Traum erfüllt, Traum geplatzt
19.08.2025 Sport, FussballCupfest ohne Happy End
FC Wohlen unterliegt dem FC Aarau 1:3
Der FC Wohlen aus der 1. Liga bringt die Profis aus der Challenge League an den Rand einer Niederlage. Der FC Aarau bekundet vor 2223 Zuschauern in den Niedermatten grosse Mühe. Am Ende ...
Cupfest ohne Happy End
FC Wohlen unterliegt dem FC Aarau 1:3
Der FC Wohlen aus der 1. Liga bringt die Profis aus der Challenge League an den Rand einer Niederlage. Der FC Aarau bekundet vor 2223 Zuschauern in den Niedermatten grosse Mühe. Am Ende setzt sich der Favorit aber mit 1:3 durch. Das nötige Glück war auf Aarauer Seite. Es war ein Cupfest – ohne Happy End für Wohlen. «Auf dieser sehr guten Leistung können wir aufbauen. Nun müssen wir das auch in der Meisterschaft abrufen», sagt Captain Pnishi. Morgen Mittwoch folgt der Alltag im Heimspiel gegen Münsingen.
Schweizer Cup: FC Wohlen – FC Aarau 1:3 (1:1) – 17-Jähriger trifft, Goalie Bonorand spielt nicht
Die Geschichte wiederholt sich. Im letzten Cup-Krimi gegen Servette 2022 schiesst ein 17-Jähriger (Alessandro Vogt) das 1:0 für Wohlen. Nun trifft mit Luca Nascimento erneut ein 17-Jähriger. Für ihn geht ein kleiner Traum in Erfüllung. Jener Traum von Goalie Joël Bonorand platzt dagegen.
Stefan Sprenger
Es ist ein herrlich herausgespieltes Tor. 30. Minute. Der sackstarke Bijan Dalvand legt auf Javi Gabathuler, der sehenswert den Ball zur Mitte bringt. Dort steht Luca Nascimento, der aufspringt und spektakulär das Tor erzielt. 1:0 für Wohlen. Der Jubel ist riesig. Beim Team, bei den 2223 Zuschauern, bei Nascimento. Die Freiämter belohnen sich für ihre beeindruckende Startphase – in der sie das bessere Team sind.
Samstag: Tor vor 2000 Fans – Montag: KV-Lehre in Villmergen
Der 17-Jährige trifft für Wohlen in einem grossen Cupspiel. Die Geschichte wiederholt sich. Denn im November 2022 war es Alessandro Vogt, der gegen Servette Genf das 1:0 für Wohlen erzielte. Vogt ist aktuell der Shootingstar des Tabellenführers St. Gallen in der Super League. Er hat in den ersten vier Spielen (inklusive Cup) bereits fünf Kisten erzielt und drei Torvorlagen gegeben. Wahnsinn. Und jetzt – rund drei Jahre später – trifft mit Luca Nascimento erneut ein 17-Jähriger. «Der Ball kommt zu mir und ich mache ihn rein», sagt er. Mit diesem Treffer geht natürlich ein kleiner Bubentraum in Erfüllung. «Am Samstag erziele ich im Schweizer Cup gegen den FC Aarau vor über 2000 Menschen ein Tor. Am Montag bin ich wieder im Gemeindehaus in Villmergen, wo ich die KV-Lehre mache. Mit 17 Jahren so ein Spiel zu erleben, ist speziell. Richtig gut», so Nascimento. Wer weiss, wo Luca Nascimento in drei Jahren spielt. Vogt wäre sicherlich eine Inspiration. Captain Alban Pnishi sagte über ihn: «Er ist der Pitbull, der dem Gegner auf den Füssen steht.» Sein früherer Trainer Alain Schultz meinte: «Er hat eine enorme Spielintelligenz.»
Am Ende des Spiels steht es 1:3. Der Favorit setzt sich durch. «Wir hatten unsere Chancen. Aber das Glück war in der zweiten Halbzeit nicht auf unserer Seite», sagt Nascimento. «Jetzt gilt es, den Willen, die Mentalität und die Einstellung, die wir gegen Aarau gezeigt haben, in die Meisterschaft mitzunehmen. Dann kommt diese Saison gut. Es ist Kopfsache», so Nascimento.
Überraschender Mann im Tor
Der Traum eines anderen ist indes schon vor dem Anpfiff geplatzt. Der 23-jährige Wohlen-Goalie Joël Bonorand darf nicht spielen, für ihn gibt Nico Ammann sein Debüt im FCW-Dress. Für Bonorand wäre es eine enorm spezielle Affiche gewesen. Er durchläuft beim FC Aarau alle Nachwuchsstationen bis in die 1. Mannschaft, ist bei Profispielen in der Challenge League auf der Bank dabei. Sein Onkel und Götti Philipp Bonorand ist Ex-Präsident des FC Aarau und ist noch heute der grösste Aktionär der FC Aarau AG. Schon bei der Auslosung freuen sich die Bonorands auf dieses Kantonsderby. Joël Bonorand – seit 2023 die Nummer 1 im Wohlen-Tor – meinte im Vorfeld: «Für mich persönlich ist es ein ganz besonderes Spiel.»
Zur Überraschung vieler steht nicht er, sondern der 21-jährige Nico Ammann im Tor. Er wechselte im Sommer von Rapperswil-Jona II zum FCW. Und gibt im Cup-Derby sein FCW-Debüt. Er macht seine Sache gut. Der Ausgleich zum 1:1 schien aber nicht unhaltbar.
Wieso spielte Ammann und nicht Bonorand? «Cup-Rotation», meint Trainer Piu. In der Meisterschaft wird gemäss dem FCW-Trainer wieder Bonorand zwischen den Pfosten stehen. Nach dem Spiel wollte sich Joël Bonorand nicht äussern. Auch wenn er nichts sagt, ist es dennoch aussagekräftig. Es wird ihn gewurmt haben. Sein persönlicher Traum – gegen seinen Stammverein im Cup zu spielen – wurde nicht erfüllt. Neuzugang Nico Ammann durfte 90 Minuten die Partie geniessen. Für viele war es ein unverständlicher Entscheid. Aber am Ende sagt der Trainer, wer spielt und wer nicht. Übrigens: Auch der FC Aarau rotiert im Cup. Stammgoalie Marvin Hübel (aus Tägerig, einst beim FC Wohlen im Nachwuchs) musste weichen. Andreas Hirzel hütete das Tor.
Zwischen Stolz und Frust
Schweizer Cup: FC Wohlen – FC Aarau 1:3 – Eine Szene gibt zu reden – Heute Heimspiel gegen Münsingen (20 Uhr)
Der FC Wohlen macht in diesem Spiel viel Freude – und versöhnt sich ein wenig mit dem Heimpublikum. Der FC Aarau tritt hingegen «pomadig» auf, wie es Alain Schultz – der schon für beide Teams spielte – ausdrückt.
Stefan Sprenger
In der 68. Minute ereignen sich die entscheidenden Szenen in diesem Cup-Krimi. Der FC Wohlen kontert. Der omnipräsente Bijan Dalvand lanciert perfekt Dramane Sissoko. Der FCW-Stürmer wird vor dem Aarauer Tor im letzten Moment vom Ball getrennt, spurtet hinterher, stellt sein Bein zwischen FCA-Abwehrspieler
David Acquah und den Ball. Acquah, bereits mit Gelb vorbelastet, trifft Sissoko – und danach wohl auch den Ball. Der 27-jährige Sissoko, der ein starkes Spiel macht und stets für Unruhe in der FCA-Defensive sorgt, sagt klar: «Er berührt mich am Fuss. Es ist ein Penalty.» Schiedsrichterin Michèle Schmölzer lässt weiterlaufen. «Ein richtiger Entscheid», findet FC-Aarau-Verteidiger Marco Thaler (der in jener Szene danebensteht). Es ist zumindest eine sehr strittige Aktion. Ebenfalls zu reden geben die Momente danach: denn Sissoko bleibt am Boden liegen. Der FC Aarau spielt weiter.
Wie pfeift ausgerechnet eine Niederwilerin?
Die FCW-Spieler heben die Arme, signalisieren, dass die Aarauer den Ball ins Out spedieren sollen. Wohlens Luca Nascimento mäht im Mittelkreis einen Aarauer um, damit die Partie eben per Foulpfiff unterbrochen wird. Doch auch hier lässt Schmölzer weiterlaufen.
Sekunden später ist Raul Bobadilla allein vor FCW-Goalie Nico Ammann und lupft den Ball lässig ins Tor. 1:2. Anstatt Elfmeter und (ein möglicher) Platzverweis für David Acquah ist Wohlen plötzlich im Hintertreffen. «Doppelt bitter», sagt FCW-Captain Alban Pnishi. «Für mich ist es ebenfalls ein Penalty. Und unser Spieler bleibt anschliessend am Boden liegen – und Aarau trifft.»
Bijan Dalvand meint: «Egal ob es Penalty war oder nicht. Es ist schade, dass sie weiterspielen, obwohl Sissoko liegen bleibt. Die ganze Aktion ist gegen uns gelaufen, von A bis Z. Vielleicht ist es auch eine Sache der Erfahrung.» Minuten vor dieser Szene gibt es auch im FCW-Strafraum eine strittige Aktion. Bobadilla wird zu Fall gebracht.
Auch hier: kein Penalty. Auch hier ist es schwierig, ein definitives Urteil zu fällen.
Schiedsrichterin Michèle Schmölzer zeigte keine schlechte Partie – aber auch keine wirklich gute. Alle 50/50-Entscheidungen kippen auf Aarauer Seite. Eine klare Linie liess sie vermissen, hinter vorgehaltener Hand ist dies aus beiden Lagern zu hören. Und es bleibt wohl ein Geheimnis des Verbands, wieso ausgerechnet Schmölzer, die aus Niederwil stammt und nach wie vor für den FC Niederwil pfeift, dieses Aargauer Derby zugeteilt erhält.
Die Latte zittert doppelt
Der FC Wohlen zeigt in den ersten 30 Minuten eine starke Leistung, wird mit dem sehenswerten Führungstor durch Luca Nascimento belohnt. Aarau dreht vor der Pause gewaltig auf, erzielt durch Leon Frokaj (mit einem Schuss von der Strafraumgrenze) den 1:1-Ausgleich (42.). In der zweiten Halbzeit hat Aarau meist den Ball, doch Wohlen verteidigt gut, solidarisch, als Einheit. Grosses Herz, grosser Kampf. Auch nach dem 1:2 durch Bobadilla glauben die Freiämter weiterhin an die Wende.
Doch wie so oft, wenn der FC Wohlen im Schweizer Cup gegen oberklassige Gegner antritt, fehlt am Ende das Glück. Wie beispielsweise beim Freistoss von Djellon Shahini, der auf die Latte fällt. Noch sinnbildlicher für das fehlende Glück sind die Szenen in der 90. Minute. Nach einem toll kombinierten Angriff kann Dramane Sissoko aus rund 12 Metern aufs Tor ballern. Die Latte zittert. Der Abpraller landet bei Kaan Yilmaz, dessen Schuss aus nächster Nähe geblockt wird. Nochmals eine Flanke, nochmals ein Kopfball – und diesmal klärt FCA-Goalie Hirzel. «Hätten wir das 2:2 geschafft, dann hätte die Hütte gebrannt», sagt Pnishi. Praktisch im Gegenzug entscheidet der FC Aarau die Partie. Derbaci trifft zum 1:3. Für Wohlen wäre mehr dringelegen als eine ehrenvolle Niederlage.
Dennoch: Nicht der Frust überwiegt, sondern der Stolz. «Es war eine gute Leistung von uns. Am Ende war Aarau abgezockter», sagt Stürmer Dramane Sissoko. «Eine schöne Reaktion des Teams. Sie haben grossen Einsatz und Willen gezeigt», sagt Sportchef Carmine Viceconte. Trainer Piu meint: «Ich bin stolz auf das Team. Sie haben den Matchplan toll umgesetzt.»
«Ein Fussballfest»
Es war ein spannendes und intensives Spiel vor 2223 Zuschauern. Auch neben dem Platz ist der FC Wohlen zufrieden. Die Stimmung bestens – und selbst Stunden nach dem Abpfiff sind noch viele Matchbesucher vor Ort und erleben eine schöne Zeit in den Niedermatten. Der FCW hat an jenem 16. August viel Goodwill geschaffen. «Genau so haben wir uns das vorgestellt. Alles lief rund, die Stimmung war fantastisch und alle hatten Freude. Es war ein Fussballfest», sagt FCW-Co-Präsident Marcel Amrein.
Das Schlusswort gehört dem Freiämter Fussballexperten Alain Schultz – der als Profi schon für beide Aargauer Teams aufgelaufen ist. «Der FC Wohlen hat sich gut und teuer verkauft und ein Tor gemacht. Aarau war sehr pomadig, fast schon ein wenig überheblich.» Am Ende nehmen die Aarauer die Cup-Hürde Wohlen dennoch ohne grobe Zwischenfälle. Der Leader der Challenge League beweist damit, dass sie aktuell ein Topteam sind.
Revanche für 0:9-Pleite?
Morgen Mittwoch (20 Uhr) geht es für den FC Wohlen in der Meisterschaft weiter. Zu Hause (20 Uhr, Niedermatten) geht es in einem sehr wichtigen Spiel gegen den FC Münsingen. Im letzten Spiel der Saison 2024/25 (am 24. Mai) kassierten die Wohler eine historische Pleite gegen Münsingen. 0:9. Klar, dass die Wohler eine dicke Rechnung offen haben mit den Bernern. «Die Partie gegen Aarau gibt Zuversicht. Doch nun müssen wir das auch in der Meisterschaft zeigen. Und es wird gegen Münsingen ein ganz anderes Spiel», sagt Wohlens Bijan Dalvand. «Reine Kopfsache.» --spr