Referendum im Eiltempo
17.11.2023 Niederwil, Region UnterfreiamtUrnengang für Ortsbürger
Dass gegen einen Entscheid einer Einwohner-«Gmeind» das Referendum ergriffen wird, kommt immer mal wieder vor. Dass aber ein Beschluss der Ortsbürger nachträglich noch an die Urne kommt, das ist doch eher selten der ...
Urnengang für Ortsbürger
Dass gegen einen Entscheid einer Einwohner-«Gmeind» das Referendum ergriffen wird, kommt immer mal wieder vor. Dass aber ein Beschluss der Ortsbürger nachträglich noch an die Urne kommt, das ist doch eher selten der Fall. In Niederwil ist diese Situation jetzt eingetroffen. Gegen den Kredit für den Kauf der Liegenschaft Schulhausstrasse 1 wurde in den letzten Tagen mit Erfolg mobilisiert. 22 Unterschriften von Ortsbürgern hätte es gebraucht für das Referendum, 72 haben das Begehren unterzeichnet. Nun muss also an der Urne über den geplanten Kauf entschieden werden. Wann dies der Fall ist, steht derzeit noch nicht fest. --chh
Niederwiler Ortsbürger müssen nochmals über Liegenschaftsverkauf abstimmen
Dass die Ortsbürger einer Gemeinde zur Urne gerufen werden, das kommt doch eher selten vor. In Niederwil ist dies nun der Fall. Der Kauf der Liegenschaft Schulhausstrasse 1 für 895 000 Franken hat für Wellen gesorgt. Gestern wurde das Referendum eingereicht.
Chregi Hansen
Schon an der ausserordentlichen Ortsbürger-«Gmeind» Mitte Oktober gingen die Wogen ziemlich hoch. Der geplante Kauf der Liegenschaft an der Schulhausstrasse 1 war durchaus umstritten. Nach einer sehr intensiven Diskussion wurde dem Kredit in der Höhe von 895 000 Franken mit 35 Ja zu 18 Nein zugestimmt. Ebenfalls bewilligt wurde der Kredit über 70 000 Franken für die Sanierung der älteren Liegenschaft.
Der Gemeinderat hatte sich im Vorfeld für den Kauf starkgemacht, nachdem ihm die Liegenschaft von den Besitzern, einer Erbengemeinschaft, überraschend angeboten wurde. Ausschlaggebend dafür war vor allem die Lage. Mitten im Zentrum, zwischen dem Restaurant «Chrütz» und dem Pavillon der Kirchgemeinde. Das Haus bildet so die Verbindung zwischen dem Schul- und dem Gemeindeareal sowie dem Dorfzentrum mit den Verkehrs- und Gewerbeangeboten. Mit dem Kauf können die Ortsbürger einen Beitrag zur aktiven Entwicklung der Gemeinde leisten, hiess es darum an der Versammlung.
Vor der «Gmeind» kaum Unterlagen vorhanden
Das Wohnhaus stammt aus dem Jahr 1815 und diente früher einmal als Post. Heute umfasst es zwei Wohnungen, eine davon ist heute noch bewohnt, die andere steht aktuell leer. Das Gebäude steht unter Volumenschutz. Das Grundstück selbst umfasst insgesamt 981 Quadratmeter und befindet sich in der Dorfzone. Zwar ist die Bebaubarkeit wegen einer Bachleitung eingeschränkt, doch könnte das heutige Bauvolumen bei Bedarf problemlos verdoppelt werden. Dies ist aber vorerst kein Thema. Der Gemeinderat möchte es vorläufig bei den zwei Wohnungen belassen und diese vermieten. Durch den Kauf soll die Kasse der Ortsbürger nicht belastet werden, im Gegenteil. Durch die Vermietung soll gar ein Mehrertrag erzielt werden.
Nach dem Ja an der «Gmeind» sind die kritischen Stimmen nicht verstummt. Im Gegenteil. Allen voran SVP-Präsident Adrian Gratwohl und Hanspeter Stutz ärgerten sich über die Vorgehensweise des Gemeinderates. Ihnen stösst sauer auf, dass es im Vorfeld der Versammlung kaum Unterlagen zum Geschäft gab. Erst nach der «Gmeind» und nochmaliger Beschwerde wurde Gratwohl ein umfangreicher Planungsbericht ausgehändigt. «Darin steht alles, was wir im Vorfeld hätten wissen müssen. Inklusive Bilder aus der Liegenschaft. Hinweise zum Sanierungsbedarf. Und Überlegungen zur künftigen Nutzung», ärgert sich Gratwohl. Unter anderem wird in der Studie aufgezeigt, wie die Umgebung der Liegenschaft genutzt werden könnte.
Informationen unterschlagen?
Längst hat sich der Gemeinderat für sein Vorgehen entschuldigt. Die Kritik von Gratwohl sei berechtigt, er ärgere sich selber über das Versäumnis, erklärte Gemeindeammann Norbert Ender vor zwei Wochen auf Anfrage. Das ganze Geschäft sei relativ schnell über die Bühne gegangen, man habe der Aktenauflage zu wenig Gewicht beigemessen. Es sei aber nie darum gegangen, den Ortsbürgern Informationen zu unterschlagen. Der Gemeinderat wies auch darauf hin, dass er in der Botschaft zur Ortsbürgergemeindeversammlung die Erkenntnisse aus der Studie zusammengefasst und kommuniziert habe. Zudem war Planer Roland Bühlmann an der Versammlung anwesend und habe die Erkenntnisse aus seiner Analyse vorgestellt und zu Fragen Stellung genommen.
Konkret geht es den beiden Kritikern um eine Planstudie, welche die Möglichkeit aufzeigt, auf dem Grundstück später eine Gartenterrasse und Parkplätze für das Restaurant «Chrütz» zu erstellen. Dies, weil die Gemeinde den Dorfplatz neu gestalten will, wodurch dort Parkplätze wegfallen. Nach der Gemeindeversammlung haben sich Gratwohl und Stutz den Entscheid noch offen gelassen, ob sie das Referendum ergreifen werden. Man wolle erst einmal abwarten, wie der Gemeinderat auf die Vorwürfe reagiere.
Genügend Unterschriften in einem Tag gesammelt
Nun also ist man doch aktiv geworden. Gestern Vormittag haben Adrian Gratwohl und Hanspeter Stutz der Gemeinde die notwendigen Unterschriften übergeben. Für ein Referendum sind Unterschriften von 10 Prozent der stimmberechtigten Ortsbürger nötig. Bei aktuell 218 Ortsbürgern wären
22 Unterschriften.
«Wir haben am Samstagmorgen mit dem Sammeln begonnen und beschlossen, dass wir das Referendum nur einreichen, wenn mehr als 50 Unterschriften gesammelt sind. Am Samstagnachmittag hatten wir bereits genügend Unterschriften», berichtet Gratwohl. Bis Mittwoch kamen weitere dazu. Von den 218 Ortsbürgern haben letztlich 72, also rund ein Drittel, das Referendum unterschrieben. «Das ist eine eindrückliche Zahl», sagt denn auch Gratwohl.
Das Referendum wurde nur gegen den Kaufentscheid eingereicht. Falls dieser an der Urne abgelehnt wird, verfällt der Kredit für die Sanierung sowieso. Nun werden die Unterschriften geprüft und danach vom Gemeinderat eine Abstimmung angesetzt. Wann dies der Fall ist, steht noch nicht fest.