Vom Nobody zum Marktführer
18.07.2025 Arbeit, Region Unterfreiamt, GewerbeIm Keller angefangen
Serie «Mein eigener Chef»: Rolf Brunold
Vor 30 Jahren hat der Villmerger seine eigene Firma gegründet. Und hat es nie bereut.
Eigentlich könnte er sich jetzt zur Ruhe setzen. Rolf Brunold ...
Im Keller angefangen
Serie «Mein eigener Chef»: Rolf Brunold
Vor 30 Jahren hat der Villmerger seine eigene Firma gegründet. Und hat es nie bereut.
Eigentlich könnte er sich jetzt zur Ruhe setzen. Rolf Brunold hat die Nachfolge in seinem Unternehmen geklärt. Die Zukunft der Bremgarter Raytech ist gesichert. Doch der 64-Jährige mag noch nicht aufhören. Ihm gefällt seine Arbeit. Und er ist stolz darauf, was er mit seinem Partner in 30 Jahren aufgebaut hat. Angefangen hat damals alles in einem kleinen Keller in Lenzburg. --chh
Sommerserie «Mein eigener Chef»: Rolf Brunold aus Villmergen, Gründer der Raytech Switzerland, Bremgarten
Rolf Brunold ist glücklich. Kürzlich konnte er endlich die Nachfolge für seine Firma klären. Trotzdem ist er weiter täglich im Unternehmen tätig. «Weil es Spass macht», wie er betont. Das war nicht immer so, die Anfangszeiten waren hart, die Zukunft unsicher.
Chregi Hansen
Eine eigene Firma gründen? Das war für Rolf Brunold, der selbst aus einer typischen Büezerfamilie stammt, nie ein Thema. Fast zehn Jahre hatte er nach seinem Studium am Technikum Winterthur als Entwicklungsingenieur bei einer Zürcher Firma gearbeitet. Dann wurde das Unternehmen übernommen und verschlechterte sich das Klima im Betrieb massiv, plötzlich wurden viele Leute entlassen, vor allem die älteren Mitarbeiter. Brunold wollte diesen Weg nicht mitgehen.
Man könnte sich doch selbstständig machen, schlug er seinem guten Freund und Arbeitskollegen Thomas Schweizer vor. «Ich habe das eigentlich im Spass gesagt. Aber am nächsten Tag meinte Thomas nur: ‹Komm, wir machen das›», erzählt der gebürtige Zürcher, der seit mehreren Jahren in Villmergen lebt. Am 1. Dezember 1995 gründeten die beiden die Raytech GmbH in einem kleinen Keller in Lenzburg. 30 Jahre ist das jetzt her. Aus der kleinen Firma ohne ein einziges Produkt ist längst ein erfolgreiches KMU mit inzwischen 30 Mitarbeitenden geworden, dessen Messgeräte überall auf der Welt eingesetzt werden. Vor Kurzem haben Brunold und Schweizer die Firma in neue Hände übergeben, arbeiten aber noch in einem reduzierten Pensum weiter. «Weil es einfach Spass macht in diesem Team», wie der Gründer betont.
Am Anfang kaum etwas verdient
Der Anfang war hingegen hart. Auf Auftragsbasis waren sie weiter für ihren alten Arbeitgeber tätig, daneben entwickelten sie über lange Zeit ein erstes eigenes Messgerät – sie hatten zu Beginn nichts, was sie Kunden anbieten und verkaufen konnten. «Wir gaben uns selber fünf Jahre, dann musste die Firma funktionieren. Denn keiner von uns wollte jedes Wochenende arbeiten», schaut der heute 64-Jährige auf diese Zeit zurück. Verdient hätten sie wenig, sie hätten eben sparsam gelebt. Gleichzeitig seien es extrem spannende Monate gewesen. «Ein Gerät von Grund auf neu zu entwickeln, das ist für jeden Ingenieur ein Traum», so Brunold. Rund ein Jahr tüftelten sie an ihrem Prototyp – eine extrem kurze Zeit in ihrer Branche. Dann schlossen sie mit der ehemaligen Firma einen Abnahmevertrag ab mit einer jährlichen Mindeststückzahl, behielten aber die Rechte für die USA. Damit wurde die Grundlage gelegt für den Erfolg.
Der englische Name ist kein Zufall. Von Anfang an schielte das Duo auf den amerikanischen Markt. Und das aus einem einfachen Grund. Raytech produziert Messgeräte im Bereich der Hochspannungstechnik. Seien es Generatoren, Motoren, Transformatoren oder auch die Leitungen selber. Mit ihren Geräten können die Betreiber die Funktionstüchtigkeit der Anlagen überwachen. In der Schweiz werden diese regelmässig revidiert, darum ist der Bedarf an Messgeräten eher klein. In anderen Teilen der Welt lässt man sie viel länger laufen. Und muss entsprechend mehr kontrollieren. Rund 99 Prozent der produzierten Geräte werden exportiert. «Wir beide waren in erster Linie Entwickler, keine Verkäufer. Darum sicherten wir uns in den USA die Dienste eines guten Mannes, der hiess Ray», erzählt Brunold schmunzelnd. Und schon war der neue Name geboren.
Treue Mitarbeiter
Stolz führt Rolf Brunold durch die Geschäftsräume, die sich heute in Bremgarten befinden. Hier sind die Mitarbeitenden daran, neue Geräte zu montieren, zu prüfen und zu entwickeln. Die Stimmung ist gut, es wird zwar konzentriert gearbeitet, aber auch mal gescherzt. «Wir haben überall offene Türen. Und wir beteiligen seit der Anfangszeit alle Angestellten am Gewinn des Unternehmens. Das trägt sicher zum Erfolg bei», erklärt Brunold während des Rundgangs. Einige sind schon seit vielen Jahren dabei. Regelmässig kommen junge Techniker dazu – die Firma hat einen guten Namen in der Branche. Gefragt sind Topleute, Präzision ist das A und O in diesem Metier. «Wir arbeiten im Hochspannungsbereich. Da kann jeder Fehler tödlich sein», sagt der Firmengründer.
Doch zurück in die Anfangszeit. «Viele unserer Konkurrenten gaben uns maximal zwei Jahre, das hat uns zusätzlich motiviert», sagt Brunold. Die Arbeit nahm zu. Nach nur zwei Jahren haben die beiden Gründer einen Lehrling eingestellt, nach drei Jahren einen ersten Angestellten. Dieser ist heute noch im Betrieb tätig. Die Anfangszeit ist geprägt von langen Arbeitszeiten. «Aber ich verbrachte einfach Zeit mit einem guten Freund, das machte es einfacher.» Die Bestellungen wurden zahlreicher, es mussten mehr Leute eingestellt werden, vom Keller in Lenzburg ging es in einen Gewerbebau nach Bremgarten. «Anfangs nutzten wir nur einen kleinen Teil des Geschosses, inzwischen praktisch die ganze Etage. Und der Platz wird schon wieder knapp», erklärt Brunold.
Ob im Eis oder in der Hitze, die Geräte funktionieren
Ein Grund für den Erfolg: Die Messgeräte von Raytech sind komplett durchdacht. Die Aargauer Firma machte beispielsweise als Erste den Transport-Koffer zum Teil des Gerätes – zuvor musste man das Messgerät erst umständlich aus dem Koffer nehmen, um es anzuschliessen, und es danach wieder verstauen. Mit der neuen Form ist das Gerät weniger anfällig auf äussere Einflüsse. Zudem wurden die Geräte so entwickelt, dass sie mit allen Bedingungen zurechtkommen. «Sie müssen im Eis von Alaska ebenso funktionieren wie in der Hitze Indiens», so Brunold. Dazu kommen die grosse Präzision bei den Messergebnissen, die Langlebigkeit der Geräte und die Tatsache, dass sie fast unzerstörbar sind. «In den USA gibt es zwei Firmen, die unsere Geräte vermieten. Sie tun das, weil sie sicher sein können, dass sie bei der Rückgabe noch immer funktionieren», erklärt Brunold stolz.
Lange Zeit ging es nur aufwärts. Aber es gab auch Rückschläge, etwa die Wirtschaftskrise 2009. Sie traf auch die Raytech. «Für uns war klar: Wir entlassen niemanden, wir stehen das gemeinsam durch», berichtet Brunold. Er habe in dieser Zeit schon mal schlecht geschlafen, denn als Geschäftsinhaber und -führer hat man grosse Verantwortung. Zudem arbeiteten Kollegen und Freunde mit im Betrieb. Brunold und Schweizer wagten viel. Während andere Firmen die Produktion drosselten, investierten sie in dieser schwierigen Zeit. Als es nach der Krise wieder aufwärtsging, war die Raytech gut aufgestellt und konnte liefern. Zudem liess man die Kunden nicht hängen. Als man intern feststellte, dass bei einem Gerät eine Kabelverbindung nach Jahren zu Abweichungen führen kann, bot man allen Käufern gratis ein Austauschset an, obwohl die Garantiezeit längst abgelaufen war. Dies stärkte das Vertrauen in das Unternehmen.
«Diese Entwicklung unserer Firma hätten wir uns nie vorstellen können», gibt Brunold zu. «Wir wollten ein, zwei Geräte entwickeln. Heute setzen wir Marktimpulse, heute müssen andere nachziehen.» Er ist froh, seinen Betrieb in Zukunft in guten Händen zu wissen. Den Weg von Villmergen nach Bremgarten nimmt er aber nach wie vor gerne auf sich. Der Zürcher ist längst heimisch geworden im Freiamt, dies auch dank dem Eishockey – Brunold war früher Torhüter – und dank dem Theater. Der passionierte Schauspieler, Regisseur und Autor hat schon bei vielen Produktionen mitgemacht, aktuell ist er beim «Theater i de Schüür» in Fischbach-Göslikon engagiert. «Die Schauspielerei hat mir auch im Geschäftsleben geholfen. Man lernt, das Gegenüber besser zu lesen», schmunzelt er.
Wer sich selbstständig machen will, braucht Biss
Im Laufe seiner Geschäftstätigkeit hat er viel erlebt. Während Thomas Schweizer mehr der Tüftler war, stand Rolf Brunold oft an der Front. Hat seine Produkte in vielen Ländern vorgestellt, mit vielen Firmen verhandelt. Die Reisen in ferne Länder haben ihm zu einem vertieften Einblick in diese Welt verholfen. Und er konnte immer wieder feststellen, dass die Schweiz und ihre Produkte einen guten Ruf geniessen. Die mageren Jahre sind längst vorbei, auch wenn es ihm nie darum ging, möglichst viel Geld zu verdienen. «Wir wollten einfach möglichst gute Geräte entwickeln. Das war unser Antrieb», sagt der Villmerger.
Eine eigene Firma gründen? Ihm hat es den Erfolg gebracht. Würde er es auch anderen empfehlen? «Es kommt immer auf die Person an. Es braucht viel Biss und eine Idee oder ein Produkt, das sich abhebt von anderen. Es braucht Ausdauer und viel Willen. Man wird Fehler machen, ohne wird es nicht gehen. Und am Schluss braucht es auch immer etwas Glück», ist er überzeugt. Aber, fügt Brunold an und zitiert einen seiner früheren Eishockeytrainer, «man muss dem Glück auch eine Chance geben». Er hat es getan. Und das Glück hat ihn gefunden.
Die Serie
In der Sommerserie «Mein eigener Chef» oder «Meine eigene Chefin» porträtiert die Redaktion Menschen aus dem Freiamt, die sich selbstständig gemacht haben, ohne die Einmischung eines Vorgesetzten ihr eigenes Unternehmen führen und sich damit einen Traum erfüllten.