Das Leben spielt die Musik
29.03.2019 WohlenPorträt: Der Wohler Micha Dettwyler und sein Leben für die Musik
Musiklehrer, Schlagzeuger, Familienmensch. Micha Dettwyler ist ein Mann mit grossem Herz und lockerem Gemüt. Er prägte den Weg seines Bruders Jan – alias Seven ...
Porträt: Der Wohler Micha Dettwyler und sein Leben für die Musik
Musiklehrer, Schlagzeuger, Familienmensch. Micha Dettwyler ist ein Mann mit grossem Herz und lockerem Gemüt. Er prägte den Weg seines Bruders Jan – alias Seven – enorm mit.
Stefan Sprenger
Es gibt diese besonderen Momente im Leben. Für Micha Dettwyler war solch ein Moment im vergangenen Dezember. In der Glasbox der Spenden-Show «Jeder Rappen zählt» in Luzern. Er sang das Lied «Don›t let the sun go down on me» gemeinsam mit seinem Bruder Jan alias Seven. Die Wohler Brüder überzeugten. Micha überraschte. «Der singt ja besser als sein berühmter Bruder», sagte man sich im Dorf Wohlen.
«Der beste grosse Bruder»
Micha Dettwyler winkt ab und sagt lachend: «Ach was.» Sein Bruder, der Schweizer Soulstar, er findet: «Er ist ein Sänger, von dem ich jeden Tag was lernen kann, zudem spielt er Schlagzeug, Cello, Klavier und eigentlich wissen wir es alle: Ihn könnte man an jedes Instrument setzen und es geht nicht lange und es klingt. Er hat so viel Talent, wie es Sand am Meer gibt.»
Micha Dettwyler, er steht ein wenig im Schatten seines Bruders, doch das ist ihm recht. Er ist seit bald drei Jahrzehnten mit ihm auf den Bühnen Europas unterwegs. Der Musiklehrer ist aber eher traditionell. An der Musikschule Wohlen – wo er seit zwei Jahrzehnten unterrichtet – ist er der Kopf der «Demo-Tour», wo Schulkinder für die Musik begeisert werden. Micha wird auch am Jahreskonzert der Musikschule (am nächsten Mittwoch) eine prägende Figur sein. Passend sagt Jan: «Sein Ziel ist immer das Miteinander, und er ist ein Teamplayer wie aus dem Bilderbuch.»
Micha ist Schlagzeuger in der Band von Seven. Und hat schon einiges erlebt. Er war ein wichtiger Teil beim Aufstieg des jungen Soulsängers aus Wohlen, der heute ein riesiges Publikum in der Schweiz und Deutschland hat. Micha freut sich auf das Konzert am 22. Juni im Park des Wohler Strohmuseums. «In unserer Heimat, wo alles begann.» Seven sagt über ihn, er sei «der beste grosse Bruder, den es auf der Welt gibt.» Micha Dettwyler lässt im Gespräch durchsickern, was für eine spannende Persönlichkeit er ist. Er erzählt unter anderem, wieso er seine Kinder aus der Schule genommen hat.
212 Enten und ein Bruder
Micha Dettwyler steht im Schatten seines Bruders Seven – und das ist auch gut so
Sein kleiner Bruder ist der grosse Soulstar Seven. Micha Dettwyler ist seit bald 30 Jahren als Schlagzeuger im Hintergrund dabei. «Er ist im Rampenlicht. Mir passt das Schattendasein», lacht Micha Dettwyler, der genau wie sein Bruder ein höchst spannender Mensch ist.
Stefan Sprenger
Sein Bart ist an den Seiten weissgrau, je näher die Haare um den Mund liegen, desto dunkler werden sie. In der Mitte dieses bärtigen Haarknäuels erstrahlen meistens zwei glänzend weisse Zahnreihen. Micha Dettwyler, 46 Jahre alt, wenn er nicht gerade spricht, dann lächelt er. Er trägt immer eine Brille und oft ein Baseball-Cap. Niemand soll seine Glatze sehen. Und wieder raschelt es im haarigen Bart-Wald, als es um seine inexistenten Haare auf dem Kopf geht. Er gehört ganz klar zur Sorte Mensch, die über sich selbst lachen kann – und dies auch zur Genüge tut.
Der «Funky»-Musik-Lehrer
Micha Dettwyler, er ist Berufsmusiker mit zwei Standbeinen. Einem als Schlagzeuger in der Band seines Bruders Jan alias Seven. «Da freue ich mich auf die neue Soulmate-Tour, die im Mai beginnt», sagt er. Bei den Konzerten füllt Seven grosse Konzertsäle in der Schweiz und in Deutschland. Micha Dettwyler ist vor Tausenden Fans auf der Bühne – und wird bejubelt. Hauptberuflich ist er aber Musiklehrer an der Schule Wohlen. Da feiern ihn die Schulkinder als «Funky»-Musik-Lehrer. «Am nächsten Mittwoch ist das Jahreskonzert. Ich freue mich. Kommt alle vorbei.» Wenn die Zuschauer Glück haben, dann singt er.
Kinder werden zu Hause unterrichtet
Micha Dettwyler hat noch eine weitere «Berufung»: Er ist Familienvater. Mit Frau Sarah hat er drei Kinder. Levi (8), Elin (5) und Alia (1). Das Besondere: Die Dettwylers unterrichten ihre Kinder zu Hause. «Homeschooling». Ein mutiger Schritt. Sie stellen selbst einen Stundenplan zusammen, Frau Sarah unterrichtet sie hauptsächlich, die Schulpflege kontrolliert alles regelmässig. «Wir haben uns dafür entschieden, es ist eine Herausforderung auf vielen Ebenen», meint der Papa. «Doch wir wollen so lange wie möglich Zeit in die Familie investieren. Wir wollen die Beziehungen so dick und fett wie möglich machen.» Und wieder lacht er. Erst recht, als er hinzufügt, dass es schon lustig sei, dass er angestellt ist bei der Schule Wohlen, er aber seine Kinder von der Schule nimmt.
«Als Baby nicht geschrien, sondern Tonleiter gesungen»
Die Familie, sie ist im heilig. Und das war sie schon seit dem 23. Oktober 1972, dem Tag seiner Geburt. Aufgewachsen ist er gleich unterhalb des Haldenschulhauses. Die Mutter Ruth, sie hat ebenfalls Musik unterrichtet, und Vater Urs, er ist Opernsänger. Da ist es naheliegend, dass auch dem Erstgeborenen Micha die Musik in die Wiege gelegt wurde. Als 2011 die Familie Dettwyler den Wohler Kulturpreis erhielt, sagte Musiklehrer Adrian Heimgartner: «Als ich Micha Dettwyler zum ersten Mal begegnete, war er noch ein Baby. Und er hat nicht geschrien, sondern bereits die Tonleiter gesungen.»
Die Familie Dettwyler, alle singen, alle sind supermusikalisch. Sie bleiben es auch, als 1978 der zweite Sohn auf die Welt kommt. Jan. Heute besser bekannt als Seven. Es vergingen nur wenige Jahre, da wurde der Weihnachtsabend vor dem Tannenbaum zum Livekonzert. «Ich mit dem Cello., Jan mit der Geige.» Damals war es ein heimeliger Kinderplausch, heute würden Menschen für die «O Tannenbaum»-Version der Dettwyler-Brüder vermutlich Eintritt bezahlen. «Haha... Vielleicht.» Wieder tut sich in seinem weiss-dunklen Bart eine Schleuse weisser Zähne auf. Da ist es wieder. Das spitzbübische Lachen.
Micha erinnert sich an damals, an die Kindheit. Wie normal die Musik im Alltag war. «Die Eltern haben uns viel gelehrt. Beispielsweise dass man alles erreichen kann, was man will.» Micha und Jan, sie wurden gefordert und gefördert. Als er den Wunsch äusserte, Musiker zu werden, da sagten die Eltern nicht – wie in vielen anderen Schweizer Haushalten – «Lern was Richtiges», sondern sie unterstützten ihn.
Micha Dettwyler setzte auf ein Instrument: das Cello. Als er an der Kanti in Wohlen war und Jahre darüber hinaus, übte er viele Stunden mit dem Streichinstrument. Er war kurz vor der Abschlussprüfung zum Cellisten. «Irgendwann merkte ich, das kommt nicht aus vollem Herzen. Irgendwie wollte ich etwas anderes.» Und er setzte fortan auf das Schlagzeug. Mittlerweile ist er seit zwei Jahrzehnten Musiklehrer an der Schule Wohlen. Und seit 29 Jahren Mitglied bei Seven.
Verwechslung bei Radio-Interviews
Und dort ist er meist im Hintergrund. «Jan ist der Kopf. Jan ist der Sänger. Jan ist Seven», sagt sein Bruder. Dass der ältere Bruder Micha – musikalisch ausgedrückt – nur die «zweite Geige» spielt, passt für ihn. «Mir gefällt das Schattendasein. Jan war schon immer mehr die Rampensau. Er ist eher offensiv, ich eher abwartend. Er geht mehr Risiken ein, ich bin mehr traditionell.» Und auch wenn die beiden verschieden sind, so sind sie sich enorm ähnlich. Nicht nur ihre Vergangenheit ist gleich, sondern auch ihre Stimme. «Wenn Jan Radio-Interviews gibt, meinen viele Leute, das sei ich.»
Und – weil die Frage so schön ist – wer verdient denn besser, der erfolgreiche Soulsänger, bei dem viele Konzerte ausverkauft sind, oder der Musiklehrer aus Wohlen? Seine Zähne strahlen nun enorm riesig zwischen dem Bart hervor. Mit einem riesigen Lachen meint Micha: «Kein Kommentar.»
«Er kann eigentlich alles, was die Musik zu bieten hat»
Fragt man seinen kleinen Bruder Jan, was Micha für ein Mensch ist, dann sagt dieser Sätze wie: «Ich habe Micha sehr viel zu verdanken, denn er hat mich immer ernst genommen, war immer stolz auf mich und hat mich gefördert, wie kein anderer es jemals getan hat.» Er habe Seven, als er 13 Jahre alt war, in seine Band geholt als Leadsänger und ihm bei den eigenen Projekten immer Mut zugesprochen, ihn bestärkt, gelobt, er hat ihm einen Bandraum zur Verfügung gestellt, hat Aufnahmen von Jan gemacht – und so weiter. Seven sagt heute: «Er ist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben und für vieles mitverantwortlich. Mein Weg wäre ein anderer gewesen ohne ihn und vieles hätte ich nicht so unbeschwert erlernen und erfahren können ohne einen sechs Jahre älteren Bruder, der mich einfach mitnimmt. Wer macht das schon?», fragt Seven.
Micha Dettwyler tut das. Er sei ein Samariter. Ein «loyaler, respektvoller, geradliniger, sehr sensibler Mann mit grossem Herz», wie sein kleiner Bruder weiter schwärmt. Und auch musikalisch blickt Seven zu seinem Bruder hinauf. «Er kann eigentlich alles, was die Musik zu bieten hat.»
Positive Ausstrahlung, offen, ehrgeizig – alles gute Gründe für den Erfolg von Micha Dettwyler. «Vielleicht», meint er. «Vielleicht sind aber auch die Enten schuld.» Er zeigt auf die 212 gelben Gummi-Enten, die sich in seinem Musikstudio an der unteren Haldenstrasse in Wohlen aufhalten. Die meisten davon sind Geschenke von seinen Schülern – irgendwie wurde es zur Tradition, ihm eine Gummi-Ente zu schenken. Und wieder: Micha Dettwyler nimmt sich nicht ganz so ernst.
Der Tod während «Natural»-Zeit
Dabei hätte er viele Gründe dazu. Denn was er anpackt, wird zu (musikalischem) Gold. Sei das die Tourneen mit Pepe Lienhard seit 2011 bis heute – oder seien es die fast 30 Jahre auf der Bühne mit seinem Bruder Jan oder sein hoher Beliebtheitsgrad als Musiklehrer in Wohlen. «Hey, am Mittwoch ist wieder Jahreskonzert, kannst du noch ein bisschen Werbung machen? Am 3. April, um 19 Uhr im Casino» – diesen Satz sagt er während des Gesprächs mit dem Journalisten immer wieder.
Micha Dettwyler. Ein genauso spannender Typ wie sein berühmter Bruder Jan. Beide sind Musikliebhaber, beide sind aus Wohlen – und beide waren einst bei der fast schon legendären A-cappella-Band «Natural» mit dabei. In ihrer Jugendzeit waren die Dettwyler-Brüder zusammen mit den Strasser-Brüdern Roger und Pascal mit «Natural» unterwegs. Es folgte ein Schicksalsschlag für die jungen Musiker, als Pascal Strasser plötzlich erkrankte – und starb. «Die Zeit vor seinem Tod war super, wir erlebten mit ‹Natural› viele Dinge, die für immer in Erinnerung bleiben. Dann kam durch den Tod der riesige Schock und die Erkenntnis, dass im Leben nicht immer alles tipptopp ist, sondern dass es auch sehr schnell enden kann. Man sollte jeden Augenblick geniessen.» Für einmal bleibt sein Bart dunkel und dicht.
Es sind die Momente, wo Micha Dettwyler mal nicht lacht. In jenen Momenten könnte man mit ihm beginnen zu philosophieren – und das kann der sympathische Mensch mindestens so gut, wie Musik machen.