Spektakulär und eiskalt
10.12.2024 SportRingen, NLA, 2. Finalkampf: Die Freiämter bezwingen vor über 2000 Zuschauer Willisau – Titel-Showdown am Samstag
Letzte Woche kritisiert. Jetzt zurückgeschlagen. In der ersten Halbzeit demontiert die RS Freiamt die Willisauer und führt 14:3. Am ...
Ringen, NLA, 2. Finalkampf: Die Freiämter bezwingen vor über 2000 Zuschauer Willisau – Titel-Showdown am Samstag
Letzte Woche kritisiert. Jetzt zurückgeschlagen. In der ersten Halbzeit demontiert die RS Freiamt die Willisauer und führt 14:3. Am Ende gibt es einen 21:15-Sieg. Ein Plan, vor Wochen geschmiedet, geht perfekt auf. Und jetzt träumen die Freiämter gar vom Titel.
Stefan Sprenger
Der Grossteil der 2000 Zuschauer in der BBZ-Halle in Willisau schweigt. Teufelskerl Randy Vock wird fast bewusstlos, weil er so ausgelassen jubelt und seine Freude in die Welt hinausschreit. Man spürt: Hinter diesem Sieg steckt sehr viel mehr.
Vock faltet den Gegner zu einem Päckli zusammen
Wochenlang hat sich Vock auf diesen Moment vorbereitet. Innert drei Wochen hat er rund 7 Kilogramm runtergehungert, damit er bis 61 kg Freistil gegen Rashid Hotak Abdul antreten kann. Sein Körper hat gut reagiert. «Und weil Randy das machen wollte, haben wir es durchgezogen», sagt Trainer Pascal Strebel. Es war kein Schnellschuss, sondern von langer Hand geplant. Genau auf diesen Moment hin, diesen Final, diesen Kampf. Ein taktischer Kniff, eine Überraschung und ein Plan, der funktioniert.
«Iceman» Zemp
Denn Vock liefert eindrücklich ab. Er schnürt Hotak Abdul zusammen, faltet ihn wie ein Päckli zusammen. Schultersieg, 4:0 Teampunkte. Ekstase im Freiämter Fansektor. Stille in Willisau. Gleich danach kommt Freiamts Schwingerringer Christian Zemp. Bis 97 kg Greco tritt er gegen Daniel Häfliger an. 18:0 siegt Zemp mit unglaublicher Coolness. Und natürlich Cleverness. Der «Iceman» holt 4:0 Teampunkte und sagt danach: «Ein 4:0 wurde von mir verlangt. Ein 4:0 wurde geliefert.»
Der 30-jährige Randy Vock und der 24-jährige Christian Zemp stehen sinnbildlich für den Sieg der Freiämter in der Höhle des Willisauer Löwen: Denn dieser Erfolg war spektakulär und cool.
Und schon zur Halbzeit so gut wie gebucht. Im ersten Duell bis 57 kg Greco gab es das Aufeinandertreffen der beiden Rivalen Timon Zeder (Willisau) und Nils Leutert. Ein harter und enger Kampf. Spannung pur. Leutert punktet am Boden, gewinnt 3:1 (2:1 Teampunkte). Der Anfang vom Ende für Willisau. Der Anfang von einem glorreichen Abend für Freiamt. Es folgen die starken Auftritte und Siege von Magomed Ayskhanov (siehe Kasten), Randy Vock und Christian Zemp. Im letzten Kampf vor der Pause (bis 65 kg Greco) gewinnt Freiamts Saya Brunner «nur» mit 5:1 (2:1) gegen Mathias Martinetti im Duell zweier Kaderringer. Das Verdikt zur Pause: Die entfesselten Freiämter bändigen den Willisauer Löwen. 14:3. Mehr als eine Vorentscheidung.
Finger raus bei Darbellay
Eine tänzerische Pausenshow und ein paar Ehrungen später startet die zweite Halbzeit mit einem hochspannenden Duell bis 86 kg Greco. Der starke Willisauer Mansur Mavlaev gegen Doppellizenz-Ringer Tanguy Darbellay (der letzte Woche noch fehlte).
Darbellay wehrt sich stark, renkt sich sogar einen Finger aus – den Trainer Strebel unter raunemdem Publikum wieder einrenkt. Doch Mavlaev ist zu stark und siegt 5:0 (3:0). Im nächsten Kampf (bis 70 kg Freistil) zerzauste Nino Leutert den Willisauer Florian Bissig, siegte vorzeitig durch technische Überlegenheit (17:2) und holte 4:1 Teampunkte. Gesamtskore: 18:7. In einem heftigen Abnützungskampf (bis 80 kg Greco) ackert sich Marc Weber wie ein unaufhaltsamer Traktor zu einem 8:0-Sieg (3:0) über Joel Marti. 21:7. Der Sieg ist geschafft. Und Willisau musste in diesem Moment gar zittern, nicht das Heimrecht nach dem 23:11-Sieg in Muri noch zu verlieren. Doch die Portmann-Brüder holen für Willisau noch 4:0 Teampunkte.
Vock: «Können etwas reissen»
Die Freiämter siegen 21:15, feiern Revanche und freuen sich auf den dritten und alles entscheidenden Kampf am nächsten Samstag (19 Uhr) in Willisau. «Die drei Ringer, die letzte Woche fehlten, sind wieder da. Dazu der Stilartenwechsel und einfach eine sensationelle Leistung von uns führten zu diesem Sieg», sagt Zemp. Trainer Pascal Strebel sagt: «Die Niederlage letzten Samstag war kalkuliert. Das Team wurde kritisiert. Jetzt waren wir alle frisch und topmotiviert. Gepaart mit Ruhe und Lockerheit ist so dieser Sieg entstanden. Wir haben zurückgeschlagen.» Erstmals seit acht Jahren gewinnen die Freiämter in Willisau, gleichen die «Best of three»-Serie zum 1:1 aus. «Schön. Geil. Super Fans. Wunderbare Stimmung. Ein toller Match. Alles, was das Ringerherz begehrt», so Strebel. Vock ergänzt: «In der ersten Halbzeit haben wir gezeigt, wozu wir fähig sind. Ich bin einfach stolz.» Im Hinblick auf den Showdown um den Meistertitel sagt Altmeister Vock: «Wenn wir diese Leistung erneut wiederholen können, dann muss uns Willisau zuerst einmal bezwingen. Mit unserer riesigen Leidenschaft und dem grossen Zusammenhalt können wir etwas reissen.» Die Freiämter träumen vom Titel. Oder? «Es geht nochmals ein Ruck durch das Team. Willisau ist zu favorisieren. Wir werden dagegenhalten. Es wird eine enge Geschichte. Wie eng, werden wir sehen», so Strebel.
Ayskhanov ist «entspannt»
Sein Auftritt war Höhepunkt des Abends. Und er wurde auch zum «Fighter» des Abends (vom Verband) gekürt: Magomed Ayskhanov. Bis 130 kg Freistil trat der Freiamt-Russe gegen Samuel Scherrer an. Ein Duell der Giganten. Der Willisauer Scherrer schien alles im Griff zu haben, führte mit 7:3. Doch Ayskhanov drehte gegen Ende brutal auf und dreht den Kampf spektakulär. «Ich wollte alles geben, was ich hatte. Und ich habe alles gegeben», sagt Ayskhanov. Der Kampf endet 7:7. Der Freiämter gewinnt mit 2:1 Teampunkten, weil er mehr Zweierwertungen hatte. «Ich wollte einfach gewinnen und habe alles dafür getan», sagt der 28-Jährige, der in Strengelbach wohnt und seit Jahren für die RS Freiamt ringt.
«Wir werden bereit sein»
Schon in der Halbzeit dieses zweiten Finalkampfes sagt er: «Heute gewinnen wir. Wir werden auch nächsten Samstag bereit sein.» Er blicke dem Titel-Showdown – erneut in Willisau – «entspannt» entgegen, wie er sagt.
An dieser Stelle erwähnenswert: Das Verhältnis von Ayskhanov und den Willisauer (Fans) ist seit dem NLA-Final 2021 angespannt. Damals flogen Bierdosen, es gab Tumulte, Ayskhanov zeigte den Fans den Mittelfinger – und wurde vom Verband gesperrt. Im Kampf 2024 blieb er ruhig und fokussiert. «Alles okay», sagt er. «Was andere machen, interessiert mich nicht. Ich konzentriere mich auf meine Gegner, auf mich und mein Team.» Und das tat er. Die Willisauer Fans goutierten die Wahl von Ayskhanov zum «Best Fighter» mit wenigen Pfiffen und leisen Buh-Rufen. Ihm wird es egal sein. --spr