«Pferde wollen sich bewegen»
25.07.2023 Pferdesport, Weitere Sportarten, SportTierwohl ist im Fokus
56. Springkonkurrenz in Wohlen mit rund 1800 Besuchern
Erstmals fand die Wohler Springkonkurrenz nur an zwei statt an drei Tagen statt. Der Anlass war trotzdem sehr gut besucht. Eine der zuständigen Tierärztinnen ...
Tierwohl ist im Fokus
56. Springkonkurrenz in Wohlen mit rund 1800 Besuchern
Erstmals fand die Wohler Springkonkurrenz nur an zwei statt an drei Tagen statt. Der Anlass war trotzdem sehr gut besucht. Eine der zuständigen Tierärztinnen bescheinigt ausserdem, dass sehr grosser Wert auf das Wohl der Pferde gelegt wird.
Josip Lasic
Spätestens seit den letzten Olympischen Spielen, als eine deutsche Athletin versucht hatte, ihr verunsichertes Pferd mit Gerte und Sporen in den Griff zu bekommen, ist der Reitsport grosser Kritik ausgesetzt. Ist Reiten Tierquälerei?
An der Springkonkurrenz in Wohlen waren zwei Tierärztinnen vor Ort. Bei solchen Concours ist die Anwesenheit von Veterinären Pf licht. Regula Keel, eine der beiden Verantwortlichen, gibt Auskunft. Sie erklärt, dass Pferde Tiere sind, die bewegt werden müssen, und dass es im Pferdesport strenge Reglementarien gibt, die dafür sorgen, dass das Tierwohl gewährleistet ist. Und es wird von mehreren Seiten darauf geachtet, dass diese eigehalten werden.
«Die Hütte ist immer voll»
So auch in Wohlen. Neben Veterinären sind auch Hufschmiede vor Ort Pflicht. Es wurde Wasser zur Verfügung gestellt, damit die Pferde bei den hohen Temperaturen ausreichend trinken und abgekühlt werden konnten, und für die schlimmsten Fälle wären die Tierärzte vor Ort. Das Tierwohl steht bei solchen Veranstaltungen stark im Fokus. Wobei die Veterinärin betont, dass es immer gut ist, wenn sie an so einem Anlass nichts zu tun hat. Das war in Wohlen auch der Fall. Kein Pferd kam zu Schaden.
Bei den Reitern gab es einige kleine Stürze, wobei nur eine Teilnehmerin leichtere Blessuren davongetragen hat. Ansonsten war der Anlass aus Sicht des OKs ein Erfolg. Obwohl der Freitagabend gestrichen wurde, kamen rund 1800 Besucher an die Springkonkurrenz und auch die Reiter fanden sich zahlreich in Wohlen ein. In den 13 Prüfungen gab es insgesamt über 360 Kategorienstarts.
Insbesondere am Samstagabend war viel los, wo nach den ersten neun Prüfungen das Programm in einen Festbetrieb mit Tanzmusik überging. Ein besonders schönes Feedback, das das OK-Co-Präsidium aus Markus Schädeli und Corinne Schramm erhalten hat: «Mir hat ein Besucher gesagt: ‹Bei euch ist die Hütte immer voll.› Und wir haben ja kein kleines Festzelt», berichtet ein zufriedener Markus Schädeli. Neben den Pferden ging es also auch den Menschen gut.
Regula Keel, die Veterinärin an der Wohler Springkonkurrenz, äussert sich zum Tierwohl
An der Springkonkurrenz ist es vorgeschrieben, dass Tierärzte vor Ort sein müssen. Ist aus ihrer Sicht ein solcher Wettkampf überhaupt gut für Pferde?
Josip Lasic
Prüfung Nummer 11 am Sonntagmorgen. Irgendwie scheint der Wurm drin zu sein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Pferd bei einem solchen Concours vor einem Hindernis stehen bleibt. Während dieser Prüfung häuft sich das aber in einem eher ungewohnten Ausmass. Ebenso wie die Fehler. Sieben Teilnehmer scheiden aus oder müssen während der Prüfung aufgeben. Eine Reiterin wird sogar aus dem Sattel geworfen. Sie kann sich am Pferd festhalten und einen schwereren Sturz vermeiden. Die Prüfung ist aber auch für sie zu Ende.
«Das ist eine Prüfung, wo Reiter mit jungen, eher unerfahrenen Pferden starten. Diese lassen sich schneller ablenken und halten dann vor einem Hindernis an», erklärt OK-Co-Präsident Markus Schädeli. Regula Keel, eine der beiden Tierärztinnen vor Ort, stimmt dem zu. «Bei so jungen Pferden kann es ausreichen, dass ein Hindernis in einer etwas grelleren Farbe bemalt ist, als sich das Pferd gewohnt ist, damit es schon abgelenkt ist.» Dass es in dieser Prüfung häufiger vorkam, als man es sich von der Wohler Springkonkurrenz gewohnt ist, hält sie für einen Zufall.
Strenge Regeln herrschen im Reitsport
Neben dem Notfalldienst und einem Hufschmied ist es Pflicht, dass bei so einem Wettbewerb Veterinäre vor Ort sind. Wie steht die Fachfrau für das Tierwohl einer solchen Veranstaltung gegenüber? Denn Pferdesport wird von vielen Leuten auch kritisch gesehen. «Es herrschen strenge Regeln. Ein Pferd, das unter Einfluss irgendwelcher Medikamente oder sonstiger Substanzen steht, darf nicht antreten. Die Pferde sind auch auf die jeweilige Hindernishöhe trainiert und könnten nicht einfach in einer Kategorie mit höheren Hindernissen gemeldet werden. Gegen die Hitze gibt es die Möglichkeit, dem Pferd Wasser zu geben und es abzukühlen.»
Und bei gröberer Tierquälerei versteht man im Reitsport keinen Spass mehr. Immer wieder werden bei so einem Wettbewerb auch die Einreitplätze kontrolliert. «Würde man dort einen Reiter sehen, der sein Pferd schlägt, würde dieser sofort disqualifiziert werden.»
Tier darf nicht unterfordert werden
Die Tierärztin aus Zufikon reitet selbst und sieht darin nicht viel Negatives, solange alles artgerecht gehandhabt wird. «Pferde wollen sich grundsätzlich bewegen. Ich hatte mal ein Pferd, das in der Reithalle selbst über die Hindernisse sprang, ohne dass jemand auf ihm sass.» Dass die Pferde sich also gegen das Springen wehren, wenn sie vor einem Hindernis stehen bleiben, daran glaubt sie nicht. «Die Reiter trainieren mit diesen Pferden. Wenn es im Training springt, aber an so einem Concours nicht, dann ist es eher die Ablenkung oder ein Fehler des Reiters.»
Sie sieht eher Gefahr darin, dass man die Tiere körperlich und geistig nicht genug fordert. «Dann kann es sein, dass man plötzlich die Kontrolle über das Pferd nicht mehr hat. Das würde auch gefährlich werden.»
An Anlässen wie der Springkonkurrenz in Wohlen ist die Veterinärin glücklich, je weniger sie zu tun hat. Sie hat auch selten gröbere Verletzungen von Tieren miterleben müssen. Eine Anekdote bringt sie aber dennoch. «An einem anderen Concours war die Prüfung schon durch. Da das Pferd ausserhalb der gewohnten Umgebung kein Wasser lassen wollte, bekam es Koliken und hat sich permanent hingelegt. So war es nicht möglich, es in den Transporter zu verfrachten und nach Hause zu bringen. Erst nachdem wir eine Infusion gelegt haben, war es stabil genug für den Transport.» Ein Zeichen dafür, dass im Reitsport Wert auf das Tierwohl gelegt wird. «Die meisten Tierhalter, die ich kenne, sind auch sehr achtsam und ihre Pferde gut trainiert», erklärt die Tierärztin. «Ich sehe das Ganze eher unproblematisch.»