So wenig hat gefehlt
17.12.2024 SportRingen, NLA, Final: Die RS Freiamt verliert den entscheidenden Kampf in Willisau vor 2200 Zuschauern knapp mit 15:17
Drama, Emotionen und ein knappes Resultat. Nach 29 Finalkämpfen fällt die Entscheidung über den Meistertitel erst im allerletzten Kampf. ...
Ringen, NLA, Final: Die RS Freiamt verliert den entscheidenden Kampf in Willisau vor 2200 Zuschauern knapp mit 15:17
Drama, Emotionen und ein knappes Resultat. Nach 29 Finalkämpfen fällt die Entscheidung über den Meistertitel erst im allerletzten Kampf. Yves Müllhaupt unterliegt dort gegen Jonas Bossert. Die RS Freiamt verliert knapp mit 15:17. Die Willisauer sind Meister. Den Freiämtern bleibt nur der 2. Rang. Trotzdem können sie stolz auf ihre Leistung sein.
Josip Lasic
2200 Zuschauer warten in der BBZ-Halle in Willisau gespannt auf den letzten Kampf der Schweizer Meisterschaft im Ringen. Freiamts George Bucur hat zuvor dem Internationalen Tobias Portmann alles abverlangt. Er ging mit einem knappen 1:2 von der Matte. Jetzt führt Willisau mit einem Punkt. Im dritten Final der «Best of three»-Serie fällt die Entscheidung über den Titel erst im allerletzten Duell in der Kategorie 75 kg Greco.
Für Willisau tritt Routinier Jonas Bossert an. Yves Müllhaupt ringt für die Freiämter. Das Duell gab es bereits im ersten Finalkampf. Damals gewann Bossert mit 13:1 und 3:1-Teampunkten. Müllhaupt in Ausbildung ist Thurgauer und Mitglied des RRTV Weinfelden. Er bestreitet aber bereits die fünfte Saison mit einer Doppellizenz für die RS Freiamt. «Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu allen im Verein. Für mich ist es so, als würde ich zu Hause ringen.» Und das beweist der 25-Jährige, der aktuell die Ausbildung zum Polizist absolviert. Wieder geht der Willisauer schnell mit 5:0 in Führung. Doch dann dreht Müllhaupt auf und gleicht aus. Der Routinier der Luzerner gerät ins Wanken. Im Endspurt gelingt ihm aber ein weiterer Zähler. Müllhaupt gibt noch einmal Vollgas, wirft alles in die Waagschale. Als die letzten Sekunden laufen, ist ihm anzusehen, dass er keine Kraft mehr hat. Die Schlusssirene ertönt. Während sich die Willisauer jubelnd auf Bossert stürzen, sackt Müllhaupt zu Boden – vor Entkräftung und Enttäuschung. Bei den Freiämtern fliessen die Tränen. Trotzdem eilen die Teamkollegen zu Müllhaupt, um ihn zu trösten. Freud und Leid liegen in diesem Moment nur wenige Zentimeter auseinander. Auf der einen Seite die feiernden Gastgeber, auf der anderen die niedergeschlagenen Gäste. Im Sport entscheiden oft diese wenigen Zentimeter. Die letzten paar Prozent. Das nötige Quäntchen Glück. Mit etwas mehr Glück hätte Müllhaupt statt der tragischen Figur der strahlende Held der Freiämter werden können. Und das zog sich durch den ganzen Finalkampf der Freiämter. «Wir haben eine gute Leistung gezeigt», sagt Präsident Nicola Küng. «Aber wir wussten, dass es eine perfekte Leistung braucht, um zu gewinnen.»
Freiämter bieten Willisauer Eliteringern Paroli
Dabei beginnt der Abend gut. Nils Leutert holt einen 2:0-Sieg gegen Timon Zeder. Dann trifft Christian Zemp auf den rund 10 kg schwereren Kaderringer Delian Alishahi. Ein hartes Duell. «Christian hat gekämpft wie ein Löwe», kommentiert Küng stolz. Der Freiämter gewinnt mit 2:1. Es ist sein zweiter Sieg in der Finalserie gegen Alishahi. Randy Vock holt mit einem 2:1 gegen Jonas Müller den nächsten Erfolg. Dann muss Magomed Ayshkanov gegen Samuel Scherrer ran. Das Duell fand bereits eine Woche vorher statt. Der Tschetschene aufseiten der Freiämter lag damals mit 3:7 zurück. Er glich aus und holte den 2:1-Sieg am Ende. Es schien wieder ähnlich abzulaufen. Nach einem 0:2-Rückstand holt Ayshkanov wieder den Ausgleich. Doch Scherrer, zweimaliger EM-Silber- und einmaliger WM-Bronze-Gewinner sowie einer der besten Ringer der Schweiz, holt noch einen Punkt. Ayshkanov verliert mit 1:2. Der Freiamt-Tschetschene ist den Tränen nah. «Natürlich hätten wir ein 2:1 für uns gut brauchen können», so Küng. «Aber die Duelle von Zemp gegen Alishahi und Ayshkanov gegen Scherrer gleichen sich unter dem Strich aus. Das sind enorm starke Gegner, bei denen wir keine Punkte sicher budgetieren können. Ich kann Magomed nichts vorwerfen. Er hat gut gerungen, und es ist alles fair geblieben.»
Dann folgt ein Aufreger. Im Duell zwischen Nino Leutert und Ilia Terzi hat der Freiämter den Willisauer auf dem Rücken. Ein Schultersieg? Nicht aus Sicht der Schiedsrichter. Die Freiämter reklamieren, doch es nützt alles nichts. Der Kampf geht weiter. Leutert gewinnt 3:1, doch in der Endabrechnung wäre das 4:0 für den Schultersieg sehr wertvoll gewesen. Nach der Pause läuft es nicht mehr so gut. Einem 3:0 Sieg von Marc Weber folgen zwei 0:4-Niederlagen von Michael Bucher und Kimi Käppeli – bei Bucher auch mit strittiger Schiedsrichterentscheidung. Willisau gleicht aus. Es folgen die Kämpfe von Bucur und Müllhaupt. Die Bilanz gegen ihre Gegner spricht für die Luzerner. Auch das Duell Bucur gegen Tobias Portmann fand bereits in dieser Finalserie statt. Der 38-jährige Bucur verlor eine Woche zuvor mit 0:4 gegen den 13 Jahre jüngeren Internationalen. Doch Bucur holt noch einmal alles aus sich heraus und hält den Schaden mit 1:2 in Grenzen, bevor die Entscheidung in Müllhaupts Kampf fällt.
Viel Positives, aber noch kein Happy End
Dieser ist nach der Niederlage ziemlich enttäuscht. «Es geht mir sehr schlecht», sagt der 25-Jährige. Trotz starker Leistung ist er sehr selbstkritisch. Obwohl es am Ende offensichtlich schien, dass ihm die Kraft ausgeht, lässt er das nicht als Erklärung gelten. «Es war schon schlimmer. Was mich stört, ist, dass alle Anstrengungen nichts gebracht haben.» Der Rest der Mannschaft sieht es offensichtlich nicht so kritisch. Der Teamgeist der Freiämter ist deutlich zu sehen, als die Kollegen den unterlegenen Müllhaupt nach dem Kampf trösten und ihm anerkennend für die Leistung auf die Schulter klopfen. Und die Fans stimmen für den «Doppellizenzer» den Gesang «Eine vo eus» ein.
Dieser Spirit, der nach dem verlorenen Final spürbar ist, macht auch Präsident Nicola Küng stolz. «Es gibt so viel Gutes, was wir mitnehmen können. Ich mache keinem Ringer einen Vorwurf. Es gab einige Kämpfe, wo eventuell mehr Punkte machbar gewesen wären. Dann wäre es die perfekte Leistung gewesen, die wir benötigt hätten. Es gab Jahre, wo mich eine Finalniederlage stärker getroffen hat, weil wir die Leistung nicht gebracht haben. Davon kann jetzt nicht die Rede sein.» Genauso, wie er die Ringer lobt, nimmt er auch die Kampfrichter in Schutz. «Wenn Nino den Schultersieg erhält, wäre ihnen vermutlich niemand böse gewesen. Aber daran hat es sicher nicht gelegen. Und Willisau ist ein starkes Team, hat eine gute Leistung gezeigt und den Titel verdient geholt.»
Trotz aller Enttäuschung bleibt das Fazit, dass das Team einen riesigen Sprung gemacht hat. Von keiner Medaille im Vorjahr zum Finalteilnehmer, der knapp am Titel vorbeigeschrammt ist. Die Mannschaft zeigt Teamgeist, der auch auf die Fans überspringt und sogar die Doppellizenzringer in ihren Bann zieht. «Das ist der Verdienst von Trainer Pascal Strebel, von unserem Fanclub und allen im Verein, die sich engagieren, und dessen Umfeld. Das Feuer ist da. Nur das Happy End fehlt noch.» Selbst Yves Müllhaupt bleibt kämpferisch. «Ich brauche jetzt ein paar Stunden, und dann wird es noch einige Tage ein wenig an mir nagen. Aber nächstes Jahr geht es weiter.» Es hat wenig gefehlt. Wenige Zentimeter, wenige Prozent, das nötige Quäntchen Glück. Wenn so wenig fehlt, kann der Erfolg jederzeit auch auf die andere Seite kippen. Irgendwann auch auf die Freiämter Seite.