Jammern auf höchstem Niveau
03.08.2018 WohlenBundesfeier: Kantirektor Matthias Angst ruft zu mehr Gelassenheit auf
Alles muss immer schneller gehen, möglichst fehlerfrei. Noch nie zuvor lebten Schweizer so reich und so lange wie heute. Dennoch ist der Alltag vieler von Stress und Jammern geprägt. ...
Bundesfeier: Kantirektor Matthias Angst ruft zu mehr Gelassenheit auf
Alles muss immer schneller gehen, möglichst fehlerfrei. Noch nie zuvor lebten Schweizer so reich und so lange wie heute. Dennoch ist der Alltag vieler von Stress und Jammern geprägt. Festredner Matthias Angst, Kantirektor, gibt der Festgemeinde deswegen wertvolle philosophische Tipps mit auf den Weg.
Joël Gattlen
«Die Bildung beschäftigt uns in der Gemeinde Wohlen schon seit längerer Zeit, noch länger als die Schulraumplanung der Oberstufe. Ich meine ein sehr politisches Thema und denke dabei an eine kleine unscheinbare Tafel bei der Bushaltestelle an der Bahnhofstrasse. Weiss jemand, was darauf steht?», fragt Kantonsschulrektor Matthias Angst (37) in die Runde. Seit einem Jahr ist der junge Angliker nun bereits Rektor der Kantonsschule Wohlen und meisterte seinen Einstand mit Bravour. «Dort steht: Die kleine Gemeinde Anglikon hatte sich am Bau eines eigenen Schulhauses finanziell übernommen, woraufhin der Grosse Rat des Kantons 1912 Anglikon per Dekret Wohlen zuschlug. Der Beschluss wurde 1914 rechtskräftig, nachdem Wohlen sich erfolglos dagegen gewehrt hatte.» Und deswegen feiern Angliker und Wohler heute gemeinsam den 1. August. Angst hielt die diesjährige Augustrede mit den Schwerpunkten Bildung und Gelassenheit. «Alle hier wurden einmal gebildet oder gingen zumindest einmal in die Schule. Das ist jedoch nicht immer dasselbe. Letztlich ist Bildung nicht physisch greifbar. Ihren Erfolg kann man auch schlecht messen. Noten liefern bestenfalls Indizien», ist sich Angst sicher.
«Noch nie zuvor lebten wir so reich und so lange»
«Wir leben in einer gestressten Zeit. In der alles quantifiziert, geprüft und vermessen wird.» Alles müsse effizient, schnell und erst noch korrekt sein. Dabei gehe vergessen, dass gut Ding Weile haben will. «Wir brauchen Ruhe, Zeit und ein inspirierendes Umfeld für beruflichen Erfolg», mahnt er. «Man muss erst lassen können, um gelassen zu sein», zitiert Angst den spätmittelalterlichen Theologen und Philosophen Meister Eckhart. «Damit meinte er wohl, dass wir uns selbst, also unser Ego, etwas loslassen müssen. Nicht wir selber sollten im Zentrum stehen.» Erst mit dieser Erkenntnis habe man die Grösse, vermeintlich brenzlige, nervige oder stressige Situationen gelassen zu nehmen. «Erst dann erkennen wir, dass es bei unseren Problemchen selten um Leben oder Tod geht.» Dies gelte auch für die Politik und die gesamte Schweiz. «So titelte die ‹NZZ› kürzlich: ‹Die Schweiz leidet an einer Wahrnehmungsstörung›», erinnert sich Angst. «Noch nie zuvor lebten wir so reich und so lange. Und dennoch fühlten wir uns noch nie so gestresst, fürchten uns vor allem und jedem und jammern auf höchstem Niveau. In diesem Sinne wünsche ich uns allen zum 1. August mehr Gelassenheit.»
1100 Gratisbratwürste
Für musikalische Unterhaltung sorgte mitunter der Musikverein Wohlen. Aufgrund der Hitze ausnahmsweise einmal nicht in den traditionellen Uniformen. «Neu dabei ist erstmals die Freiämter Alphorngruppe «Ländlerfrönde». Diese wurde bereits für nächstes Jahr erneut gebucht», betont Gemeinderätin Ariane Gregor (CVP). Die beliebte Alphorngruppe «Reussblick» war dieses Jahr hingegen nicht dabei. «Dies aus dem Grund, da diese ihre Auftrittsanzahl reduziert hat. Acht Auftritte alleine am 1. August waren der Gruppe zu viel», erklärt Gregor. Zu den Highlights gehörte der Auftritt von «The Hardy’s Bubbles», bestehend aus Peter Meyer, Rolf Wernli, Michael Bischof, Ruedi Zulauf und Roger Rey. Seit 30 Jahren macht die Band die Freiämter Bühnen unsicher und überzeugt mit groovigem Rock ’n’ Roll der Interpreten Elvis Presley, John Fogerty oder auch CCR.
Die Gemeinde Wohlen sponserte allen Besuchern eine Gratiswurst. Insgesamt wurden 1100 Bratwürste serviert. Dank herrlichem sommerlichem Wetter fand die Bundesfeier am 1. August auf dem Kirchenplatz Wohlen statt und begann um 18 Uhr. Zum Fest fanden sich rund 800 Gäste und diverse Gemeindevertreter ein. Gemeinsam feierte man bis in die Nacht hinein den Geburtstag der Schweiz.




