Mit dem Herzen voran
05.09.2025 Muri, FussballAlex Frei gewährte Einblick in sein Leben als Fussballer, Trainer und vor allem als Mensch
Anzuecken, scheute er sich nie. Auch beim Club 50 des FC Muri spricht er Klartext. Er plädierte beispielsweise darauf, dass es sinnvoll ist, wenn Talente zuerst eine ...
Alex Frei gewährte Einblick in sein Leben als Fussballer, Trainer und vor allem als Mensch
Anzuecken, scheute er sich nie. Auch beim Club 50 des FC Muri spricht er Klartext. Er plädierte beispielsweise darauf, dass es sinnvoll ist, wenn Talente zuerst eine Berufslehre machen und warnte vor dem zu frühen Absprung zu grossen Vereinen. «Die Basis ist der Breitensport wie hier beim FC Muri.»
Annemarie Keusch
Rekord-Torschütze der Nationalmannschaft. Internationale Karriere in Rennes und Dortmund. Sportchef in Luzern. Trainer beim FC Winterthur, FC Basel und FC Aarau. Man muss kein ausgewiesener Fussballfan sein, um Alex Frei zu kennen. Vieles über ihn ist bekannt. Aber im kleinen Rahmen gibt er mehr preis, etwa beim Gönnerverein des FC Muri. Dass es Talent, Durchhaltewillen und auch ein bisschen Glück braucht, um eine solche Karriere zu erreichen, ist bekannt. «Ich habe als Kind viel Zeit bei meinen Grosseltern verbracht», verriet er im Talk mit seinem ehemaligen Mitspieler beim FC Basel, Oliver Stöckli. Seine Grossmutter habe dabei immer aus allem einen Wettbewerb gemacht. «Sei es, wer beim Skifahren öfters die Piste hinunterrast, oder wer am Flohmarkt mehr Geld erwirtschaftet. Das prägt.»
Gleichermassen geprägt habe ihn, dass seine Karriere gerade anfangs nicht linear verlief. Frei kam jung zum FC Basel, 19-jährig hiess es dann aber, es reiche nicht. «Für mich als Basler brach eine Welt zusammen.» Via Thun, Luzern und Servette schaffte er es trotzdem noch nach ganz oben – zur internationalen Karriere in Rennes und Dortmund. Und als letzte Station als aktiver Spieler zurück zum FC Basel. «Das war all die Jahre immer im Hinterkopf. Weil ich hier noch eine Rechnung offen hatte.» Er wollte es allen zeigen. Und das hat er getan. Frei schlug auch in Basel nochmals ein und machte das, was er über all die Jahre als Fussballer immer machte: Er schoss Tore.
Mit viel Spielintelligenz
Das war schon in jungen Jahren das, was ihn von den anderen unterschied. «Ich war klein, fiel nicht durch Schnelligkeit auf.» Seine grossen Fähigkeiten wurden erst auf den zweiten Blick sichtbar. Doch es ist die Fähigkeit, die ein Spiel entscheidet – er schoss Tore. «Mein Spiel war geprägt von Spielintelligenz, vielmehr als von physischen Attributen.» Damit hat er es weit gebracht. Auch wenn das nicht heisst, dass er nicht gegen Widerstände anzukämpfen hatte. Aber Frei war bereit, die Extrameile zu gehen. Moderator Oliver Stöckli erinnert sich: «Während auf dem Weg zum Trainingsplatz alle vom Ausgang berichteten, hatte Alex längst einen Ball am Fuss.»
Beharrlichkeit. Es ist einer der Faktoren, die Alex Frei ganz nach oben brachten. Glück ist ein anderer. «Dieses kann man auch erzwingen. Wobei ich mir sehr bewusst bin, dass es Menschen gibt, die jeden Tag alles geben und nie vom Glück geküsst sind.» Frei hatte Glück. Mit Trainer Andy Egli als Förderer und Forderer. Mit Sturmpartner Kubilay Türkyilmaz. Aber er fällte auch clevere Entscheide. «Fast immer mit dem Herzen», sagt er. Etwa dann, als nach nur einer Saison beim FC Luzern Angebote reinflatterten, auch von Clubs im Ausland. «Natürlich war das verlockend, aber für mich war die Zeit noch nicht reif.» Rückwirkend eine weise Entscheidung und eine, die er sich auch aktuell von Nachwuchsspielern wünscht. «16-Jährige, die zu ausländischen Klubs wechseln, kommen nicht selten mit A-Post wieder zurück.»
Eltern bestanden auf eine Lehre
Überhaupt plädiert Frei dafür, dass junge Spielerinnen und Spieler länger im Breitensport bleiben – in ihren Vereinen, bei ihren Trainern. «Wenn 12-Jährige aus ihrem Umfeld zu grossen Akademien geholt werden, dann gibt das ihnen ein Gefühl der Wichtigkeit, mit dem sie gar nicht umgehen können.» Gleichwohl rät er Eltern solch talentierter Spielerinnen und Spielern, es seinen Eltern gleichzutun. «Sie bestanden darauf, dass ich eine Lehre absolviere.» Eine Lebensschule sei es gewesen, die Lehre, die Schule und das Training unter einen Hut zu bringen. «70 Prozent der Nati-Spieler an der Heim-Euro 2008 hatten eine Berufslehre im Hintergrund», weiss er. Heute wird viel früher alles auf die Karte Fussball gesetzt. «Viele stehen nachher mit nichts da.»
Frei dagegen konnte dank seinem beruflichen Hintergrund und seiner Affinität zu Zahlen früh damit beginnen, seine Karriere nach der Karriere zu planen. «Ich wollte, dass mein Leben finanziell auch unabhängig vom Fussball gut verläuft.» Als Sportchef und später als Trainer war er noch viele Jahre aktiv im Fussball-Geschäft. Und da kommt einer der zwei Entscheide ins Spiel, die Frei nicht mit dem Herzen, sondern mit dem Kopf fällte. Als die Anfrage kam, ob er Cheftrainer des FC Basel werden wollte. «Am Abend vor der Vertragsunterschrift sagte mein Herz, dass ich absagen müsse. Der Kopf wollte aber nicht.» Ein halbes Jahr später wurde er entlassen. Nachwievor ist Alex Frei mit dem Fussball verbunden, als Experte in verschiedenen Medien. Und er investierte in «Simpletransfer». Eine Plattform, die jungen Fussballern eine zweite Chance gibt. «Weil ich nichts anderes bin als. Ohne zweite Chance wäre ich nicht der Fussballer geworden, der ich war.» Für Frei ist klar: «Wer in den Leistungszentren rausfliegt, sieht niemand mehr. So gehen ganz viele Talente verloren.» Darum seien der Breitensport, die Vereine, wie es der FC Muri ist, umso wichtiger. Und Frei hat noch einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Er ist Käse-Sommelier, organisiert Käse-Anlässe. Den Wein dazu gabs vom Club 50 als Dank. Und den zweiten Entscheid, den er mit dem Kopf, statt mit dem Herzen fällte, wurde bestimmt während des Mittagessens noch diskutiert.