«Dichtestress ist unbekannt»
28.12.2018 Wohlen«Dreimal Drei» mit Philipp Schmid, er fuhr mit dem Fahrrad quer durch Russland
Was für eine Leistung. Von St. Petersburg nach Wladiwostok. Fast 10 000 Kilometer mit dem Fahrrad. Der Wohler Philipp Schmid hat diese Strecke gemeistert. Und ist immer noch ...
«Dreimal Drei» mit Philipp Schmid, er fuhr mit dem Fahrrad quer durch Russland
Was für eine Leistung. Von St. Petersburg nach Wladiwostok. Fast 10 000 Kilometer mit dem Fahrrad. Der Wohler Philipp Schmid hat diese Strecke gemeistert. Und ist immer noch beeindruckt von Land, Leuten und Traditionen.
Sie waren auf Russland-Tour mit dem Fahrrad. Welche drei Erkenntnisse, Erlebnisse, Stationen oder Etappen werden Ihnen besonders in Erinnerung bleiben? Und warum?
1. Es gibt natürlich mehr als drei Erkenntnisse und Erlebnisse, die mich beeindruckten. Die extremen Distanzen und Weiten zwischen Dörfern und Städten sind unvergesslich. Oft sind wir auf den 130 Kilometer langen Tagesetappen an keinem einzigen Haus vorbeigekommen. Der uns bekannte Dichtestress ist den Menschen in Sibirien völlig unbekannt. Nach meinen Beobachtungen wird in den entlegenen Dörfern Sibiriens die Dorfgemeinschaft noch so gelebt, wie sie bei uns früher auch gelebt wurde. Die Leute haben Zeit, um sich beim Einkaufen miteinander zu unterhalten. In den Dörfern und Städten fühlt man, dass die Einwohner sich kennen und einander näher sind als hierzulande. Man hat Zeit.
2. Die Natur Sibiriens erstaunt. Es ist jetzt im Winter unbeschreiblich kalt. Jedoch als wir damals vor fünf Monaten dort vorbeiradelten, blühten die Wiesen so weit man sehen konnte. Die Natur wird nicht nur hinsichtlich Ertrag zugunsten der Menschen bewirtschaftet. Tausende Kilometer sind von der Menschheit unberührt und so erfreuten wir uns an der Schönheit der weiten, unberührten Blumenwiesen.
3. Drei Etappen bleiben unvergesslich, nämlich die erste, dann die Einfahrt in die Hauptstadt Kasachstans, Astana, und die Zieleinfahrt in Wladiwostok. Die erste wegen der Spannung auf das Neue, auf all das Bevorstehende. Dann die Einfahrt mit Polizeieskorte in den Stadtkern der Mega-City Astana. Definitiv ein unauslöschliches Erlebnis. Die letzten Kilometer zum Nikolai-Triumphbogen in Wladiwostok bleiben natürlich unvergesslich, weil nach drei Monaten ein seit Langem gestecktes Ziel erfolgreich zu Ende ging.
Welche drei Eigenschaften der Russen würden der Schweiz gut tun. Oder auch umgekehrt: Welche drei Schweizer Werte haben Sie in Russland vermisst und würden die Welt auch besser machen?
1. Ausnahmslos und überall wurden wir in Russland herzlichst und freundlichst empfangen. So verkehrt oder paradox es klingen mag, wir haben von der russischen Bevölkerung die Eigenschaften und Werte gespürt, die wir Schweizer sonst als unsere eigenen beanspruchen, nämlich Gastfreundlichkeit, Interesse an uns fremden Gästen, Ehrlichkeit und noch einige mehr.
2. In einer Weltgegend, wo die Einsamkeit vorherrscht, ist es vielleicht erklärbar, dass wir mit Herzlichkeit und Interesse empfangen wurden. Wir durften einige Lobreden über uns ergehen lassen. Russland pflegt eine Tradition, Gäste willkommen zu heissen. Gästen wird ein frisch gebackenes rundes Brot mit einem Häufchen Salz darauf angeboten. Man bricht ein Stückchen ab und vermischt es mit dem Salz. Eine warmherzigere Begrüssung habe ich noch nie erlebt.
3. Russland ist nicht so, wie wir es uns vorstellen. Wir sind von den Medien negativ beeinflusst. Zum ersten Mal ist mir dies bewusst geworden. Ich habe ein ganz anderes Russland erlebt, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich wünschte mir eine etwas ausgewogenere Berichterstattung über dieses wunderschöne Land und diese überaus freundlichen Menschen.
Mit der Russland-Tour haben Sie eine riesige Herausforderung gemeistert. Welche drei Herausforderungen haben Sie als Nächstes im Visier? Und warum haben diese drei speziellen Ziele einen besonderen Reiz für Sie?
1. Die Transrussland 2018 war eine Tour, die man nur einmal im Leben macht. Ich habe keine vergleichbaren Pläne für die Zukunft. Vielleicht mal eine Radsportwoche im Ausland oder von hier nach London.
2. Wohlen–Paris in drei Tagen bin ich schon mal gefahren. Auf dem Velo sehe ich Gegenden, die man vom Auto aus nicht sieht. Wer fährt schon von Wohlen aus auf Nebenstrassen an den Genfersee?
3. Ich hoffe, dass mir die Gesundheit erhalten bleibt und ich auch im kommenden Jahr wieder viele Kilometer auf dem Rennvelo abspulen kann. Ein Freund von der Russland-Tour hat mir kürzlich vorgeschlagen, vom Nordkap nach Gibraltar zu radeln. Warum nicht? --dm