Schreibkunst mit Bündner Sound
30.04.2019 BremgartenArno Camenisch las im Kellertheater aus seinem neusten Buch «Der letzte Schnee»
Virtuos trug der vielfach ausgezeichnete Autor seine Geschichte vor, in der Paul und Georg an ihrem Schlepplift in den Bündner Bergen stehen und über Liebe, Leben und Veränderung ...
Arno Camenisch las im Kellertheater aus seinem neusten Buch «Der letzte Schnee»
Virtuos trug der vielfach ausgezeichnete Autor seine Geschichte vor, in der Paul und Georg an ihrem Schlepplift in den Bündner Bergen stehen und über Liebe, Leben und Veränderung philosophieren. Denn in Zeiten des Klimawandels fehlt der grosse Schnee.
Bernadette Oswald
«Orapronobis, der Alte hoch oben im Himmel lässt sich dieses Jahr aber Zeit. Cofferteckel, wenn denn etwas Schnee fallen würde, wäre das nicht verkehrt», begann Arno Camenisch seine Lesung und so beginnt auch sein 100-seitiges Buch. Der Schnee sei «afängs» seltener geworden als Kokain.
Bereits in den ersten Sätzen waren rätoromanische, italienische oder schweizerdeutsche Einsprengsel zu hören. Mit dieser unverkennbar eigenen Art schreibt der im bündnerischen Tavanasa aufgewachsene Schriftsteller seine Bücher bildstark und präzis. Über 70 Besucher hörten seiner Lesung begeistert zu.
Allererster Skilift der Welt
«Madre mia, dass wir das noch miterleben müssen», sagt der Vielredner Paul. Er steht mit dem schweigsamen Georg neben dem Skilift Baujahr 1971 und die beiden erinnern sich. «Den allerersten Skilift der Welt, den hatten wir hier im Kanton. Hier hat alles angefangen und von hier aus hat der Schlepper die Welt erobert.» Arno Camenisch blätterte um und sagte: «Ein Hüttli haben die beiden auch noch.» Davor stehen Georg und Paul und schauen auf die Berge oder hinunter ins Dorf. Sie parlieren über den Sohn des Pfarrers, über Claire, die grosse Liebe von Paul, oder über die Enkelkinder, die nicht kommen. «Ausgenommen, es passiert ein Miracla», las Camenisch weiter und fragte: «Versteht man das in Bremgarten?»
«Schade, gibt es das jährliche Skirennen nicht mehr», sagt Paul, «da war das ganze Dorf auf den Brettern und am Samstagabend in der Messe wurden die Ski gesegnet.» Denn gesegnete oder heidnische Ski mache einen Unterschied, erklärte der Autor und bekam einmal mehr viele Lacher. «Es ist Zeit, wir können starten», sagt Georg und schaltet den Schlepplift an. Auf diesen Satz freue er sich immer ganz besonders, der habe etwas Royales, bemerkte Arno Camenisch.
Der Bündner wechselte nahtlos von Zitaten aus dem Buch zu spontanen Ergänzungen. «Jesses hat das einen Nebel. Das mit dem Nebel ist halt eine Lotterie», sagt Paul. «Das mit dem Leben auch», sagt der Georg. Dazu meinte der Autor, es habe ihm gefallen, dass Leben rückwärts buchstabiert Nebel heisse. Arno Camenisch verfasst seine Bücher in Deutsch und Rätoromanisch. Sie wurden in über 20 Sprachen übersetzt und viele Lesungen führen den Schriftsteller rund um die Welt. Auf der Bühne vom Kellertheater sagte er weiter, ein paar Abschnitte habe er noch und auch eine Zugabe. Vom Hineinfallen in den Himmel war die Rede, vom Scheinheilig-Sein wie Engel oder vom Lauf der Welt, wo im Kreis immer einer nachkommt. «Der Skilift rattert gleichmässig dazu.» Mit zwei Spoken-Word-Einlagen rundete Camenisch seine Sprachkunst ab. «Die Musikalität seiner Texte kam voll zur Geltung», freute sich eine Zuhörerin. «Da könnte man noch lange zuhören», war ein weiterer Kommentar nach der Lesung.
Anschliessend standen die Leute am Büchertisch von Sandra Furrer Schlange und liessen sich die gekauften Exemplare vom Autor signieren.