mit der demografischen Entwicklung umgeht, werden die Klienten doch immer älter. Aber auch die internen Abläufe sollen alle durchleuchtet werden. «Wir müssen uns fit machen für die Zukunft. Denn die Gelder fliessen in Zukunft nicht mehr so leicht», sagte der abtretende Präsident Josef Brunner. Trotzdem werde erwartet, dass die Integra auf einem hohen Niveau professionell tätig ist. «Dazu müssen wir unsere Prozesse verschlanken», so Brunner.
Restaurant bleibt Sorgenkind
Überprüft wird in den kommenden Monaten die interne Kommunikation. Ziel ist es, eine Integra-spezifische Arbeitskultur zu entwickeln. Dazu wurde auch das Leitbild überarbeitet. «Wir haben aber nicht alles auf den Kopf gestellt, sondern das bisherige Papier als Basis genommen und auch das Personal in diesen Prozess einbezogen», berichtet Geschäftsleiter Urs Ammann. Ein Problem, dem man sich stellen muss, ist die zu geringe Auslastung in der Produktion. Nicht alle bewilligten Arbeitsplätze für die Behinderten konnten besetzt werden. «Dadurch können wir einerseits nicht alle Aufträge annehmen, anderseits erhalten wir weniger Geld vom Kanton», sagt Ammann.
Ein Sorgenkind ist nach wie vor der Gastrobereich. Während der Selbstbedienungsteil über Mittag sehr gut läuft, sind vor allem die Abende noch sehr schwankend. Das gefährdet auch die Ausbildungsplätze. «Wir sind daran, unser Angebot weiterzuentwickeln», sagt Geschäftsleiter Urs Ammann. Nicht zuletzt will man aber auch das Potenzial und die Fachkompetenz der Stifterversammlung mehr nutzen. «Wir wollen punktuell auf Ihr Wissen und Ihr Können zurückgreifen können, ohne Sie gleich mit Arbeit einzudecken», beruhigte Brunner die Anwesenden.
Neues Mitglied im Stiftungsrat
Aus der Stifterversammlung traten Claudia Hoffmann und Josef Sachs zurück. Neu gewählt wurde Giordana Huonder, Frau Gemeindeammann in Rottenschwil. Als Ersatz für Josef Brunner wirkt neu Nicole Laubacher aus Muri im Stiftungsrat mit. Die Grafikerin und Mitinhaberin einer Werbeagentur gestaltet jeweils den Jahresbericht und ist daher mit der Institution gut vertraut. Die Rechnung schliesst mit einem Plus von 468 000 Franken. Dies eine positive Nachricht nach dem grösseren Verlust im Vorjahr. Mit Urs Ammann, Stephan Baumann, Paul Kamber und Claudia Ris ist die Geschäftsleitung wieder komplett. Damit ist die Integra gut aufgestellt, um sich in einem gesellschaftlich und politisch veränderten Umfeld zu behaupten. --chh