«Vielleicht in den Final, wer weiss»
28.06.2024 Sport, FussballDer Schiedsrichter-Experte
Der Freiämter Sascha Amhof
Er war früher selbst Spitzenschiedsrichter. Heute ist der 44-jährige Sascha Amhof aus Sarmenstorf der Leiter der Schweizer Schiedsrichter. Amhof ist zudem auch im Fernsehen ein bekanntes ...
Der Schiedsrichter-Experte
Der Freiämter Sascha Amhof
Er war früher selbst Spitzenschiedsrichter. Heute ist der 44-jährige Sascha Amhof aus Sarmenstorf der Leiter der Schweizer Schiedsrichter. Amhof ist zudem auch im Fernsehen ein bekanntes Gesicht. Besonders jetzt während der Europameisterschaft. Denn er ist Schiedsrichter-Experte im Schweizer Fernsehen. Im Interview spricht er über Probleme, wieso die bisherigen Schiedsrichterleistungen an der EM «zufriedenstellend» sind, welchen Trend er positiv findet und wieso er sich riesig auf das Spiel morgen Samstag (18 Uhr) der Schweiz gegen Italien freut. --spr
Der Freiämter Sascha Amhof tritt während der Europameisterschaft vor ein Millionenpublikum am TV
Sascha Amhof auf Sarmenstorf ist der Leiter der Schweizer Schiedsrichter. Der 44-Jährige ist zudem Schiri-Experte im Schweizer Fernsehen. Er spricht über Probleme, den VAR und wieso er sich riesig auf das Spiel der Schweiz gegen Italien freut.
Stefan Sprenger
Bei fast allen Livespielen beim Schweizer Fernsehen werden Sie als Experte zugeschaltet und Millionen Menschen sehen Sie und hören zu, was Sie als Schiri-Experte zu sagen haben. Ist das komisch?
Sascha Amhof: (Lacht.) Manchmal. Es ist nicht das erste Mal, dass ich das mache. Deshalb habe ich mich auch ein bisschen daran gewöhnt. Es macht mir aber grossen Spass, meine Gilde zu repräsentieren, einzuordnen und über diesen wunderbaren Saport zu diskutieren. Und es ist auch gute Werbung für unseren Beruf. Trotzdem: Je weniger ich zugeschaltet werde, umso besser.
Wieso?
Weil dies bedeutet, dass die Schiedsrichter eine tadellose Leistung zeigen. Nach wie vor gilt: Wenn der Schiedsrichter nach dem Spiel kein Thema ist, hat er einen guten Job gemacht.
Und machen die Schiedsrichter an der aktuellen Europameisterschaft in Deutschland einen guten Job?
Ich finde ja. Natürlich gibt es immer Szenen, die man diskutieren kann. Der Video Assistant Referee – auch VAR genannt – hat oftmals an wichtigen Stellen interveniert. Perfekt ist es nicht, aber ziemlich gut. Ich glaube, man darf zufrieden sein mit den bisherigen Leistungen der Schiedsrichter.
Es gab von der UEFA einige Neuerungen. Beispielsweise darf nur noch der Captain mit dem Schiedsrichter kommunizieren. Was halten Sie davon?
Das finde ich sehr gut und positiv. Denn es gibt kaum Unsportlichkeiten oder Schwalben. Und es gibt eigentlich nie eine Rudelbildung. Das hat alles mit diesem Entscheid und auch mit dem VAR zu tun, glaube ich. Es geht wieder mehr um den Spielfluss und um den Fussball. Diese Konstruktivität ist ein toller Trend.
Wie beurteilen Sie die Leistung von Sandro Schärer? Er ist ja der erste Schweizer Schiedsrichter, der seit 2010 an einer WM oder EM dabei ist.
Genau. Und das ist für mich als Leiter des Ressorts Schiedsrichter des schweizerischen Fussballverbandes natürlich ein Grund zu Freude. Sandro Schärer leitete die Partien von Slowenien gegen Dänemark und Portugal gegen Georgien und er war kein Thema. Das heisst, er hat einen guten Job gemacht. Seine Erfahrung, die er an der EM sammelt, wird er auch an die Schweizer Schiedsrichter weitergeben und es ist in vielerlei Hinsicht eine tolle Sache. Und vielleicht kriegt er noch ein weiteres Spiel an der EM.
Wie geht es den Schweizer Schiedsrichtern heutzutage? Eine Zeit lang herrschte ja starker Mangel und es hiess, man müsse Spiele absagen, weil es zu wenig Schiedsrichter gibt.
Im letzten Jahr haben wir die Rekrutierung neuer Kräfte verschärft. Der Internetauftritt www.werdeschiri.ch wurde aktualisiert, wir führten die «week of the referee» ein, wie sind mit Informationsständen an diversen Spielen und Anlässen. Und das alles hat zu einem positiven Trend geführt. Es sind wieder mehr Anmeldungen gekommen. Früher meldeten sich rund 10 Menschen pro Monat an, um möglicherweise diesen wichtigen Job auszuführen, heute sind es monatlich jeweils zwischen 30 und 40 potenzielle Neu-Schiedsrichter. Das macht schon Spass. Und da spielen solche Aushängeschilder wie Sandro Schärer auch eine wichtige Rolle. Durch seine Erfolge hat man Antrieb, ein Vorbild.
Also hat die Schweiz genügend Schiedsrichter für die Zukunft?
Zu viele Schiedsrichter kann es nicht geben. Es braucht nach wie vor neue Leute. Wenn an der Basis genug Quantität ist, so ist mittel- und langfristig auch genug Qualität an der Spitze. Und dann werden nach Sandro Schärer hoffentlich auch bei den nächsten grossen Turnieren Schweizer Unparteiische dabei sein.
2025 ist die Frauenfussball-EM – es wird auch in der Schweiz gespielt. Wie ist unser Land bei den weiblichen Schiedsrichterinnen aufgestellt?
Im Freiamt sehr gut. Mit Belinda
Pierre Brem, Susanne Küng und Michèle Schmölzer haben wir gleich drei Top-Schiedsrichterinnen aus der Region. Wenn man es auf nationaler Ebene anschaut, könnte es besser sein. Mit Esther Staubli hat das Aushängeschild seinen Rücktritt gegeben und da haben wir klar eine Leaderin verloren. Und von total 4800 Schiedsrichtern in der Schweiz sind gerade mal 122 Frauen.
Das ist wenig.
Deshalb versuchen wir auch an der Heim-EM neue Schiedsrichterinnen zu finden und für diesen wichtigen Job zu begeistern. Frauen können das genauso gut wie Männer. Wir sind da voll dran, Kampagnen aufzubauen, und wollen da unbedingt Gas geben und diese Chance nutzen. Es ist nicht oft der Fall, dass man in der Schweiz Gastgeber eines solch grossen Turniers ist.
Wirken Sie auch sonst bei der EM 2025 in Basel mit?
Wir unterstützen die UEFA eng in Sachen Schiri-Betreuung. Organisation, Übernachtung, Reisetipps. Da wirke ich mit, ja.
Morgen Samstag spielt die Schweiz gegen Italien. Ihre Prognose?
Ich bin da als Schiedsrichter zurückhaltend und berufe mich auf meine Neutralität (lacht).
Aber Sie sind doch auch Schweizer und fiebern als Liebhaber dieses Sports doch bestimmt mit?
Natürlich. Wenn die Schweizer Nati spielt, dann ist auch bei mir die Neutralität etwas weg.
Also: Wird die Schweiz Europameister?
(Lacht.) Ich sage es so: Was für unseren Schiedsrichter Sandro Schärer gilt, das gilt auch für die Schweizer Nati: Alles ist möglich. Man sollte von Spiel zu Spiel schauen, positive Gefühle aufbauen und sich nicht nervös machen lassen. Schärer zeigte bislang Hammer-Leistungen, die Nati gegen Deutschland ebenfalls. Vielleicht reicht es in den Final, wer weiss.
Für Schärer oder die Nati?
(Lacht.) Für beide sicher nicht. Ich freue mich jedenfalls auf ein richtig tolles Spiel gegen Italien. Das wird eine Hammer-Partie.
Sie sind 44 Jahre alt, zweifacher Familienvater, Leiter des Ressorts Schiedsrichter beim SFV und Experte beim SRF. Was haben Sie noch für Pläne?
Meine Stellung behalten (lacht). Mein Leben und mein Job machen mir Spass, ich bin glücklich. Man sollte im Leben auch zufrieden sein, wenn man happy ist. Ich freue mich riesig auf die Heim-EM und auch auf die weiteren Aufgaben, die danach noch folgen. Ich habe durch meinen Job beim Verband ein riesiges Privileg. Ich kann das tun, was ich liebe. Und das schätze ich sehr.
Aber Schiedsrichter werden doch oft auch angegriffen und verunglimpft, wenn sie mal eine Fehlentscheidung fällen. Stört Sie das nicht?
Das wird wohl immer so bleiben, aber es geht stetig voran. Wir Schiedsrichter versuchen immer, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Das nimmt schon viel Zündstoff weg. Der Umgang mit den Schiedsrichtern wird – so glaube ich – ein wenig besser.
Ausser der Schiedsrichter leistet sich einen Fehler.
In der letzten Saison in der Super League gab es einzelne Fälle, die uns unzufrieden zurückgelassen haben. Fehlentscheide, mangelnde VAR-Kommunikation. Aber über die ganze Saison hinweg betrachtet, war es richtig stark. Kritik gehört eben zu diesem Job dazu. Etwas mehr Akzeptanz wäre aber natürlich wünschenswert. Denn ohne Schiedsrichter gibt es kein Fussballspiel. Egal ob an einem Grümpelturnier oder an einer EM. Am Ende wollen Fans, Spieler und Schiedsrichter alle dasselbe: diesen wunderbaren Sport Fussball erleben.