Traum von der weiten Welt
07.05.2024 MuriDas Energie Forum Muri hat an einer kleinen Messe nachhaltige Ferieninspirationen vermittelt
Klimafreundlich die Welt erkunden. Darum ging es an der kleinen Messe «Reisen mal anders», zu der das Energie Forum ins Kino Mansarde eingeladen hat. Höhepunkt war ...
Das Energie Forum Muri hat an einer kleinen Messe nachhaltige Ferieninspirationen vermittelt
Klimafreundlich die Welt erkunden. Darum ging es an der kleinen Messe «Reisen mal anders», zu der das Energie Forum ins Kino Mansarde eingeladen hat. Höhepunkt war der Erlebnisbericht des lokalen Solarvelo-Abenteurers Pirmin Bütler.
Thomas Stöckli
Eigentlich wollte er mit dem Solarvelo bis nach China. 2019 hörte Pirmin Bütler von der Herausforderung «Sun Trip», einem Solarvelo-Rennen von Lyon (Frankreich) nach Guangzhou an der Chinesischen Pazifikküste. Mit seinem Vater Paul tüftelte er in dessen Hobbyraum in Muri an einem Gefährt für diese Herausforderung: Ein E-Bike mit Solarpanel-Anhänger. Bis dann etwas Unerwartetes das Projekt ausbremste. «Das Problem mit dem Virus», wie Pirmin Bütler unaufgeregt festhält.
Vielfalt vor der Haustür
Mit dem Referat des jungen Murianers, der mittlerweile im Luzernischen lebt, lancierte das Energie Forum Muri seine Ferienmesse. Für dieses Jahr hat es sich die Mobilität zum Leitthema gesetzt. Dazu gehört das Reiseverhalten. Und wer da über Nachhaltigkeit sinniert, ist schon bald bei der zurückzulegenden Distanz. Genau da setzt der Reiseführer von Karin Rey und Maja Haus an. Wer sich den Creux du Van bei Sonnenaufgang vor Augen führt, könnte sich im Grand Canyon wähnen. Der Fujiyama in Japan erinnert stark an den Niesen, der Vatnajökull in Island sieht aus wie der Zinalgletscher im Wallis und der Zuckerhut in Rio de Janeiro findet sein Pendant im San Salvatore ob Lugano.
Weshalb also weit reisen, wenn sich doch die Schönheit der Welt vor der Tür zeigt? Mit dieser Überlegung haben die beiden Frauen einen Reiseführer herausgegeben, mit Wanderungen an solche Orte, die den Vergleich mit ihrem grossen internationalen Gegenstück kaum zu scheuen brauchen. «So lassen sich Zeit und CO2 einsparen», sagt Co-Autorin Maja Haus, die am Anlass in Muri ihren Wanderführer vorstellt.
Muskelkraft statt Motor
Nebst der Distanz spielt natürlich auch die Wahl des Fortbewegungsmittels eine entscheidende Rolle. Zug statt Flug, lautet etwa eine Maxime. Oder noch besser: Muskelkraft statt Motor. Pirmin Bütler hat das Veloreisen vor zehn Jahren für sich entdeckt. Mit zwei Kollegen radelte er damals bis nach Zagreb. Rückblickend bezeichnet er das damalige Erlebnis als «Erleuchtung»: «Auf Veloreise hat man das perfekte Tempo: Man kommt voran und ist doch stark mit der Umgebung verbunden.»
Obwohl klar war, dass der «Sun Trip» in der geplanten Form nicht würde stattfinden können, lief im Hobbyraum der Familie Bütler die Entwicklung weiter. Die Prototypen testete man dann Ende 2019, Anfang 2020 in Muri und Umgebung. «Wir haben uns Schritt für Schritt angenähert», blickt Bütler zurück. Im Mai 2020 stand als erster Belastungstest eine Fahrt nach Kalabrien auf dem Programm, der Heimat seiner damaligen Partnerin Alessandra Sorrentino. «Schon den Gotthard hinunter fing der Anhänger an zu schwingen», beschreibt der Abenteurer die ersten Erfahrungen. Weiter zeigte sich, dass die verbaute Leistung zu schwach war und die ganze Konstruktion zu schwer, was sich auf den Verschleiss auswirkte: «Wir mussten 13-mal Speichen wechseln», resümiert Pirmin Bütler. Entsprechend tüftelte sein Vater weiter. Diesmal wurden leichte Cargovelos als Grundlage gewählt. Sie bieten Platz für ein zusätzliches Panel, womit die Leistung von 280 auf 420 Watt erhöht werden konnte. Weiter wurden speziell robuste Felgen verbaut.
Europa-Umrundung statt China
Als Alternative zu China hatten die Veranstalter des «Sun Trip» inzwischen eine alternative Route rund um Europa auf die Beine gestellt. Dafür konnten sich auch Pirmin Bütler und seine Partnerin begeistern. Die Abenteuerreise startete in Brüssel. 30 Teams fanden sich dort im Juni 2021 ein, manche sehr ambitioniert, bei anderen stand die Teilnahme im Mittelpunkt. Den ersten Tag seien sie gemütlich angegangen, blickt Pirmin Bütler zurück. Am zweiten Tag fand das junge Paar dann in den Rennmodus.
Unterwegs zum ersten Checkpoint in Riga spielte das Wetter nicht mit, entsprechend bescheiden fiel die Stromunterstützung aus. In Erinnerung bleiben die spannenden Begegnungen in Osteuropa, auch auf dem Weg in Richtung Schwarzes Meer, wo in Constanta der zweite Checkpoint angesteuert wurde. Der nächste Fixpunkt war dann das Stilfser Joch. Über 48 Kehren geht es hier auf 2757 Meter über Meer hoch. Anschliessend zeigte sich durch die Lombardei die Sonne als kräftige Unterstützerin. Die Landschaft änderte sich, es ging durch Lavendelfelder in Frankreich, dann durch Olivenbaum-Plantagen in Spanien. Und schliesslich nach sechs Wochen in der Sierra Nevada auf den 3398 Meter hohen Pico di Veleta. Die Ankunft in Porto beschreibt Bütler dann als Wendepunkt: «Ab jetzt ging es wieder retour.» Nach 61 Tagen traf der Murianer schliesslich als Fünfter am Ziel in Lyon ein.
Projekt im Hinterkopf
Was würde er heute anders machen? «Eine Federung wäre nicht schlecht», merkt der Abenteurer an. Auf die Reise sei erst mal eine grosse Leere gefolgt. Mittlerweile hat er allerdings ein nächstes Projekt im Hinterkopf: mit dem Velo in den Kaukasus und dort den 5642 Meter hohen Elbrus besteigen, der je nach Definition als höchster Berg des Kontinents Europa gilt. Doch auch hier steht ihm die Aktualität im Weg: Der Berg liegt im kriegstreibenden Russland. Als Alternative komme deshalb auch der Pik Lenin in Kirgistan infrage. Mit 7134 Metern ist der sogar noch einiges höher.
Wie man es ohne Flugzeug und grosses Budget gar um den ganzen Globus schafft, davon konnten sich die Besucher im Kinosaal ein Bild machen. Zum Abschluss der kleinen Ferienmesse wurde hier der Film «Weit – ein Weg um die Welt» gezeigt. Dabei reist ein junges Paar aus Deutschland, aus dem im Laufe der Dokumentation eine Familie wird, mit minimalem Budget durch die Welt.
Mehrheitstaugliche Alternativen
Sowohl der Vortrag als auch der Film zeigten aussergewöhnliche Arten zu reisen, wie sie wohl für den Grossteil der Bevölkerung nicht infrage kommen. Wie mehrheitstaugliche Formen von nachhaltigerem Reisen aussehen könnten, dazu vermittelt das Reisebüro EuroShuttle an seinem Stand einige Ideen. Es geht es um Kreativferien mit Malkursen, um Aktivferien mit Biken und Wandern, um exklusive Genussferien auf dem Katamaran im Mittelmeer. Da wäre zwar noch die Anreise zu klären, aber immerhin sei man mit Windenergie unterwegs, führt Reiseberaterin Tanja Topic aus, zudem reduziere die Konstruktion des Bootes im Vergleich zu herkömmlichen Segelschiffen die Schaukelbewegungen und das Deck biete viel mehr Liegefläche.
Zwischen Nachhaltigkeit und Reisen bleibt ein Widerspruch. Aber einer, der sich reduzieren lässt.