Unnötig für Ärger gesorgt
31.10.2023 Niederwil, Region UnterfreiamtÄrger in Niederwil
Die Niederwiler Ortsbürger haben vor zwei Wochen deutlich Ja gesagt zu einem Liegenschaftskauf. Nun aber droht ein Referendum. Denn im Vorfeld konnten die Ortsbürger praktisch keine Unterlagen einsehen.
Teile der ...
Ärger in Niederwil
Die Niederwiler Ortsbürger haben vor zwei Wochen deutlich Ja gesagt zu einem Liegenschaftskauf. Nun aber droht ein Referendum. Denn im Vorfeld konnten die Ortsbürger praktisch keine Unterlagen einsehen.
Teile der Niederwiler Ortsbürger kritisieren Gemeinderat wegen fehlender Akten
Die Niederwiler Ortsbürger haben an der ausserordentlichen «Gmeind» den Kauf der Liegenschaft Schulstrasse 1 genehmigt. Vorausgegangen ist eine teilweise gehässige Diskussion. Auch zwei Wochen später haben sich die Gemüter nicht beruhigt.
Chregi Hansen
Der Entscheid fiel relativ deutlich. Mit 35 Ja zu 18 Nein genehmigten die Niederwiler Ortsbürger einen Kredit von 895 000 Franken für den Kauf der Liegenschaft Schulhausstrasse 1. Gut möglich aber, dass die Ortsbürger nochmals darüber abstimmen müssen. Ein Teil der Ortsbürger überlegt sich ein Referendum. Der Entscheid dazu soll in den kommenden Tagen fallen.
Grund dafür ist die Aktenauflage im Vorfeld der «Gmeind». Respektive die fehlenden Akten. Aufgelegt war auf der Kanzlei lediglich der Vertragsentwurf für den Kauf. «Das kann es doch nicht sein, der Vertrag nützt nichts», sagt SVP-Präsident und Ortsbürger Adrian Gratwohl. Er hat sich darum im Vorfeld auf der Gemeindekanzlei um weitere Unterlagen bemüht. Vergeblich. Erst auf wiederholtes Nachhaken wurde ihm ein neunseitiger Bericht eines Planungsbüros ausgehändigt. Darin waren nur Angaben zum Zustand der Liegenschaft. «Ich war vermutlich der einzige Ortsbürger mit diesen Informationen, das ist nicht in Ordnung», sagt Gratwohl heute.
Vollständigen Bericht erst im Nachhinein erhalten
Inzwischen ist sein Ärger noch grösser. Denn heute weiss er, dass diese neun Seiten nur ein kleiner Teil aus einem viel umfangreicheren Planungsbericht sind. Der vollständige wurde ihm nach der «Gmeind» von Ammann Norbert Ender erst auf Nachfrage übergeben. «Darin steht alles, was wir im Vorfeld hätten wissen müssen. Inklusive Bilder aus der Liegenschaft. Hinweise zum Sanierungsbedarf. Und Überlegungen zur künftigen Nutzung», berichtet Gratwohl. Gerade Letzteres macht ihn besonders sauer. Denn die künftige Nutzung war ein Thema an der Versammlung. «Der Gemeinderat verschwieg, weitere Überlegungen gemacht zu haben, ausser den Abklärungen bezüglich Gemeindehaus. Ich frage mich, warum verschwieg er dies den Ortsbürgern», so der SVP-Präsident.
Fehlende Transparenz
Unterstützung findet er bei Ortsbürger Hanspeter Stutz. Auch dieser kann nicht verstehen, dass die Akten nicht zugänglich waren. «Es geht um viel Geld, welches die Ortsbürger hier gesprochen haben. Da sollten wir doch wissen, was mit dem Geld passiert», sagt er. Die beiden haben den Verdacht, dass es beim Kauf vor allem darum ging, auf dem Grundstück später eine Gartenterrasse und Parkplätze für das Restaurant «Kreuz» zu erstellen. Dies, weil die Gemeinde den Dorfplatz neu gestalten will. Eine entsprechende Frage an der «Gmeind» wurde aber abschlägig beantwortet. Jetzt sieht man, dass im Bericht genau diese Variante erarbeitet wurde. «Das macht durchaus Sinn», so Gratwohl, «aber das soll man offen und ehrlich aufzeigen.»
Gratwohl und Stutz geht es weniger um den Entscheid selbst als um die fehlenden Akten im Vorfeld. «Ich sage nicht, dass die Ortsbürger den Kauf abgelehnt hätten in Kenntnis aller Informationen», betont Gratwohl. Aber sie hätten Anrecht darauf gehabt. Beide sind auch überzeugt, dass die Sicherung der Parzelle im Zentrum sicher Sinn macht. «Aber eigentlich wäre das die Aufgabe der Einwohnergemeinde, nicht der Ortsbürger. Wir haben andere Aufgaben», betont Hanspeter Stutz. Und es geht um die fehlende Transparenz. «Jedes noch so kleine Geschäft hat in der Auflage mehr Unterlagen als dieses Traktandum, obwohl er hier um fast eine Million Franken geht», so Gratwohl.
Verständnis für Unmut
«Diese Kritik ist berechtigt. Ich ärgere mich selber über dieses Versäumnis», gibt Gemeindeammann Norbert Ender auf Anfrage zu. Er hat sich auch schon persönlich bei Adrian Gratwohl entschuldigt. Das ganze Geschäft sei relativ schnell über die Bühne gegangen, man habe der Aktenauflage zu wenig Gewicht beigemessen. «Mir selber wurde dies erst beim Apéro nach der Versammlung klar, als mich Adrian Gratwohl darauf ansprach. Darum habe ich ihm den gesamten Bericht persönlich vorbeigebracht und mich entschuldigt», erklärt er weiter. Und er nimmt die Kanzlei in Schutz, die Gratwohl zuerst keine Akten ausgehändigt hat. «Es gab keinen Beschluss im Gemeinderat darüber. Darum musste die Kanzlei erst rückfragen.»
Ender versteht den Unmut bei Teilen der Ortsbürger. Es sei aber nicht Absicht gewesen, Information zu unterschlagen. «Ich bin immer für volle Transparenz», betont der Ammann. Rückblickend kann er sich vorstellen, dass die Diskussion sachlicher und weniger emotional verlaufen wäre, hätten alle vorher schon die Infos gehabt. Letztlich glaubt er aber nicht, dass der Entscheid anders ausgefallen wäre, denn die Fragen konnten durch den anwesenden Architekten beantwortet werden. «Das Resultat war deutlich», betont er. «Aber es bleibt dabei: Wir haben einen Fehler gemacht», gibt er zu.
Gleichzeitig wehrt sich Norbert Ender gegen den Vorwurf, dass dies eigentlich ein Geschäft für die Einwohnergemeinde gewesen wäre. Man habe dies im Gemeinderat ausgiebig diskutiert. «Die Einwohnergemeinde hat aber andere Aufgaben», erklärt Ender. Aktuell beispielsweise den geplanten Kauf der Peterhanswiese. Mit ihrem Ja würden die Ortsbürger aber einen wertvollen Beitrag bei der Weiterentwicklung des Dorfes leisten können, so Ender, der selbst Ortsbürger ist.
Die ganze Diskussion zeige aber, dass man die Ortsbürger in Zukunft besser einbinden muss. Aktuell gibt es in Niederwil keine Ortsbürgerkommission, ihre Geschäfte werden vom Gemeinderat vertreten. «Bisher gab es kein Bedürfnis für eine solche Kommission», erklärt Ender. Bei der geplanten Sanierung der Waldhütte wurde jetzt aber eine spezielle Kommission eingerichtet. «Es macht Sinn, wenn dies auch bei anderen Themen der Fall ist», so die Überzeugung des Gemeindeammanns. Dann würde sich vermutlich solcher Ärger vermeiden lassen.