Traum in Athen
21.11.2025 Kunst, Region UnterfreiamtIn Athen aufgeblüht
Freiämterin Bianca Bauer mit einem aussergewöhnlichen Kunstprojekt
Ein Schicksalsschlag öffnet für Bianca Bauer ein neues Kapitel in ihrer kuratorischen Arbeit.
Stefan ...
In Athen aufgeblüht
Freiämterin Bianca Bauer mit einem aussergewöhnlichen Kunstprojekt
Ein Schicksalsschlag öffnet für Bianca Bauer ein neues Kapitel in ihrer kuratorischen Arbeit.
Stefan Sprenger
Sie ist ein weltoffenes Multitalent. Die 36-jährige Bianca Bauer hat in ihrem Leben schon einiges gemacht. In jungen Jahren wurde sie in einer TV-Show zum Schweizer «Supermodel» gekürt, arbeitet im Modelbusiness und als Schauspielerin, lebt drei Jahre in New York, wo sie Theater studiert. Sie bewegt sich zwischen verschiedenen Kunstformen – und bringt zugleich operative und strategische Fähigkeiten mit. So war sie unter anderem in der Kommunikationsabteilung der Zürcher Hochschule der Künste tätig und leitete danach das Kirchner-Museum in Davos. Ihre kreative Seite und ihre Führungsqualitäten prägen ihr Leben und ihre Tätigkeit. Und schliesslich bringt ein Schicksalsschlag sie auf einen neuen, mutigen Weg. Im Januar 2024 stirbt ihr Bruder unerwartet. Aus der Trauer entsteht Neues. Die Dintikerin folgt ihrem Herzen, ihrer Intuition. Es zieht sie nach Griechenland. Dort hat sie vor wenigen Wochen die «Ruby Art – Gallery» eröffnet. Mit diesem Projekt will sie eine Kunst-Brücke schaffen zwischen der Schweiz und Griechenland, zwischen den Alpen und der Ägäis. Und Bianca Bauer blüht in Athen so richtig auf.
Die Freiämterin Bianca Bauer und ihre Geschichte, wie sie in Athen eine kuratorische Brücke zur Schweiz schlägt
Tod. Mut. Neuanfang. Die letzten 12 Monate waren für Bianca Bauer prägend. Die Dintikerin, die 2008 durch ihren «Supermodel»-Sieg international unterwegs war, hat in Athen ihren eigenen Kunstraum eröffnet. «Ich habe auf mein Herz gehört», sagt die 36-Jährige.
Stefan Sprenger
«Ruby Art» heisst ihre Kunst-Plattform. Doch es ist für Bianca Bauer quasi eine Lebenshaltung. «Alles entstand aus einem Moment radikaler Veränderung», sagt sie. Jener Moment der Veränderung war im Januar 2024. Ihr Bruder stirbt. Jung. Unerwartet. «Das hat alles verändert», erinnert sie sich zurück. 2024 ist geprägt von Trauer über den riesigen Verlust. Am Ende des Jahres fällt sie einen Entscheid. «Ruby Art», eine Vision, die sich entwickelt. Sie will eine Brücke schlagen von den Alpen zur Ägäis. Und diese Vision verfolgt sie unerbittlich und ehrgeizig. «Was als Moment der Trauer über den Tod meines Bruders begann, wurde zu einer kuratorischen Praxis – geprägt von Intimität, Mut und Neuanfang.» Sie hat sich gesammelt, sie hat Pläne geschmiedet. Und entscheidet, mutig ihren Weg zu gehen. «Je länger ich am Konzept geschliffen hatte, desto mehr wurde mir klar, es ist realisierbar.»
«Supermodel»-Titel «hat mir Türen geöffnet»
Bianca Bauer ist weltoffen – und gleichzeitig heimatverbunden. Aufgewachsen ist sie in Dintikon. Dort, wo ihre Mutter auch heute noch lebt. «Ich bin an vielen Orten der Welt zu Hause. Aber nur dort sind meine Wurzeln», sagt sie. Hier, im Freiamt, sind die Erinnerungen an frühere Zeiten, an ihre Kindheit, ihre Eltern, ihre Geschwister und ihre Freunde. Es ist wohl kein Zufall, dass ihre zwei besten Freundinnen beide aus der Region stammen, aus Villmergen und Wohlen. «Wir sind gemeinsam aufgewachsen und haben uns gemeinsam weiterentwickelt», sagt Bauer.
Drei Jahre in New York
Und das, obwohl sie schon früh von zu Hause ausfliegt. Mit 19 Jahren zügelt sie nach Zürich. In jenem Jahr, 2008, wird die damalige KV-Stiftin auf dem Sender 3+ zum «Supermodel» gekürt. Die Show ist das Schweizer Pendant zu «Germany’s Next Topmodel». Nach Prüfungen wie Bungee-Jumping, Unterwasser-Shooting und dem Kontakt mit ekligen Tieren gewinnt sie die Casting-Sendung. «Es hat mir Türen geöffnet und mir ermöglicht, die Welt auch jenseits des Freiamts zu entdecken», wie sie heute erklärt. Sie fasst dadurch Fuss im Modelbusiness. In den Jahren danach modelt sie, arbeitet als Schauspielerin, lebt drei Jahre in New York, studiert dort Theater. Nach erfolgreichem Abschluss kehrt sie zurück in die Schweiz. Hier setzt sie nahtlos an – diesmal mit einem klaren Fokus auf ihre wirtschaftliche Seite. Sie arbeitet im Finanzsektor, macht den Bachelor in Unternehmenskommunikation.
«Schweiz ist Fundament, Griechenland Inspiration»
«Mit der Zeit wurde mir klar, dass meine kreative Seite und meine operative Kompetenz nicht getrennt voneinander existieren, sondern sich ideal ergänzen. Diese Verbindung wurde mir damals bewusst – und sie prägt meine Arbeit bis heute», erklärt die 36-Jährige. An der Zürcher Hochschule für Künste war sie als Kommunikationsverantwortliche tätig, bis sie im Sommer 2023 die Rolle als Geschäftsführerin des Kirchner-Museums in Davos übernahm. Sie war jedoch nur eine kurze Zeit in Davos und im Januar 2024 nimmt das Leben einen anderen Verlauf. Der Tod ihres Bruders, der alles verändert. Nach dem Verarbeitungsprozess liess sie sich leiten von ihrem Bauch, ihrem Herzen, «meiner Intuition», wie sie sagt. «Es zog mich nach Griechenland.» Das Land sei «schroffer, inspirierender und nicht so perfekt» wie die Schweiz. Aber: Sie schätzt ihre Heimat enorm. «Sicherheit. Organisation. Die Schweiz ist in vielen Dingen vorbildlich. Meine Basis.» Und so entscheidet sie sich, diese zwei Länder durch einen künstlerischen Raum miteinander zu verbinden. Für Bauer ist «Ruby Art» eine Brücke zwischen Griechenland und der Schweiz – zwischen zwei Städten, in denen sie lebt und die kaum unterschiedlicher sein könnten. «Ein länderübergreifendes kuratorisches Projekt, das Menschen aus beiden Ländern zusammenbringt. Ich verstehe meine Galerie als Ort, an dem Kunst nicht nur gezeigt, sondern ausgelotet wird. Aktuell geschieht das in Athen. Langfristig soll ein Standort in Zürich folgen.» Für jedes Projekt lädt Bauer Künstlerinnen und Künstler ein, zu einem thematischen Schwerpunkt neue Arbeiten zu entwickeln.
«Ich verstehe die Frustration»
«Für viele Menschen war es nicht nachvollziehbar, wieso ich dies in Griechenland machen will. Aber für mich ist es Licht, Energie und Geschichte. Die Schweiz ist mein Fundament, Griechenland meine Inspirationsquelle», sagt Bauer. Seit fast einem Jahr lebt sie zwischen Zürich und Athen, hat alles aufgegleist für ihre Galerie. Viel Zeit allein. Viel Arbeit. «Und bürokratisch gibt es in Athen grosse Hürden», sagt sie. Bauer, die stets Griechisch lernt, hat dabei nicht nur die sprachliche Barriere zu überwinden. «Die administrativen Dinge sind im Vergleich zur Schweiz hochkomplex und mühsam. Ich verstehe die Frustration der Griechen über ihr System.» Sie jammert aber nicht, «denn ich wusste ja ungefähr, worauf ich mich einlasse».
In den letzten Monaten sei vieles «Trial and Error» gewesen. Anders ausgedrückt: Verschiedene Wege austesten, um schliesslich den richtigen Ansatz zu finden. Und sie schafft es. Am 31. Oktober hat «Ruby Art – Gallery» eröffnet. Das Datum ist kein Zufall. Allerheiligen, Tag der Toten, Halloween. «Ruby Art beginnt dort, wo Verlust in Ausdruck mündet», sagt Bauer und schafft damit eine Brücke zu ihrer eigenen Geschichte.
200 Menschen bei Eröffnung
Oft habe sie Zweifel gehabt, ob ihre Vision auch greift. Viele Herausforderungen musste sie meistern. Viel Zeit hat sie investiert. Oft war es eine «One-Woman-Show», wie sie sagt. «Doch stets habe ich nur auf mein Herz gehört», sagt sie. Als sie im Athener Stadtteil Pangrati die perfekte Location für ihre Galerie fand, wusste sie: «Das fühlt sich richtig an. Das passt.» Bei der Eröffnung vor rund drei Wochen kommen 200 Menschen, gerechnet hat sie mit 50. «Es war rappelvoll, es gab viel gutes Feedback und es war berührend, dass meine Kuration und die Installation Anklang finden.»
Wie finanziert sich das?
Der Titel der ersten Ausstellung heisst «Nuances of the Night», umgesetzt von der griechischen Künstlerin Marilena Kranioti. Das Kunstwerk ist noch bis zum 30. November 2025 zu sehen. In ihrer Installation arbeitet Kranioti mit Metall, Licht, Klang und organischer Materie. «Sie verwandelt den Raum in ein stilles Übergangsritual – zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem. Ihr Werk denkt den Tod nicht als Ende, sondern als Schwelle, als Bewegung zwischen Auflösung und Wiederbeginn», erklärt Bauer. Auch das Thema ist kein Zufall. «Der Kreislauf des Lebens. Ich möchte den Menschen dieses Thema auf eine leichtere Art näherbringen, die den Raum für Gespräche öffnet und zudem den Zugang zu Kunst für alle ermöglicht.» Bislang hat Bianca Bauer alles aus eigener Tasche finanziert. Ein Risiko, das sie gerne eingeht. Bei «Ruby Art» gibt es die Möglichkeit, ein Stück der Ausstellung zu erwerben und mit nach Hause zu nehmen in Form von «Limited Editions». «Es ist ein Startpunkt, aber noch nicht das finale, tragende ökonomische Modell», wie sie erklärt. Und – so hat sie es mal angedacht – sie möchte in naher Zukunft in Zürich den zweiten physischen Raum eröffnen und so endgültig die Brücke zwischen Griechenland und der Schweiz, zwischen Ägäis und Alpen schlagen.
Im Dezember wird «Ruby Art» zur nächsten Ausstellung einladen. Nach dem Tod heisst das neue Thema: Träume. Kuratiert von einer Griechin, Katerina Leontidou, die seit 5 Jahren in Lenzburg lebt. Das Thema Traum passt perfekt. Denn auch Bianca Bauer hat – aus dem Tod ihres Bruders und der schmerzvollen Trauer – schliesslich ihren eigenen Traum verwirklicht.




