Bauboom in Wohlen?
30.04.2019 WohlenDerzeit sind diverse Grossprojekte ausgesteckt
Wohlen scheint für Investoren attraktiv. Derzeit werden fast überall in der Gemeinde neue Überbauungen geplant.
19 Wohnungen und ein Atelier am Freihofweg, 39 Wohnungen an der Jurastrasse, 21 ...
Derzeit sind diverse Grossprojekte ausgesteckt
Wohlen scheint für Investoren attraktiv. Derzeit werden fast überall in der Gemeinde neue Überbauungen geplant.
19 Wohnungen und ein Atelier am Freihofweg, 39 Wohnungen an der Jurastrasse, 21 weitere am Bankweg, 37 Wohnungen und 3 EFH in der Bergmatten, 43 Wohnungen am Bärengässli und sagenhafte 202 am Rebberg. Allein diese sechs geplanten Grossprojekte generieren in den kommenden Jahren 365 neue Wohneinheiten. Allerdings: Die meisten dieser Projekte stocken – obwohl die Baugesuche teilweise vor langer Zeit auflagen, ist noch keines bewilligt. Gemeindeammann Arsène Perroud und Marc Meier, Leiter Baugesuche, erklären, warum das so ist. --chh
Im Zentrum wird es enger
In Wohlen sind viele grosse Bauprojekte geplant – warum geht es nicht vorwärts?
In Wohlen spriesst eine neue «Baumart». Überall im Zentrum wachsen Bauprofile in den Himmel. Etliche stehen schon seit vielen Monaten, doch ein Entscheid dazu liegt noch nicht vor. «Die Gemeinde kann das nur bedingt steuern», sagt Ammann Arsène Perroud.
Chregi Hansen
Ein Gang durch Wohlen bringt es an den Tag. Überall im Dorf wachsen grosse Stangenwälder. Die Rede ist nicht von kleinen Bauprojekten, sondern von den grossen Überbauungen, bei denen die Profilstangen in Reih und Glied stehen.
Beispiele gefällig? In der Bergmatte steht seit Dezember ein riesiger Stangenwald. Das ausgesteckte Projekt am Rebberg hat die Wohler bewegt. Schon länger wartet man auf die Entscheide bezüglich der geplanten Projekte am Bankweg, am Freihofweg, am Bärengässli und bei der Drechslerei Vock. Und während mit der Überbauung bei der alten Bäckerei Kuhn schon bald begonnen wird, ist das Gesuch bei der gegenüberliegenden Post derzeit sistiert.
Nicht immer ist Gemeinde in Verhandlungen involviert
Doch wie ist der Verfahrensstand bei all diesen Grossprojekten? «Das lässt sich so einfach nicht sagen», antwortet Gemeindeammann Arsène Perroud. Der Grund: Die Gemeinde weiss es zum Teil einfach nicht. «Bei Einwendungen ist es nicht ungewöhnlich, dass sich die Bauherrschaften direkt mit den Einwendern in Verbindung setzen, um einen Rückzug zu erwirken. Dies geschieht meistens, ohne dass die Gemeindeverwaltung informiert wird», erklärt Marc Meier, Leiter Baugesuche, auf der Verwaltung.
Genau dies ist im Moment bei der Mehrheit dieser Projekte der Fall. Gegen die Projekte am Rebberg, am Bankweg, am Freihofweg, am Bärengässli und bei der Drechslerei Vock gingen überall Einwendungen ein. Heisst, es handelt sich um laufende Verfahren. Und zu diesen darf die Gemeinde sowieso keine Auskunft geben. Anders präsentiert sich der Fall in der Bergmatte – dort liegt noch nicht einmal ein Baugesuch auf. «Wir empfehlen den Bauherren, die Profile immer erst kurz vor Auflage zu erstellen», sagt Meier. «Aber sie sind frei darin, wann sie es machen. Viele nutzen das frühzeitig, weil sie damit Werbung machen können für ihre Überbauungen.» Das führt dann zu der unangenehmen Situation, dass sich Anwohner bei der Gemeinde über die geplanten Projekte informieren wollen, diese aber keine Unterlagen und Informationen besitzt oder Auskunft geben darf.
Wann all die aufgelegten oder geplanten Projekte also genau gebaut werden – die Gemeinde weiss es nicht. Einerseits können die Verfahren teilweise lange dauern. Andererseits kommt es nicht immer so wie geplant. «Investoren beobachten den Markt sehr genau», weiss Arsène Perroud. «Da kann es passieren, das ein Projekt auch mal verschoben wird.» Oder dass die geplante Wohnungsart und -zahl angepasst wird. Da können aus Eigentumswohnungen schon mal Mietwohnungen werden. Oder zwei kleinere Wohnungen werden zu einer grossen zusammengelegt. «Solange es nicht mehr Wohnungen gibt, kann dies meistens vereinfacht genehmigt werden», macht Meier deutlich. Viele Projekte seien von Anfang an flexibel konzipiert.
Verdichtetes Bauen kann zu Konflikten führen
Doch gibt es heute einfach mehr Einwendungen? Oder ist es Zufall, dass derzeit so viele grosse Projekte nicht vom Fleck kommen? «Das Bauland wird knapp. Dies macht es nötig, dass wir nach innen verdichten. Das aber führt zu mehr Nähe und damit oft auch zu mehr Konflikten», sagt Perroud. «Letztlich ist es auch eine Folge der gemachten Umzonungen. Plötzlich kann in einem Einfamilienhausquartier ein Mehrfamilienhaus gebaut werden. Das kann dann die Anwohner schon mal aufschrecken», sagt Meier. Doch solange alles den Vorschriften entspreche, lassen sich solche Projekte nicht verhindern.
Sondernutzungsplanung eher selten in Wohlen
Eine weitere Folge der inneren Verdichtung ist es, dass die Gestaltung des Aussenraums an Bedeutung gewinnt. Das macht die Planung aufwendiger. «Es gibt weniger freien Raum, der muss dann besser genutzt werden», so der Ammann. Kommt dazu, dass Wohlen nur wenige Gebiete mit Sondernutzungsplanung kennt. Solche machen klare Vorgaben, was alles möglich ist, und können das Verfahren vereinfachen. «Vielleicht wurde dieses Mittel in der Vergangenheit zu wenig eingesetzt. Andererseits möchten wir als Gemeinde möglichst wenig in die Eigentumsrechte Privater eingreifen.» Ziel der Gemeinde sei in erster Linie eine hochwertige Siedlungsentwicklung. Auf welchem Weg dieses Ziel erreicht wird, sei eher nebensächlich.
In diesem Sinne sei es nicht unbedingt schlecht, wenn es Einwendungen gebe. «Diese können auch zur Verbesserung eines Projektes führen», macht Perroud deutlich. Und auch die beachtliche Anzahl grosser Projekte sieht man nicht als negativ an. «Hier können wir eher Einfluss nehmen auf die Gestaltung der Aussenräume», sagt Perroud. Kleinere Bauprojekte bescheren der Verwaltung oft mehr Aufwand. «Denn heute will fast jeder Grundeigentümer die mögliche Ausnützung bis zum Letzten ausreizen», sagt Meier.
Entwicklung entspricht ziemlich genau den Prognosen
Doch wird in Wohlen nicht zu viel gebaut? Die Gemeinde könne da nur wenig Einfluss nehmen, betonen Perroud und Meier. Die Gemeinde sei eben attraktiv, das könne man auch positiv sehen. «Das Wachstum entspricht ziemlich genau allen Prognosen der letzten Jahre», führt Perroud weiter aus. «Wir befinden uns also nicht im Blindflug, sondern wissen, was uns erwartet.» Letztlich beeinflusse der Markt, was, wo und wie schnell gebaut wird. Die Gemeinde kann lediglich kontrollieren, dass alle Vorgaben eingehalten werden.
Trotzdem können auch mal Gesuche aufliegen, die nicht bewilligungsfähig sind. «Das machen wir den Bauherren zwar deutlich, wenn sie trotzdem an der Auflage festhalten, so müssen wir es tun. Und das Gesuch nachher eben abweisen», berichtet Meier. Heisst: Nicht alles, was geplant wird, wird auch gebaut. Und doch wird der Bauboom in Wohlen sicher weitergehen. «Man kann es drehen und wenden, wie man will. Wir haben heute städtische Verhältnisse. Und dem müssen wir uns stellen», sagt Arsène Perroud zum Schluss.