Mit Wallis-Power zu Bronze
02.12.2022 Sport, RingenRingen, NLA, Tanguy Darbellay vor dem Bronzekampf: Einsiedeln – Freiamt (Sonntag, 15 Uhr)
Der Walliser Tanguy Darbellay hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Vor zwei Jahren sass er unschuldig im Gefängnis in Weissrussland. Zu Beginn des Jahres trainierte ...
Ringen, NLA, Tanguy Darbellay vor dem Bronzekampf: Einsiedeln – Freiamt (Sonntag, 15 Uhr)
Der Walliser Tanguy Darbellay hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Vor zwei Jahren sass er unschuldig im Gefängnis in Weissrussland. Zu Beginn des Jahres trainierte er in Magglingen geflüchtete ukrainische Ringer. Jetzt will er mit der RS Freiamt die Bronzemedaille holen.
Josip Lasic
In der Ringerzeitung der RS Freiamt ist bei Tanguy Darbellay Folgendes als Beruf angegeben: «Sportler/Student». «Ja, ich bin in der Mitte meines Bachelorstudiums in Wirtschaft und Management an der UniDistance, einer Walliser Fern-Uni. Sie unterstützen mich sehr, sodass mir viel Zeit zum Trainieren bleibt.»
Dass er sich neben dem Studium primär dem Ringsport widmet, sieht man an den Ergebnissen des 23-Jährigen. Das Mitglied des Lutte Team Valais, das mit einer Doppellizenz für die RS Freiamt startet, hat in dieser Saison drei Kämpfe für die Freiämter bestritten. Gegen Einsiedelns Yves Neyer gab es einen 4:1-Sieg. In den Halbfinalduellen gegen Kriessern bezwang er Tobias Betschart einmal mit 3:1 und einmal mit 3:0. «Ich habe einen Punkt abgegeben im Halbfinal. Es wäre mehr möglich gewesen. Ich hätte besser ringen können. Das gilt für uns als ganzes Team. Deshalb bin ich nicht so stark enttäuscht, dass es nicht für den Final gereicht hat. Wir hatten es in der Hand, aber im entscheidenden Moment war Kriessern einen Tick besser.»
Im weissrussischen Gefängnis
Als er den Halbfinal analysiert, strahlt Darbellay eine enorme Ruhe aus. Vermutlich, weil er schon Gravierenderes erlebt hat als einen verpassten Ringerfinal. Vor drei Jahren wohnt er in der weissrussischen Hauptstadt Minsk, wo er trainiert, studiert und eine Freundin hat. Nach der Wiederwahl von Staatspräsident Alexander Lukaschenko gibt es Unruhen, die gewaltsam niedergeschlagen werden. Der Ringer ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Nach einem Abendessen mit einem Kollegen will er nach Hause. Die Polizei riegelt die Stadt ab. An einer Strassensperre teilt ihm ein Polizist zunächst mit, dass er durchgehen darf. Danach verhaftet er ihn. Darbellay verbringt seine erste Nacht im Freien, da das Gefängnis überfüllt ist. Die ausländischen Häftlinge werden immerhin nicht misshandelt. In fünf Tagen bekommt der Sportler aber nur zweimal zu essen, muss zusehen, wie weissrussische Gefangene geschlagen werden, kann wegen Lärm und permanenter Beleuchtung selten mehr als drei Stunden pro Nacht schlafen und verliert sieben Kilogramm. Nach fünf Tagen kommt er frei. «Zum Glück bin ich Ringer. Ich bin es gewohnt, vor grossen Wettkämpfen Gewicht zu verlieren oder wegen Nervosität schlecht zu schlafen. Ich habe die Haft sicher besser weggesteckt als ein italienischer Journalist, der mit mir inhaftiert war.»
In die meisten Länder der ehemaligen Sowjetunion darf Darbellay wegen dieses Vorfalls in den nächsten Jahren nicht mehr einreisen. Nach der Haft lebt er eine Zeit lang noch in Kiew, weshalb ihn der Krieg in der Ukraine ebenfalls beschäftigt hat. Er ging selbst an die Grenze, um Flüchtlinge in die Schweiz zu bringen. Zu Beginn des Jahres leitet er in Magglingen Trainings mit Ringern, die aus der Ukraine geflohen sind.
Vom Freiamt begeistert
In dieser Zeit trainiert er auch viel mit der RS Freiamt. «Ich war letztes Jahr am Final in Willisau. Es war etwas speziell, aber ich habe gesehen, dass die Freiämter Ringer mit sehr viel Herz kämpfen. Das hat mir gefallen, also habe ich angeboten, für sie zu ringen, wenn sie mich benötigen.»
Bisher hat er es nicht bereut. «Die Stimmung in der Halle ist grossartig. Und der Verein ist sehr familiär. Das gefällt mir. Im Wallis haben wir einen viel individuelleren Ansatz, um als Ringer erfolgreich zu werden. Der Teamgeist hier ist unglaublich. Selbst die Natur und die Landschaft im Freiamt gefallen mir. Es ist nicht so, wie im Wallis, aber das Freiamt ist auch sehr schön», sagt er lächelnd. Wie es mit seiner Karriere weitergeht, weiss Darbellay noch nicht. Nach vielen Jahren, in denen er im Ausland gelebt und trainiert hat, will er seinen Lebensmittelpunkt wieder in die Schweiz verlegen. «Deshalb kann ich auch noch nicht sagen, ob ich nächste Saison in der Mannschaftsmeisterschaft mitringe. Aber wenn, dann für die RS Freiamt.»
Momentan ist es aber ohnehin noch zu früh, um darüber nachzudenken. Es stehen zwei Kämpfe um die Bronzemedaille gegen Einsiedeln an. Darbellay ist zuversichtlich. «Das gewinnen wir, wenn wir unseren Job sauber machen und unsere Leistung abrufen. Die Freiämter werden wie immer mit viel Herz ringen. Und im Rückkampf in Muri wird es viele Zuschauer aus dem Wallis geben. Ich habe schon f leissig Werbung gemacht.» Die RS Freiamt kämpft also mit viel Wallis-Power um Bronze.