Aufstieg eines Bauernmädchens
15.02.2019 WohlenDer Roman «Strohgold» handelt von der Freiämter Strohindustrie, von Wohlen und Bünzen
«Strohgold» heisst der Titel des Buches. Der Roman spielt mitten in der glorreichen Zeit der Strohindustrie im 19. Jahrhundert. Bünzen, ...
Der Roman «Strohgold» handelt von der Freiämter Strohindustrie, von Wohlen und Bünzen
«Strohgold» heisst der Titel des Buches. Der Roman spielt mitten in der glorreichen Zeit der Strohindustrie im 19. Jahrhundert. Bünzen, Wohlen und Paris sind die Hauptorte. Der Autor des Werkes, das über 400 Seiten umfasst, ist Stefan Frey aus Olten.
Daniel Marti
Es gibt viele Werke über die Strohindustrie in Wohlen oder im gesamten Freiamt. Nun gesellt sich ein 400 Seiten umfassender Roman dazu. Er stammt aus der Feder von Stefan Frey (Jahrgang 1952), ein gebürtiger Solothurner. Frey verknüpft die Strohflechterei, als Ausgangspunkt im Freiamt, mit dem Weltgeschehen in Paris.
Hauptperson sind eine junge Frau und ein junger Mann, die sich im Zug nach Paris begegnen. In der französischen Hauptstadt trennen sie sich. Vorerst. Die Liebesgeschichte beginnt dann im Februar 1855, vor der ersten Weltausstellung in Paris, und findet ihr Ende nach der Internierung der Bourbaki-Armee im Februar 1871 in der Schweiz.
Inspiration im Strohmuseum
Aber wie kommt ein gebürtiger Solothurner auf die Idee, die Freiämter Strohindustrie in seinen Roman einzubinden? Aufgrund einer jahrelangen Verbundenheit mit einer eingesessenen Freiämter Familie sei er auf das Thema der Freiämter Strohflechterei gestossen, erklärt der Autor. «Irgendwann kam man beiläufig auf dieses Thema zu sprechen, dann folgte ein Besuch im Wohler Strohmuseum – und dann war es passiert. Der Plot zur Geschichte stand», erinnert sich Stefan Frey.
Zudem hängt der Erfolg der Freiämter Strohflechterei wesentlich mit Frankreichs Hauptstadt Paris zusammen. Ausgerechnet Paris ist für Frey seit vier Jahrzehnten zur zweiten Heimat geworden. Wohlen, Paris, Strohindustrie – dieses Dreieck passt bestens zum Autor.
Der Beginn der Story ist in Bünzen. Im Bauernhaus der Wiederkehrs, welche die Strohflechterei als Nebenerwerb betreiben. Anna-Katharina, die älteste Tochter, steht vor der längsten Reise eines Wiederkehrs. Den Eintritt in die Klosterschule hat sie verpasst. Und so schaute der Dorfpfarrer für die Zukunft des Mädchens. Dank Kontakten zur Familie Fergger aus Villmergen wurde den Wiederkehrs angeboten, Anne-Käthi bei einer hochkarätigen und ebenso anständigen und gläubigen katholischen Handelsfamilie, bedeutende Vertreter der Wohler Strohflechterei, in Paris unterzubringen.
Trägt die Kaiserin Strohschnürli?
«Kost und Logis» waren gratis und es gab die Möglichkeit, Französisch zu lernen. Der Familie Wiederkehr war auch gedient, dass «ein Mund weniger am Tisch sitzt». Die Familie Fischer in Paris waren ganz feine Leute. Sie war von Wohlen nach Paris gereist mit einem Musterbuch an Strohgeflechten «und hat dort sofortige Erfolge erzielt».
Von Wohlen ging es also mit der Postkutsche nach Aarau. Von Aarau mit dem Zug nach Strassburg, Aufenthalt für eine Nacht, dann weiter nach Paris. Und in Paris sollte sie irgendwann die Kaiserin treffen. «Du musst mir schreiben, ob sie Strohhüte trägt, auf denen unsere Strohschnürli eingearbeitet sind», sagte Anne-Käthis Mutter, die Bauersfrau hatte acht Kinder auf die Welt gebracht.
Vom «Buremeitli» zur erfolgreichen Geschäftsfrau
In Paris startet die junge Freiämterin eine Erfolgsgeschichte: Vom Au-pair-Mädchen bis zur Spitze eines Strohunternehmens. Und das junge Paar erlebt Aufstieg und Fall im Second Empire. Dieser Ausdruck steht für das zweite Kaiserreich, für die Periode von 1852 bis 1870 in der Geschichte Frankreichs. In dieser Zeit war Napoleon III. der Kaiser der Franzosen. Der Lebenspartner der Anna-Katharina aus dem Freiamt wurde Oberst in der Kaisergarde.
«Das Buch ist auch die Beschreibung von Metamorphosen», erklärt der Autor. Also jene der Verwandlung des «Buremeitli» Anne-Käthi aus Bünzen in die erfolgreiche Pariser Geschäftsfrau Anne-Catherine, aber auch jene der Mutter Anna, die sich und die Familie durch Kreativität und eisernen Willen aus der Armut der Heimarbeiterexistenz herausarbeitet. «Strohgold» schildert auch die tragische Verwandlung des glorreichen zweiten Kaiserreichs in ein soziales und politisches Chaos. «Dem Leser ist es überlassen, aus der Geschichte auch die Verwandlung unseres Landes von einem bitterarmen Bauernstaat in ein modernes Land herauszulesen», sagt Frey.
Zurück nach Wohlen und zur Strohindustrie. Hier hatte der Autor wertvolle Kontaktpersonen, die ihm viel Wissen vermittelten. Im Strohmuseum wurden ihm Türen und Schränke geöffnet. Lokalhistoriker Daniel Güntert liess Stefan Frey teilhaben an seinem immensen Wissen über die Geschichte der Freiämter Strohindustrie. Und die Bücher «Strohzeiten. Geschichte und Geschichten der aargauischen Strohindustrie» und «Zauberhaftes Stroh – Herstelltechniken aus dem Freiamt» gaben dem Autor viele Details preis.
Hinweise auf die Vergänglichkeit
Und warum der Titel «Strohgold»? Eine Anlehnung an die goldenen Zeiten der Strohindustrie? «Strohgold» sei mehrdeutig, sagt der Autor. Es sei der Hinweis auf die «goldenen» Zeiten der Strohflechterei. «Aus Strohhalmen wurden tatsächlich Werte erschaffen, die sich mit Gold aufwiegen liessen», sagt Stefan Frey. «Der Begriff beinhaltet auch den Hinweis auf die Kurzlebigkeit oder auch die Vergänglichkeit, die unter Umständen eintreten kann, wenn das Material mit Feuer in Kontakt gerät: Strohfeuer.» Dazu passe auch, unter historischen Gesichtspunkten, «das zweite Kaiserreich, das sich ja zu seinen besten Zeiten vergoldete».



