Viel Leben im Schulzimmer
30.07.2024 MuriNach 28 Jahren ist Schluss
Dieter Güntert verlässt die Bez Muri
Zig Bez-Schülerinnen und -Schülern hat Dieter Güntert Biologie, Geografie, Informatik und Mathematik nähergebracht. Und dies immer mit sehr viel Praxisbezug. ...
Nach 28 Jahren ist Schluss
Dieter Güntert verlässt die Bez Muri
Zig Bez-Schülerinnen und -Schülern hat Dieter Güntert Biologie, Geografie, Informatik und Mathematik nähergebracht. Und dies immer mit sehr viel Praxisbezug. Unvergessen sind für viele seine Terrarien und Aquarien im Schulzimmer und vor allem deren Bewohner. Dieter Güntert blickt zurück auf fast drei Jahrzehnte und voraus auf sein neues Leben in Spanien. --ake
Nach 28 Jahren als Lehrer verlässt Dieter Güntert die Bezirksschule Muri
Seine Leidenschaft für Mathematik, Biologie und Informatik an die Schülerinnen und Schüler vermitteln, das hat Dieter Güntert 28 Jahre lang gemacht. Nun lässt er sich frühpensionieren und wandert nach Spanien aus. «Ich war all die Zeit gerne Lehrer», betont der Villmerger.
Annemarie Keusch
Noch weiss Dieter Güntert gar nicht, wie schwer ihm der Abschied von der Bezirksschule Muri fiel. Schliesslich sind Sommerferien, wie nach jedem Schuljahr. «Ich bin noch gar nicht im Pensionsmodus», sagt er. Richtig realisieren werde er das alles erst, wenn das neue Schuljahr startet. «Aber ja, Wehmut ist schon dabei, schliesslich habe ich das knapp 30 Jahre immer gerne gemacht, trotz Höhen und Tiefen.» Und viel Zeit, um über seinen Abschied nachzudenken, hat er schliesslich auch nicht. Das Haus will aufgeräumt sein, die ganzen Habseligkeiten verstaut. Ende September wandert Güntert mit seiner Frau nach Malaga aus. «Sie lebte nun seit 2005 mit mir hier, jetzt ziehen wir in ihre Heimat», sagt Güntert. Er freue sich, auch wenn die Ungewissheit mitschwingt. «Bisher kenne ich den Ort und unsere Wohnung dort einzig als Ferienlokalität.»
Es sind viele Veränderungen auf einmal, die Dieter Güntert gerade erlebt. Und er hat damit einiges zu tun. Für die Karpfen im Teich muss er neue Besitzer finden, genauso, wie er es für die vielen Tiere in seinem Schulzimmer tun musste. «Zum Glück übernehmen Lehrerkolleginnen und -kollegen die meisten», sagt er und lacht. Wenige Tiere sind das nicht. Kronen- und Leopardengeckos, Phelsumen, Halsbandleguane, Schlammspringer, Malawi-Maulbrüter. Letztere begleiteten ihn über die ganzen 28 Jahre an der Bez Muri. «Damals übernahm ich ein Teil eines Schwarms eines Wohler Bez-Lehrers», erklärt Güntert. Die Tiere im Biologieunterricht einzubauen, das hat ihm immer grosse Freude bereitet. «So konnte ich die Neugier der Schülerinnen und Schüler auf eine andere, ganz praktische Art wecken.» Betreut hat er diese Tiere übrigens nicht alleine. Über all die Jahre bildeten Schülerinnen und Schüler ein Tierfütterungsteam. Füttern, kontrollieren, putzen – alles gehörte dazu. «Toll, dass das immer so funktioniert hat, und gar nicht selbstverständlich.»
Stammt aus Lehrer-Familie
Und die Tiere haben für Action gesorgt. Vor allem wenn sie ausbüxten. Güntert erinnert sich an einen Workshop, der im Rahmen von «Let’s Bez» stattfand, als eine Abschaffung der Bezirksschule politisch thematisiert wurde. «Wir hatten damals Schlangeneier ausgebrütet und hatten 14 Schuhbändel-kleine Schlangen. Am Ende des Tages fehlten deren sieben. Fast alle fanden wir aber wieder, ob in den Pantoffeln in der Hauswartswohnung oder im Hauswirtschaftszimmer.» Heute kann der passionierte Lehrer darüber lachen. Auch über die Geschichte, als die Schildkröten im Aquarium Steine so umherschoben, dass diese das Aquarium beschädigten. «700 Liter Wasser liefen aus, das ganze Schulzimmer stand unter Wasser.»
Das war damals noch im benachbarten Schulhaus, als Güntert Real-Lehrer war. Dass er einen pädagogischen Weg einschlagen würde, war für den gebürtigen Wohler immer klar. «Schon als Leiter in der Jungwacht spürte ich, dass mir der Umgang mit Kindern Spass macht», sagt er. Zudem stammt er aus einer Lehrer-Familie. Sein Vater unterrichtete, seine Mutter gab Religionsunterricht, sein Bruder war Lehrer, seine Schwester ist Kindergärtnerin und Religionslehrerin.
Geografie für Natur und Technik aufgegeben
Mathematik, Geografie, Informatik und Biologie faszinierten ihn am meisten und wurden seine Unterrichtsfächer. «Das Wissen über Themen weitergeben, die mich selber interessieren», fasst Güntert zusammen. Sein Garten beim Haus in Villmergen ist eine grüne Oase. Das Reisen eines seiner grössten Hobbys. Die Faszination für Technik gross. Mittlerweile heissen die Fächer anders: Medien und Informatik und Natur und Technik. Letzteres umfasst die Themenbereiche Biologie, Chemie und Physik. Seit der Einführung des Lehrplans 21 ist das so. «Das war eine neue Herausforderung, neue Themengebiete. Wir haben uns als Fachteam geeinigt, dass wir alle alles unterrichten. Das brauchte einiges an Vorbereitung, an Planung, an Absprachen, aber es funktioniert gut», sagt Güntert.
Zwei Jahre in Auw, zwei Jahre in Muri, dazwischen das Studium an der Uni Zürich, dann 28 Jahre an der Bezirksschule Muri. Güntert hat während all der Zeit viele Veränderungen miterlebt – in den Fächern, aber auch organisatorischer Natur. «Gute und schlechte», sagt er und grinst. Dass die Schnapsmatrize längst der digitalen Welt gewichen ist, mache vieles einfacher. Die Einführung der Schulleitung hingegen sei nicht von Anfang an glücklich gewesen. «Mitterweile läuft auch dies sehr gut. Trotz dem zusätzlichen Aufwand für Lehrpersonen wird an unserer Schule ganz vieles pragmatisch gelöst.» Er ist überzeugt, dass die Bez Muri gut unterwegs sei. «Es ist eine strenge, aber gute Schule.»
Stets gutes Team
Auch die Lernlandschaften, in denen sich die Schülerinnen und Schüler vieles selber beibringen und nur bei Bedarf Hilfe bei der Lehrperson holen, überzeugen ihn nicht. «Dafür sind die Jugendlichen noch zu wenig weit in der Entwicklung. Sie brauchen Unterstützung, Leitlinien, gestaltete Unterrichtsstunden», ist der Lehrer überzeugt. Und auch ihm als Lehrperson sei die Lehrfreiheit besonders wichtig. «Viele Lehrerinnen und Lehrer haben andere Methoden, ans Ziel führen ganz viele davon.»
Was er mit dem Wechsel zum Lehrplan 21 vermisst, ist die Vielfalt an Freifächern. «Früher genossen wir hierbei grosse Freiheiten.» Güntert denkt an die Biologie-Exkursionen, an die Praktika. «Beides war sehr beliebt.» Was in all den Jahren dagegen konstant war: das gute Team. «Klar, im Klassenzimmer ist der Lehrer ein Einzelkämpfer, ein gutes Team im Hintergrund ermöglicht es aber erst, sich völlig zu entfalten.»
Fünf Jahre vor eigentlicher Pensionierung
28 Jahre unterrichtete Dieter Güntert an der Bez Muri. Gerade im Bereich der Informatik arbeitete er intensiv an der Entwicklung der Schule mit. Zehn Klassen hat er als Klassenlehrer betreut. «Mir war es immer wichtig, die Jugendlichen auch auf persönlicher Ebene kennenzulernen, darum war ich sehr gerne Klassenlehrer», sagt er. Ausflüge gehörten auch dabei dazu, die Verbindung zum Unterricht fehlte kaum. Ein Beispiel? «Wir haben miteinander im Wald Poulet grilliert, die Knochen gesammelt und im Unterricht wieder zu einem Skelett zusammengesetzt.»
Nun ist also Schluss. Fünf Jahre vor der eigentlichen Pensionierung. «Das war ursprünglich nicht so geplant», gesteht Dieter Güntert. Sein Bruder hörte ebenfalls mit 60 Jahren auf zu arbeiten. «Da dachte ich mir: Er hat recht.» Und auch wenn sein Entscheid an der Bez Muri viel Bedauern auslöst, kommentierts Dieter Güntert pragmatisch: «Alle sind ersetzbar.»