Steten Wandel überdauert
31.07.2018 Bremgarten150 Jahre Kirchenchor Bremgarten: Streifzug durch seine Geschichte mit Höhen und Tiefen
Ein Name prägte die Geschichte dieses Vereins: Joseph Iten. Wie andere alte Vereine – nicht nur im Bereich Kirchengesang – hatte auch die «Kirchenmusik ...
150 Jahre Kirchenchor Bremgarten: Streifzug durch seine Geschichte mit Höhen und Tiefen
Ein Name prägte die Geschichte dieses Vereins: Joseph Iten. Wie andere alte Vereine – nicht nur im Bereich Kirchengesang – hatte auch die «Kirchenmusik Bremgarten» anspruchsvolle Entwicklungen zu überstehen.
Der Verein hat seine Geschichte ausführlich erforscht, die Entwicklung von der «löblichen Kirchenmusik Bremgarten» zum «Kirchenchor Bremgarten» aufgerollt. Ein interessantes Exempel städtischer Vereinsgeschichte.
Kein Kreis für jedermann
Am 1. September 1868 unterzeichneten 20 Mitglieder die Statuten der neuen Kirchenmusikgesellschaft Bremgarten. Die Eintrittsbedingungen behielten die Mitgliedschaft einem auserwählten Kreis Musikinteressierter vor. Wer war damals aktiver Musiker oder Sänger? Wer konnte ohne weiteres fünf Franken Eintrittsgeld bezahlen? Interessenten mussten sich beim Präsidium anmelden und eine Probezeit von einem Jahr nachweisen, um mit einer 2/3-Mehrheit in den Verein aufgenommen zu werden.
Der Zweck der Gesellschaft war die Ausbildung in Musik und Gesang. Die Terminierung der Generalversammlung und weiterer Anlässe am Tag der Heiligen Cäcilia deuten auf die bereits damals engen Bindungen zur Patronin der Kirchenmusik hin. Einem ersten Cäcilienkonzert im Rathaus unter Kapellmeister Dr. Zäh folgte am Abend ein Nachtessen mit Ball im Restaurant Drei Könige. Das war bezeichnend für die Aktivitäten des Vereins. Kaum ein Anlass wurde ohne Tanz, Ball oder andere Lustbarkeiten durchgeführt.
Schwer nachvollziehbar ist die damalige Hierarchie im Verein. Chor und Orchester machten sich ihre gesellschaftliche Bedeutung streitig. Trotzdem prägte ihre Zusammenarbeit die kirchenmusikalischen Bedürfnisse bis 1932. Ein bischöflicher Erlass forderte die Einschränkung der Orchestermessen und führte den liturgischen Gesang ein. Orchester wurden nicht aufgehoben, die Bedeutung der Chöre aber gefestigt. Die Orchestermitglieder fühlten sich in ihrer Existenz bedroht
Nach Bratsche gefahndet
In den 1930er-Jahren bestand eine enge Verflechtung zwischen dem Kirchenmusikorchester, dem Orchesterverein und der Stadtmusik. Die Musikinstrumente wurden gegenseitig ausgeliehen. Die Eigentumsrechte waren sehr oft nicht klar geregelt und führten zwangsläufig zu Ansprüchen, welche nicht von allen Beteiligten akzeptiert wurden. Das viel grössere Problem stellte jedoch das jeweilige Auffinden der Instrumente dar. So musste immer wieder nach dem Verbleib der Instrumente geforscht werden. 1936 wirkte ein gewisser Herr X einige Male im Orchester mit, bediente sich einer Bratsche und verschwand mit dieser. Nach mehrmaliger Mahnung, die Bratsche dem Orchester auszuhändigen, leitete die Kirchenpflege beim Bezirksamt eine Untersuchung ein. Der Besitzer wurde in Basel ausfindig gemacht, die Bratsche war verpfändet. Über Jahrzehnte sind die Protokolle voll von «Instrumentengeschichten».
Mädchen nicht willkommen
Das Orchester wurde 1969 in einer Notiz der Kirchenpflege ein letztes Mal erwähnt. Es wurde über Sinn und Zweck des Orchesters debattiert und über den neu gegründeten Jugendchor, dem Auftritte in der Kirche verwehrt blieben. Weil Mädchen in diesem Chor mitwirkten.
Der Verein änderte seinen Namen mehrmals. Der Wechsel zum langjährigen «Kirchenchor Cäcilia Bremgarten» ist in den Protokollen nicht auffindbar und wurde offensichtlich durch den allmählichen Abbau des Orchesters in den Sprachgebrauch übernommen. Nach dem Austritt aus dem Kreiscäcilienverband beschloss der Verein 2010 die Namensänderung zu «Kirchenchor Bremgarten».
Fall und Auferstehung
Eine schwere Krise endete an der ausserordentlichen GV im November 1976 mit der Einstellung der Choraktivitäten, da mit noch 14 Mitgliedern ein ordentlicher Gesang nicht mehr möglich war. Rita Meier wollte die fehlenden Choraktivitäten nicht einfach hinnehmen und rührte kräftig die Werbetrommel. Bereits 1977 konnten an der GV 56 Sängerinnen und Sänger begrüsst werden. Neuer Chorleiter war Heinz Bergamin und neuer Präsident Josef Utz. Heinz Bergamin dirigierte den Chor von 1977 bis 1991 und brachte Ruhe und Kontinuität in den Chorbetrieb. Vieles musste neu organisiert werden. Noten mussten neu angeschafft werden, weil der Vorgänger kaum etwas hinterlassen hatte usw. In den 90er-Jahren schwand der Mitgliederbestand zusehends und eine Überalterung zeichnete sich ab. An der GV 1998 ermahnte die damalige Präsidentin Sr. Reto Lechmann den Chor, er müsse sich verändern und an die Öffentlichkeit treten. 1999 beschloss der Verein den Status der Freimitgliedschaft. An Synesius 2010 trat Diakon Ueli Hess seine Stelle als Gemeindeleiter in Bremgarten an. Er initiierte die Gründung eines Chors, der speziell an Beerdigungen eingesetzt werden kann, den Requiemchor. Unter der Leitung der Stadtorganistin Andrea Kobi übt er unabhängig vom Kirchenchor, ist diesem aber als freier Projektchor angegliedert.
Nach knapp vier Jahren trat Marco Castellini 2012 als Chorleiter zurück. Andrea Kobi bewarb sich um die ausgeschriebene Stelle und wurde einstimmig gewählt. 2015 übernahm Hiram Santos aus Basel den Chor.
Seit letzten September leitet ihn der in Bremgarten wohnhafte Christian Alpiger. Er ist Chorleiter, Organist, Cembalist, Sänger und Gymnasiallehrer für Musik. Seit 2013 wird der Verein im Co-Präsidium geführt, aktuell teilen sich Erwin Wagenhofer und Silvia Küng dieses Amt. --gla
Gastsänger willkommen
Sein Jubiläum feiert der Verein mit einem Konzert, für welches er den Cäcilienchor Villmergen als Partner gewinnen konnte. Am 20. und 21. Oktober führen die Chöre die festliche Messe in B-Dur D 328 von Franz Schubert sowie Joseph Haydns «Te Deum für die Kaiserin Marie Therese» und das «Salve Regina» in Bremgarten und Villmergen auf. Nebst den Chören sind ein Vokalquartett namhafter Solisten sowie ein 18-köpfiges Orchester beteiligt. Am 21. August, 20 Uhr, wird weiter geprobt. Gastsänger sind herzlich willkommen. Details auf www.kirchenchorbremgarten.ch. --zg
Musikdirektor Joseph Iten
Im Mai 1918 wurde Joseph Iten zum Direktor der Kirchenmusikgesellschaft und als Organist der Stadtkirche gewählt. Mit 15 Jahren hatte er bereits die Direktion des Kirchenchors Ägeri übernommen. Früh entstanden seine ersten Eigenkompositionen, welche in Bremgarten die Gottesdienste verschönerten. Sein Schaffen war unerschöpflich, die Kirchenmusik sein Leben. Papst Johannes XXIII. verlieh ihm im Februar 1962 die goldene Verdienstmedaille «Bene Merenti» für seine 50-jährige Tätigkeit in der Kirchenmusik.
Joseph Iten bestimmte bis zu seiner Demission 1963 das Geschehen im Kirchenchor und an der Orgel. Der Chor akzeptierte seine nicht einfache Persönlichkeit. Eine Kostprobe: Die Anfrage, warum Frau Nauer-Bannwart bei Choreinsätzen nicht mehr zur Orgelbegleitung zugelassen werde, beantwortete der Direktor so: «Es geht mir, mit wenigen Ausnahmen, erfahrungsgemäss leichter, wenn ich den ganzen Klangkörper alleine in den Händen halte.» Bereits 1944 machte er sich für die neue Orgel stark, die am 12. Juli 1953 eingeweiht wurde. --red