«Wir wollen keine Cüpli-Abteilung»
17.11.2023 Büttikon, Region UnterfreiamtDer Schwinger-Boss
Stefan Strebel bei der Valiant Bank Wohlen
«Freiämter Persönlichkeiten erzählen». So heisst der Anlass der Valiant Bank AG mit Sitz in Wohlen. Mit Stefan Strebel, dem technischen Leiter des Eidgenössischen ...
Der Schwinger-Boss
Stefan Strebel bei der Valiant Bank Wohlen
«Freiämter Persönlichkeiten erzählen». So heisst der Anlass der Valiant Bank AG mit Sitz in Wohlen. Mit Stefan Strebel, dem technischen Leiter des Eidgenössischen Schwingerverbandes und CEO der Traitafina AG, konnte die Bank den höchsten Schwinger in die «Linde» nach Büttikon einladen. Strebel gab einen sehr interessanten Einblick in seine Tätigkeiten. «Ein gemütlicher Abend in guter Atmosphäre mit tollen Leuten und angeregten Gesprächen», freute sich Martin Schertenleib, Regionenleiter der Valiant. Er versprach zugleich eine Fortsetzung des Events. --dm
Valiant Bank AG präsentiert «Freiämter Persönlichkeiten erzählen» in Büttikon: Stefan Strebel, höchster Schwinger
Der Schwingsport kennt gegenwärtig nur einen Weg. Nach oben. Mittendrin steht Stefan Strebel, höchster Schwinger im Land. Der Freiämter will seinen Sport richtig positionieren – und eckt dabei auch mal an. Das ist ihm egal. Der Schwingerboss ist ein Mann der klaren Worte.
Daniel Marti
Der Boom scheint kaum Grenzen zu kennen. Diese Sportart und die Volksfeste dazu sind der Inbegriff von Schweizer Tradition. Schwingen – mehr Schweiz geht nicht. Mittlerweile stellt sich die Frage, ob eine Organisation, die über 120 Jahre alt ist, den heutigen hohen Anforderungen noch gerecht werden kann. Mit dieser kritischen Betrachtung eröffnete Martin Schertenleib, Regionenleiter der Valiant Bank AG in Wohlen, den Anlass «Freiämter Persönlichkeiten erzählen». Und um die aktuelle Schwingerszene zu beleuchten, gibt es keinen besseren Gast als Stefan Strebel, technischer Leiter des Eidgenössischen Schwingerverbandes. Strebel, der höchste Schwinger im Land, nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Direkt, ehrlich, mit wuchtiger Postur steht er für seinen Sport ein.
Nach dem Hattrick war früh Schluss
Vom Metzger- oder KV-Stift nach ganz oben zum CEO der Traitafina AG in Lenzburg. Vom kleinen, neunjährigen Nachwuchsschwinger zum dreifachen Eidgenossen oder eben zum höchsten Schwinger im Land. Stefan Strebel hat den Weg nach oben – sowohl im Sport wie auch im Beruf – gesucht, angestrebt und gefunden. Erfolgreich in der Firma als Geschäftsführer mit rund 270 Mitarbeitenden. Erfolgreich im Schwingen als technischer Leiter des Eidgenössischen Schwingerverbandes.
Und weil Schwingen mittlerweile die Massen bewegt, mobilisiert und manchmal elektrisiert, ist Strebel in aller Munde. Omnipräsent, aber auch bodenständig, nie verlegen, sich zu behaupten oder einen kecken Spruch rauszuhauen, auf den sich dann die nationalen Medien stürzen.
Mal angriffig, mal taktisch geschickt, immer authentisch – so ist Strebel als dominanter Schwingerboss. Wie früher als aktiver Schwinger fast immer oben, die Gegner oft auf dem Rücken. In Bern (1998), Nyon (2001) und Luzern (2004) sicherte er sich den Kranz-Hattrick an den Eidgenössischen Schwingfesten. Das schaffen nicht viele. Nur Ausnahmekönner.
Schwingen ist sein Leben. Als Gastreferent bei der Valiant Bank AG mit Sitz in Wohlen machte der Freiämter – in Villmergen aufgewachsen, jetzt wohnt er in Hendschiken – eine vorzügliche Figur. Beim Anlass «Freiämter Persönlichkeiten erzählen», durchgeführt im Restaurant Linde in Büttikon, gab er einen interessanten Einblick in seine Tätigkeiten.
Im Jahr 2005 habe er auf einer Vita-Parcours-Runde entschieden, seine aktive Karriere zu beenden, so Strebel. Viele Experten konnten das nicht nachvollziehen – zwei Jahre vor dem Heim-Eidgenössischen in Aarau. Strebel dachte anders: «Schwingerkönig kann ich nicht werden, dafür der höchste Funktionär im Schwingsport.» Ehrgeizig, so war er sowohl als Metzger-Stift bei Josef Sax in Büttikon als auch als 18-Jähriger bei seinem ersten Eidgenössischen in Chur.
Alles rosa oder doch nicht?
Und ein Strebel erreicht seine Ziele. «Wobei ich immer Glück hatte, dass mich viele Leute unterstützt haben.» Vor allem auch seine Frau. Diese überraschte er, als er als Metzgermeister beschloss, noch das KV zu machen. Ein monatlicher Lohn von 750 Franken musste nun reichen. «Zum Glück», sagte er schmunzelnd, «habe ich ab und zu einen Muni nach Hause gebracht.»
Szenenwechsel. Nach dem dritten eidgenössischen Kranzgewinn hatte er «die Schnauze voll» vom Sägemehl. Als er sich dann klar positionierte – «ich will höchster Schwinger werden» –, kam dies nicht überall gut an. In der Schwingerszene sei er deshalb verschiedentlich schräg angeschaut worden. Mittlerweile ist er fast vier Jahre im Amt als technischer Leiter des nationalen Schwingerverbandes. In dieser Zeit erreichte er Wesentliches. Bessere Ausbildung und Förderung der Kampfrichter, professionelle Strukturen, bessere Betreuung der Spitzen- und Nachwuchsschwinger, wichtiger Trainingsstandort in Magglingen. Und die Entwicklung des Schwingsports unter dem 46-jährigen Strebel boomt weiter. «Es sieht alles rosa aus.» Ist es aber nicht immer.
Aufpassen, wohin es geht
Das Eidgenössische explodiert. In Aarau 2007 reichte noch ein Budget von 7 Millionen Franken, in zwei Jahren im Kanton Glarus in Mollis werden es gegen 45 Millionen sein. Und letztes Jahr schrieb das grösste Sport- und Volksfest der Schweiz in Pratteln ein Minus von 4 Millionen Franken – bei einem Budget von 42 Millionen. «Da hatten wir viel Glück, dass ein paar Unterstützer grosse Summen eingeschossen haben.»
Immer grösser, immer bedeutungsvoller. Ein Eidgenössisches ist innert zwei Stunden ausverkauft. 56 000 Tickets sind dann weg. Eine Arena für 100 000 Zuschauer wäre laut Strebel nicht die Lösung. Das würde für eine schlechte Sicht und noch mehr Auslagen sorgen. «Wir müssen aufpassen», warnt er. Wohin man sich bewegen wolle, sei die entscheidende Frage.
Ein Ticket kostet mittlerweile bald bis zu 300 Franken. Für Familien jetzt schon fast unmöglich zu bezahlen. Der Preis müsse unbedingt runter, sagt er, der bewusst Probleme ansprechen will. Und das verschafft ihm nicht immer Freunde. Spricht er sich nur einmal für einen allfälligen Videobeweis aus, «sind im Nu 99 Prozent der Schwingerszene gegen mich». Bezeichnet er den alten Haudegen Nöldi Forrer mal als «Cervelatpromi», ist das Rauschen im Blätterwald riesig und heftig.
Schwingfest in Dubai oder im Schnee
Aber man müsse die Dimensionen genau analysieren, kam der Schwingerboss auf die stete Aufwärtskurve zurück. Vor allem am Eidgenössischen: z wei mal 56 000 Zuschauer, 300 000 Zuschauer draussen rund um die Arena. Und beim Schlussgang eine Einschaltquote von 1,1 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern. Die König-Ausmarchung weist nur Spitzenwerte auf. Strebel will allerdings auch die Tradition wahren. «Wir wollen gar nicht Hunderte von Sponsoren, wir wollen auch keine Cüpli-Abteilung.» Lieber sei ihm ein Rundgang mit einem Nationalrat oder sogar Bundesrat.
Und dann noch alle diese utopischen Vorschläge, die an ihn herangetragen werden. Strebel nannte nur zwei im Kreise der Valiant Bank. Einst sei ein Typ mit Ferrari vorgefahren und mit gut gefüllter Geldbörse. Vorschlag: Schwingfest in Dubai. Der Nächste wollte einen Schnee-Schwinget. Wahnsinn, Blödsinn.
Warum nicht ins Fussballstadion?
Strebel sieht eher andere Wege. Ein Eidgenössisches in einem Fussballstadion. Der Basler St.-Jakob-Park anstatt Pratteln war ein Thema – und der Boss war dafür. «Aber das hörte man in Schwingerkreisen nicht so gerne.» Für eine eher günstige Miete wäre das Fussballstadion zu haben gewesen, und ein Grossteil der Infrastruktur wäre bereits gestanden. Aber lieber wurde alles extra aufgebaut, inklusive Bahnhofausbau. Für zwei Sporttage.
Der Metzgermeister und CEO will verhindern, dass die Schere stets weiter auseinandergeht. «Verluste wie zuletzt in Pratteln können wir uns dreimal hintereinander nicht leisten.» Und wenn die Dimensionen weiter so gegen den Himmel gehen, «gibt es in der Schweiz in ein paar Jahren vielleicht noch fünf bis sechs Standorte, die ein Schwingfest durchführen können».
Aber der Drang nach oben sei ungebremst. Das Eidgenössische müsse kleiner werden, fordern alle – bis auf den Ort des nächsten Eidgenössischen. Pratteln hatte im letzten Jahr 42 Millionen, Mollis kann wieder teurer werden im 2025. Stefan Strebel will sich auf jeden Fall für Mollis nochmals voll ins Zeug legen. Danach endet seine Amtszeit, die auf sechs Jahre beschränkt ist.
Er will anecken und den Stempel aufdrücken
Reichen ihm denn sechs Jahre? Das sei genau richtig, antwortet er. Seit er den Entschluss gefasst hat, höchster Schwinger des Landes zu werden, sind 17 Jahre verstrichen. «In dieser Zeit war ich sehr viel unterwegs.» Und oft habe er mit seiner Frau besprochen, wann und wie oft er gerade unterwegs und abwesend sei. Oft sei er als Einzelgänger unterwegs. «Denn ich ecke an», weiss er. Auch wenn die (Boulevard-)Presse mal eine Attacke gegen ihn lanciert, könne er damit gut umgehen. Letztlich will Stefan Strebel auch Aufmerksamkeit für seinen Sport.
Gleichzeitig will er Ansprechpartner sein für 196 Schwingklubs, inklusive Nachwuchs. Auch das fordert ihn. Aber all das hatte er im Visier, als er höchster Schwinger wurde. «Ich wollte dem Schwingsport den Stempel aufdrücken», betont er. Dies ist ihm eindrücklich gelungen. Gleiches wird der Schwingerboss auch in den nächsten zwei Jahren tun.