«Zuerst war ich überfordert»
28.07.2023 Muri«Auf einen (Telefon-)Kaffee ...» mit der Freiämter Profihandballerin Daphne Gautschi
Aus dem idyllischen Städtchen Neckarsulm geht es für Daphne Gautschi in die Grossstadt nach Marseille. Ihr erster Eindruck ist positiv. Beim Verein Plan-de-Cuques ...
«Auf einen (Telefon-)Kaffee ...» mit der Freiämter Profihandballerin Daphne Gautschi
Aus dem idyllischen Städtchen Neckarsulm geht es für Daphne Gautschi in die Grossstadt nach Marseille. Ihr erster Eindruck ist positiv. Beim Verein Plan-de-Cuques ist die 23-Jährige aus Muri eine von zwei Ausländerinnen – und hat Grosses vor.
Stefan Sprenger
Sie spielten zuletzt für Neckarsulm, eine Stadt mit 27 000 Einwohnern. Jetzt sind Sie in Marseille zu Hause, 900 000 Einwohner. Wie geht es mit diesem einschneidenden Wechsel?
Daphne Gautschi: (Lacht.) Der Unterschied zu Neckarsulm ist riesig. Zu Beginn war ich überfordert von diesen vielen Menschen und dem Trubel, der in der Stadt herrscht. Ich bin meist mit dem Scooter unterwegs, weil mit dem Auto alles doppelt so lange dauert. Aber abgesehen vom Verkehr gefällt mir Marseille sehr gut.
Wieso? Erzählen Sie.
Wir haben eine Wohnung etwas ausserhalb des Stadtkerns, mit Balkon, mit Klimaanlage, was sehr wichtig ist hier. Ins Training nach Plande-Cuques habe ich rund zehn Minuten, was ebenfalls bestens passt. Ich erlebe hier in Marseille sehr viele verschiedene Kulturen und freundliche Menschen. Bislang habe ich nur positive Eindrücke. Ich muss gestehen, ich war skeptisch, weil man – wie zuletzt – immer wieder mal von Krawallen und Gewaltausbrüchen in Marseille hört. Aber bislang ist alles harmonisch, es passt. Meine Eltern sind gerade hier zu Besuch. Und auch sie sind positiv überrascht, wie sehr ihnen die Stadt gefällt.
Ihre bisherigen Vereine als Handballerin waren Muri, Zug, Metz, Bietigheim, Neckarsulm und jetzt Plan-de-Cuques. Was macht Ihren aktuellen Verein besonders?
Das Team besteht fast ausschliesslich aus Französinnen. Ausnahme bin ich und eine Tschechin namens Kamila Kordovská. Sie spielt ebenfalls auf der Rückraum-Links-Position und ich verstehe mich sehr gut mit ihr. Wohl auch, weil sie der einzige Mensch weit und breit in Marseille ist, der Deutsch spricht (lacht). Für mich ist das erfrischend und irgendwie auch ein Stück Heimat.
Was sind die sportlichen Ambitionen von Plan-de-Cuques in der höchsten Liga Frankreichs?
Das Ziel ist, mindestens so gut zu sein wie in der letzten Saison. Damals war es der 9. Rang von 14 Teams. Mittelfristig will sich der Verein auch etwas weiter vorne in der Tabelle etablieren. Es sind aber kleine Schritte nach vorne, wohl auch, weil die französische Liga vermutlich die beste Liga der Welt ist. Hier in Frankreich sind praktisch alles Profispielerinnen und nebenbei arbeitet kaum jemand. Dadurch sind natürlich die Ambitionen höher.
Und wie sind Ihre persönlichen Ambitionen?
Ich will mich stets weiterentwickeln, sportlich, beruflich und menschlich. Ich will eine gute Saison spielen und in einigen Jahren bei einem Verein sein, der international vertreten ist. Das ist mein Ziel, dafür gebe ich mein Bestes. Der Job, also die Ausbildung, dauert noch rund zwei Jahre. Aktuell bin ich im vierten Semester an der Fernuniversität der Schweiz in meinem Wirtschaftsstudium. Ich habe da keinen Stress, weil ich wohl noch ein paar Jahre als Handballerin mein Geld verdienen darf.
Sie wechselten in den letzten Jahren mehrmals den Verein. Ihr Freund Kevin war immer an Ihrer Seite. Auch jetzt?
Ja, es ist cool, dass wir immer gemeinsam wohnen und leben können und sich immer irgendwie etwas ergibt. In Neckarsulm war er ja als Athletiktrainer im Team involviert. Und jetzt in Plan-de-Cuques hat er auch schnell etwas gefunden, das passt. Ein riesiger Zufall, denn der Präsident des Vereins ist Wirtschaftsprüfer und hat ein eigenes Unternehmen. Er suchte jemanden. Kevin kann jetzt dort seinen Master als Buchhalter beenden und so die praktische Arbeit und die Schule verbinden.
Zum Schluss noch ein Ausblick auf ein grosses Highlight. Die Handball-Europameisterschaft der Frauen wird Ende 2024 auch in der Schweiz stattfinden. Wie präsent ist diese Heim-EM jetzt schon bei Ihnen?
Wir reden schon seit einigen Jahren von dieser Heim-Europameisterschaft. Es fühlt sich aber noch weit weg an. Aber: Ich freue mich jetzt schon riesig auf dieses einmalige Erlebnis, vor Heimkulisse eine EM zu spielen.