Ohne Köche keine Zukunft
10.01.2025 GeltwilFachkräftemangel in der Gastronomie: Cornelia Stähli droht im «Strebel» Geltwil das Aus
Ohne flexible und zuverlässige Aushilfsköche wäre schon vor zwei Jahren Schluss gewesen. In der Küche des Restaurants Strebel in Geltwil ...
Fachkräftemangel in der Gastronomie: Cornelia Stähli droht im «Strebel» Geltwil das Aus
Ohne flexible und zuverlässige Aushilfsköche wäre schon vor zwei Jahren Schluss gewesen. In der Küche des Restaurants Strebel in Geltwil herrscht Fachkräftemangel. «Wenn kein Wunder geschieht, ziehen wir im Herbst die Reissleine», sagt Wirtin Cornelia Stähli. Auch wenn die Hoffnung klein ist, aufgeben will sie nicht.
Annemarie Keusch
Es ist diese Zahl, die beeindruckt. Und die Cornelia Stähli ratlos macht, auch etwas wütend. 133 Personen zeigt es gestern Mittag an. 133 Personen im Umkreis von 20 Kilometern rund um Geltwil, die Köchin oder Koch sind und auf dem RAV nach Arbeit suchen. «Das geht doch nicht auf», sagt Cornelia Stähli. Sie hätten keine passende Person für ihre Stellenausschreibung gefunden. Diese Antwort erhielt Stähli seitens des Arbeitsvermittlung in den letzten Jahren immer wieder. «Aber wir versuchen es weiter, haben die Stelle wieder ausgeschrieben, nehmen wieder Kontakt mit dem RAV auf», betont die Wirtin.
Seit 14 Jahren empfängt Cornelia Stähli Gäste im Restaurant Strebel in Geltwil. An fünf Tagen pro Woche, von 9 Uhr morgens, bis die letzten Gäste am Abend durch die Restauranttür gehen. Sie ist Wirtin mit viel Herzblut. «Wenn alles passt, dann stimmt es für mich, täglich bis zu 16 Stunden zu arbeiten.» Sie erzählt von vielen schönen Momenten, zufriedenen Gästen, einem tollen Miteinander im Team, Gästen, die zu Freunden wurden. Es sei während der ganzen Jahre jeweils nicht einfach gewesen, qualifiziertes Küchenpersonal zu finden. «Wir hatten über weite Teile Glück, konnten auf langjährige Köchinnen und Köche zählen», sagt Wirtin Cornelia Stähli. Drei Fachkräfte sind jeweils in hochprozentigem Pensum angestellt, hinzu kommen Aushilfen. «An Wochenenden und Abenden sind sie jeweils zu viert in der Küche. Viele meinen, das müsse doch mit weniger Personal gehen. Aber dem ist nicht so. Wir bereiten vieles frisch zu, das braucht Personal.»
Nächster Abschied steht an
Dieses Glück aber verliess sie vor drei Jahren. Der langjährige Chefkoch verunfallte in den Skiferien. 50 Prozent ist das maximale Pensum, das er seither arbeiten kann. «Vor einem Jahr kam der nächste Schock.» Ein weiterer langjähriger Koch entschied sich, zurück in die deutsche Heimat zu gehen. «Ihn konnten wir nie ersetzen.» Nun steht der nächste Abschied an. Im Herbst zieht es eine Köchin und ihren Mann, der als Aushilfe im «Strebel» tätig ist, zurück nach Irland. Übrig bleiben eine ganz junge Köchin, die nach der Lehre in einer Pflegeinstitution das À-la-carte-Kochen lernt, und der Chefkoch im 50-Prozent-Pensum. Cornelia Stähli sagt: «Ohne unsere guten und flexiblen Aushilfen hätten wir schon vor zwei Jahren schliessen müssen.»
Stattdessen gab sie nie auf, nahm den grösseren administrativen Aufwand auf sich. Sie versuchte den Gästen gegenüber transparent zu sein, musste auch Reservationen ablehnen oder Leute darum bitten, schon bei der Reservation ihren Menüwunsch anzugeben. «So konnten wir durch bessere Vorbereitung das mangelnde Personal ausgleichen.» Und sie lancierte zigmal ein Stelleninserat, um neue Köchinnen und Köche zu finden. Bisher vergebens. «Es gab immer wieder Köche, die kamen», sagt sie. Die einen unterschätzten die Arbeit, weil sie dachten, dass sich in dieses Restaurant in einem solch kleinen, abgelegenen Dorf kaum jemand verirre. Andere entsprachen nicht den Vorstellungen des Teams. «Ja, wir haben Ansprüche. Wir wollen, dass die Qualität unserer Küche gleich bleibt. Cordon bleu, Rindsfilet, Entrecôte – wer bei uns kocht, muss diese Gerichte beherrschen.» Es ist diese Küche, die bei den Gästen ankommt. Und an Gästen mangelt es im «Strebel» nicht. «Wir haben uns einen guten Ruf und eine treue Stammkundschaft erarbeitet in den 14 Jahren.»
Auf dem Zahnfleisch
Das heisst aber nicht, dass sich eine neue Köchin oder ein neuer Koch nicht einbringen könnte. «Neue Ideen sind immer gefragt.» Und ohne darauf angesprochen zu werden, sagt Cornelia Stähli auch, dass der Lohn kein Grund sein könne, weshalb kein Fachpersonal in die «Strebel»-Küche kommt. «Für gute Arbeit zahle ich sehr gerne einen guten Lohn.» Auch die Arbeitszeiten als Grund, dass sie keine Leute findet, lässt Stähli nicht alleine gelten. «Ja, wir haben von 9 Uhr morgens bis jeweils am Abend geöffnet. Aber auch Gesundheitsinstitutionen mit schönen Arbeitszeiten finden keine Fachleute für die Küche.» Kommt hinzu, dass sie immer offener wird. Ein Wochenende frei pro Monat, Arbeitszeiten auf Absprache, Teilzeit – auch so bleiben die Stellenausschreibungen ohne passende Bewerbungen.
Das «Strebel»-Team läuft seit Wochen und Monaten auf dem Zahnfleisch. «Sollte jemand ausfallen, dann wird es kritisch», sagt die Wirtin. Sie wolle nicht jammern, das betont Cornelia Stähli immer wieder. «Es ist aber einfach die Realität.» Die Realität, um die viele ihrer Gäste wissen und sich deren dennoch nicht wirklich bewusst sind. Dass sie nun um Neujahr verkündete, im Herbst zu schliessen, sollte kein Wunder in Form von zwei Fachkräften geschehen, die im «Strebel» arbeiten. «Viele erschraken über diese Nachricht», weiss Stähli. Sie erschrecken noch mehr, wenn sie von Geschichten erzählt, die sie rund um dieses Thema in den letzten Monaten und Jahren erlebte. Und sie erschrecken über die Zahl der eigentlich stellensuchenden Köchinnen und Köche, die online beim RAV abrufbar ist.
Entscheid im Frühling
Die leidenschaftliche Wirtin hat zermürbende Wochen und Monate hinter sich. «Ja, es tut weh, dass es in unserer Branche so weit gekommen ist.» Stähli kennt andere Wirte, die in ähnlichen Situationen sind. Sich einzugestehen, dass es so einfach nicht mehr weitergeht, mache sie traurig. Nicht für sich, sondern vor allem für die Gäste, die Mitarbeitenden, das Restaurant an sich. Stähli ist Pächterin, ihr gehört der «Strebel» nicht. «Aber nach 14 Jahren wächst einem alles ans Herz, die Gäste, das Team und auch das Haus.» Und dennoch, so wie die letzten drei Jahre kann es nicht weitergehen. «Auch ich werde nicht jünger.» Fussschmerzen plagen sie seit dem Sommer. Operieren? Täglich Schmerzmittel zu sich nehmen? Ausfallen darf Cornelia Stähli eigentlich nicht. Dass die 55-Jährige nicht noch zehn Jahre lang wirten wird, war für sie seit Längerem klar. Dass nun das Ende aber früher kommen könnte als geplant, stimmt sie nachdenklich. «Dass die Pandemie in unserer Branche gerade im personellen Bereich vieles schwieriger machte, spüren wir seitdem. Dass wir aber deswegen vielleicht unsere Wirtetätigkeit aufgeben müssen, das hätte ich nicht für möglich gehalten.»
Im Herbst könnte es aber so weit sein. Der definitive Entscheid soll im März, spätestens im April gefällt werden. «Wenn wir bis dahin nicht zwei Fachkräfte finden, dann wird es schwierig.» Es wäre das nächste Restaurant, das schliessen muss. Aber nicht, weil die Gäste ausbleiben. «Überhaupt nicht.»