Studium mit Surfbrett
30.12.2025 Sport, Porträt«2025 verändert»: Lia-Mara Bösch aus Alikon beendet ihre Snowboard-Karriere und studiert auf Bali
Es war ein ereignisreiches Jahr für Lia-Mara Bösch. Nach ihrem Rücktritt vom Wettkampf-Snowboarden erlebt sie ein Abenteuer auf Bali. Im ...
«2025 verändert»: Lia-Mara Bösch aus Alikon beendet ihre Snowboard-Karriere und studiert auf Bali
Es war ein ereignisreiches Jahr für Lia-Mara Bösch. Nach ihrem Rücktritt vom Wettkampf-Snowboarden erlebt sie ein Abenteuer auf Bali. Im Rahmen ihres Studiums entdeckt sie eine neue Welt voller Herausforderungen und unvergesslicher Erfahrungen.
Josip Lasic
Während die Schweiz am Silvesterabend auf Mitternacht wartet, wird Lia-Mara Bösch schon sieben Stunden im Jahr 2026 verbracht haben. Die Alikerin befindet sich momentan auf Bali und wird dort ins neue Jahr rutschen oder besser gesagt surfen. Sie studierte ein Semester auf der indonesischen Insel. Nach ihren Prüfungen bleibt sie noch bis zum 7. Januar dort und widmet sich dem Surfsport. «Sobald ich zurück bin, wird es bald mit dem Studium in Magglingen weitergehen», erzählt sie. «Blockwochen stehen an, und bald beginne ich mit der Bachelorarbeit. Doch solange ich hier bin, geniesse ich den Aufenthalt. Ich kann Träume wahr werden lassen, während ich studiere.»
Ein Jahr, das für die 31-Jährige traurig begann, endet positiv. Die Snowboard-Freestylerin gab im Frühling ihren Rücktritt. Im Juli 2023 erlitt Bösch im Training eine Gehirnerschütterung. Die Folgen spürt sie bis heute. Das Schlimmste ist überstanden, doch eine erneute Verletzung könnte gravierende Konsequenzen haben. Um Wintersport zumindest als Hobby weiter betreiben zu können, zieht sie die Reissleine und verabschiedet sich vom Wettkampf-Snowboarden.
Noch vor ihrer Verletzung hat sie ein Sportstudium in Magglingen angefangen. Teil des Curriculums ist ein Semester, in dem entweder ein Praktikum oder ein Auslandsaufenthalt absolviert werden soll. Die Oberfreiämterin entscheidet sich für Letzteres. «Ich wollte an einen Ort, wo man Englisch spricht und surfen kann.» Neben dem Snowboard ist das Surfbrett zu ihrer zweiten grossen Leidenschaft geworden. Bali, ein Surferparadies, wäre ideal. Doch die Studienplätze sind von der Hochschule Magglingen auf zwei Personen pro Semester begrenzt. Sie orientiert sich um und plant ein Semester auf den Fidschi-Inseln. Erst kurz vor Semesterbeginn wird sie darüber informiert, dass der Studiengang dort kurzfristig doch nicht durchgeführt wird. «Das wurde mir wirklich im allerletzten Moment mitgeteilt. Da ich sonst mit nichts dagestanden wäre, hat mir meine Dozentin erlaubt, mich doch noch für die Universität in Bali zu bewerben. Und da das internationale Programm in Bali tendenziell zu wenige Anmeldungen hatte, wurde ich noch ich letzter Minute angenommen.»
Es ist nicht das letzte Mal, dass das Schicksal die Weichen so stellt, dass vieles zugunsten der Freiämterin läuft. Eigentlich hätte sie sowohl in Magglingen als auch an der Udayana University auf Bali Studiengebühren zahlen müssen. Doch sie wird Teil des Ambassador-Programms ihrer Universität. Sie postet Erlebnisse aus dem Studiumsalltag auf Social Media und wirbt für einen Auslandsaufenthalt auf Bali. Dafür werden ihr die Studiengebühren in Indonesien erlassen. «So habe ich eine neue Verwendung für meinen Instagram-Account gefunden. Vorher habe ich ihn für meine Karriere als Sportlerin genutzt. Nach meinem Rücktritt wusste ich zuerst nicht, ob ich ihn überhaupt noch benötige. So hat er mir aber doch noch etwas gebracht.»
Auch andere Aspekte ihrer Sportkarriere finden neue Verwendung. Sie war es gewohnt, zu pendeln, zwischen dem elterlichen Hof in Alikon, der Wohnung ihres Freundes in Zürich und den Trainings- und Wettkampforten. Ein Leben aus dem Koffer war ihr vertraut. Deshalb hat sie sich entschieden, sich keine fixe Bleibe auf Bali zu suchen. «Ich wollte freier sein, möglichst günstig leben und trotzdem so viel wie möglich von der Insel erkunden. Dadurch war ich selten länger als eine Woche am gleichen Ort. Die Universität ist sehr zentral in der Stadt Denpasar gelegen. Egal, wo ich wohnte, ich war schnell dort. Ausserdem bin ich nicht anspruchsvoll, wenn es um Übernachtungsmöglichkeiten geht. Nur wenn ich Bettwanzen entdecke, bin ich raus.»
Zwischen Yoga, Feuertanz und kulinarischen Genüssen
Diese Entscheidung bereut sie zu keinem Zeitpunkt. Auf der Insel entdeckt sie eine neue Welt. Videos auf Social Media zeigen Bösch beim Ausprobieren der indonesischen Kampfkunst «Perisai Diri». Sie lernt Yoga-Techniken, den balinesischen Feuertanz «Kecak» und erlebt Reinigungs- und Heilungsrituale. Das ist nur ein Bruchteil von all dem, was sie dokumentiert, und noch ein kleinerer Teil von all dem, was sie in der fremden Kultur erlebt.
Eine ihrer Aufgaben im Studium war, eine Arbeit zur Schweizer Kultur zu verfassen. Aus ihrer Sicht ist sie im Vergleich zur balinesischen Kultur «schüchterner» und zurückhaltender. «Wir haben unsere Traditionen und Bräuche. Dinge wie Schwingen, Jodeln oder Trychler, die man als typisch schweizerisch bezeichnen würde, erlebt man nur noch zu besonderen Anlässen. Auf Bali sind die lokalen Traditionen auch im Alltag spürbar.» Obwohl Indonesien mehrheitlich muslimisch ist, ist die Bevölkerung auf Bali vorwiegend hinduistisch. Teil der religiösen Bräuche sind Opfergaben. «Früher wurden frische Lebensmittel geopfert. Heutzutage werden auch plastikverpackte Guetzli oder Zigaretten als Opfergaben dargereicht. Es ist zwar erlaubt, diese nach ein paar Stunden wieder zu holen und selbst zu konsumieren, doch das machen nicht alle. Oft werden die täglichen Opfergaben direkt am Strand dargeboten und von der nächsten Welle ins Meer gespült, inklusive der Plastikverpackungen und Zigaretten.» Im Allgemeinen ist die Plastikverschmutzung auf Bali allgegenwärtig. Auch die Flora und Fauna leidet an den lokalen Traditionen. «Tier- und Naturschutz existieren so gut wie gar nicht.» Für die Freiämterin, die sich vegetarisch ernährt, ein eher unschönes Bild. Es gibt Hahnenkämpfe sowie Vögel und Nagetiere, die in kleinsten Käfigen ihr Dasein fristen.
Dank Gerichten wie «Gado-Gado» oder «Nasi Campur» kam sie als Vegetarierin bei der Verpflegung aber gut zurecht. «Bali ist kulinarisch empfehlenswert. Das Essen ist gut und günstig.
Lokale Küche kostet umgerechnet zwei Franken. Es gibt ebenso ein grosses Angebot an anderen Restaurants, wo man ebenso gut und günstig essen kann. Man erhält beispielsweise vegetarische Sushi an einem der schönsten Orte der Stadt für umgerechnet 12 Franken. Daneben gibt es auch eine Vielzahl an chinesischen oder indischen Restaurants.»
Das Essen geniessen zu können, muss man sich aber erst mal verdienen. Die ersten Tage litt Lia-Mara Bösch unter dem «Bali-Belly». «Es ist eine Magen-Darm-Erkrankung, die fast jeder Ausländer bekommt. Durchfall, Fieber, Erbrechen – hat man das überstanden, ist man im Normalfall immun. Europäer müssen sich an das Essen und die Hygiene gewöhnen. Meine ganze Klasse litt darunter, ebenso wie alle, die mich besucht haben. Als meine Familie vor Ort war und wir essen waren, hatten es danach vier von sechs Personen.»
Welche Bakterien für diese Erkrankung verantwortlich sind, ist auf der Insel nicht bekannt. Generell sind die ländlichen Gebiete in Indonesien medizinisch eher unterversorgt. «Beispielsweise gehen heute noch viele Balinesen bei einem medizinischen Problem eher zum Wunderheiler oder zur traditionellen Heilungsmassage, statt sich von einem Arzt untersuchen zu lassen. Es ist seltsam, zu wissen, dass Menschen sterben, obwohl sie mit moderner Medizin gerettet werden könnten.»
Von Überschwemmungen und Delfinen
Im Kontrast dazu gibt es erstaunlich wenige Unfälle und Schwerverletzte im Strassenverkehr. Und das, obwohl «jeder fährt, wie er will». Bösch sagt, dass quasi keine Verkehrsregeln existieren. Die Polizei wird im Zweifelsfall bestochen. Dennoch war sie meist mit einem gemieteten Roller unterwegs. «Die Leute sind sich gewohnt, dass jeder so fährt, wie er möchte, und passen sich an. Faustregel ist, dass man sich in erster Linie auf das achten muss, was vor einem passiert. Was hinter einem ist, ist weniger relevant. Erstaunlicherweise funktioniert es. Was ich mitbekommen habe, sind es tatsächlich eher Touristen, die nicht auf der Insel aufgewachsen sind, denen die meisten Unfälle unterlaufen.»
Im Vergleich zur Schweiz beschreibt sie das Leben auf der Insel so, dass es an «öffentlichem Interesse» fehlt. «Auch beim Häuserbau tut jeder das, was er möchte. Dass eine Kanalisation notwendig ist, damit bei starken Regenfällen das Wasser abfliessen kann, ignorieren viele. Deshalb kommt es häufig zu Überschwemmungen auf der Insel. Auch Stromausfälle kommen sehr viel häufiger vor als in der Schweiz.» Trotzdem wird sie ihre Zeit in erster Linie wegen der positiven Dinge in Erinnerung behalten. «Das Freiheitsgefühl ist riesig. Ich war oft ausserhalb meiner Komfortzone, aber das war eine gute Erfahrung.» Und ausserdem kann sie das Surferparadies voll auskosten. «Es gibt andere Inseln in der Region, wo ich perfekte Wellen erlebt habe. Das Wasser ist warm, die weissen Strände leer und um einen herum schwimmen Delfine und Schildkröten. Ich dachte nicht, dass es solche Orte noch auf dieser Welt gibt.» So endet das Jahr, das mit einem Tiefschlag begonnen hat, für die Freiämterin doch noch mit einem riesigen Hoch.




