Reich ist nur der Name
17.10.2025 Sport, BobEuropacup: Der Freiämter Nils Reich steht vor einer schwierigen zweiten Saison – besonders finanziell
Die erste Europacup-Saison war für den Künter Nils Reich mit dem 6. Platz im Gesamtranking ein Erfolg. Der junge Athlet möchte darauf aufbauen ...
Europacup: Der Freiämter Nils Reich steht vor einer schwierigen zweiten Saison – besonders finanziell
Die erste Europacup-Saison war für den Künter Nils Reich mit dem 6. Platz im Gesamtranking ein Erfolg. Der junge Athlet möchte darauf aufbauen und sich Richtung Weltcup arbeiten. Weil der Bobverband einen gewichtigen Sponsor verliert, sind die finanziellen Voraussetzungen aber sehr schwierig.
Josip Lasic
Nils Reich und sein Team sind derzeit in Lillehammer, wo der Schweizer Bobverband Swiss Sliding seine Selektionsrennen durchführt. «Danach sind wir zwei Wochen zu Hause. Anschliessend geht es zurück nach Lillehammer zum ersten Europacup-Rennen», erklärt der Freiämter. Der Sohn der Boblegende Christian Reich blickt mit Ambitionen auf seine zweite Saison. Im vergangenen Jahr fiel er nach einem Sturz verletzungsbedingt aus, wodurch er und sein Team insgesamt vier Rennen verpassten.
Hohe Ambitionen
Dennoch waren sie am Ende das beste Schweizer Team in der Gesamtwertung. «Das Ziel für diese Saison ist es, in jedem Rennen unter die ersten sechs zu kommen. Das ist uns im Viererbob im letzten Jahr ziemlich konstant gelungen. Im Zweierbob haben wir noch Luft nach oben. Wenn möglich, möchten wir auch bei den Podestplätzen mitreden und ein Top-Ergebnis bei den Junioren-Weltmeisterschaften in St. Moritz holen. Am liebsten eine Medaille.» Der 21-Jährige ist optimistisch, dass sie diese Ziele erreichen können, auch wenn er sich im Juli einer Schulteroperation unterziehen musste. «Ich habe dadurch fünf bis sechs Wochen Vorbereitung verloren und bin jetzt bei etwa 80 Prozent. Aber mein Team hat gut trainiert und ist verletzungsfrei geblieben. Wir sind bereit.»
Ein Schock: Budget wurde gestrichen
Der Athlet steht aber vor einer weiteren Herausforderung. Weil ein grosser Sponsor zahlungsunfähig wurde, fehlt dem Verband «Swiss Sliding» Geld. Verbandspräsident Sepp Kubli spricht dabei gegenüber dem Schweizer Fernsehen von «mehreren Hunderttausend Franken». Dieses Defizit bekommt vor allem der Nachwuchs zu spüren. Da es sich um eine Olympiasaison handelt, erhalten die Athleten, die am Weltcup teilnehmen, weiterhin finanzielle Unterstützung. Dem Nachwuchs hingegen wurde das gesamte Budget gestrichen. Die Athleten müssen nun die Startgebühren und die Kosten für die Unterkunft selbst tragen. Dadurch fehlen Reich rund 20 000 Franken. «Wir wurden erst Mitte August darüber informiert, was spät war. Es ist ohnehin nicht einfach, so viel Geld aufzubringen. Insbesondere in einer Sportart, die teuer ist, aber wenig mediale Aufmerksamkeit bekommt.»
Der Bobfahrer hat es aber mit einiger Mühe geschafft, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Der Bob-Club Zürichsee, dessen Mitglied er ist, hat ihm einen Geldbetrag zur Verfügung gestellt. Daneben musste er Kürzungen vornehmen, beispielsweise beim Taggeld seiner Anschieber. «Mir selbst zahle ich keinen Lohn. Die Anschieber erhalten noch genug, damit sie ihre Fixkosten decken können. So kommen wir wenigstens durch diesen Winter.»
Das sind acht Läufe im Zweierbob und acht im Viererbob, verteilt auf rund sechs Wochen. Damit das Reich-Team sie absolvieren kann, dürfen jedoch keine unerwarteten Kosten anfallen. Mit den getroffenen Massnahmen hat man ein für ein Europacup-Team angemessenes Budget zusammengestellt. Es ist aber von Vorteil, wenn man rund 10 000 bis 15 000 Franken Puffer hat. «Reisekosten, Unterkünfte, Verpflegung und Löhne sind die grossen Kostenpunkte, die man einkalkulieren kann. Dann gibt es aber variable Kosten. Angenommen, etwas am Schlitten geht kaputt oder wir haben unterwegs einen Unfall und der Transporter muss repariert werden. In diesem Fall entstehen wieder hohe Ausgaben. Wir können eine gewisse Höhe solcher variablen Kosten verkraften. Danach wird es extrem harzig.»
Mithelfen am Dorffest in Künten
Trotz der schwierigen Bedingungen bleibt Reich entschlossen. «Das ist weder für mich noch für das Team ideal. Aber wir haben uns gesagt: ‹Komm, wir machen das jetzt so dieses Jahr. In der nächsten Saison wird es hoffentlich wieder anders aussehen.›» Das Team konnte den bisherigen Schlitten von Weltcup-Fahrer Michael Vogt übernehmen. «Ich glaube, dass wir damit nochmals einen Schritt nach vorne gemacht haben.» Um zusätzlich etwas Geld zu verdienen, wird Team Reich am Dorffest in Künten einen Essensstand mit Bar betreiben. «Vielleicht können wir uns sogar mal einen zweiten Schlitten kaufen.»
Traum von Olympia
Nils Reich hat langfristige Ziele. Nächstes Jahr möchte er den Sprung in den Weltcup schaffen. Ausserdem träumt er von der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2030 in den französischen Alpen. Und natürlich 2034 in Salt Lake City, wo sein Vater 2002 die Silbermedaille gewann. Wie sich die finanzielle Situation beim Verband entwickelt, ist aber nicht absehbar. Deshalb konzentriert sich der Sportler auf diese Saison. Er hofft, dass er sie mit der Unterstützung des Bob-Clubs Zürichsee erfolgreich bestreiten kann.
WM hat Priorität – «Bettelbrief» in Auw
Die Budgetsituation beeinflusst auch Jan Scherrers Saisonplanung
Neben Nils Reich startet auch der Auwer Jan Scherrer in seine zweite Europacup-Saison. Sein Fokus und seine Zielsetzung liegen eindeutig auf der Junioren-Weltmeisterschaft in St. Moritz. «Es ist das letzte Mal, dass ich daran teilnehmen kann», erklärt der Sohn der Freiämter Bob-Koryphäe Dominik Scherrer. «Danach bin ich zu alt. Und da es die Heim-WM ist, motiviert mich das umso mehr, dabei zu sein und zu versuchen, ein gutes Ergebnis einzufahren.»
Die Richtlinien für die Weltmeisterschaft will der Auwer nach Möglichkeit schon beim ersten Europacupwochenende in Lillehammer erfüllen. «Am liebsten würde ich natürlich alle Europacuprennen bestreiten. Mit dieser finanziellen Situation dürfte das aber nicht machbar sein. Deshalb will ich die Richtlinien gleich erfüllen, mich auf die WM konzentrieren und dann abwägen können, was noch drinliegt.» Eine genaue Zahl, wie viel Geld ihm durch das gestrichene Budget fehlt, kann er nicht sagen. Es reicht aber, um seine Saisonplanung zu beeinflussen. «Ich konnte einige zusätzliche Sponsoren gewinnen. Ausserdem haben wir in Auw und Umgebung einen ‹Bettelbrief› aufgesetzt und unter die Bevölkerung gebracht. Dadurch ist doch noch eine gewisse Summe dazugekommen. Es sind vor allem Privatpersonen, die mir etwas gesponsert haben. Ich spüre wirklich einen grossen Rückhalt in der Region.» Dadurch konnten die fehlenden Gelder vom Verband aber nicht kompensiert werden, sondern der Schaden lediglich etwas in Grenzen gehalten werden.
Kein Druck in Richtung Zukunft
Eines Tages will auch Scherrer im Weltcup mitfahren. Wann das sein soll, kann er momentan nicht sagen. «Ich mache mir diesbezüglich keinen Druck und versteife mich nicht auf irgendeine Saison. Jetzt möchte ich mich erstmal verbessern und das Handwerk Bobfahren noch besser lernen.» Das würde aber zweifelsfrei einfacher gehen, wenn er nicht abwägen müsste, ob und wie viele Europacup-Rennen er überhaupt bestreiten kann. «Zwischendurch hat es die Motivation schon sehr getrübt.» Unterkriegen lassen will er sich aber nicht und möchte sich zumindest die WM-Teilnahme nicht nehmen lassen. --jl