Stefan Sprenger, Redaktor.
Gleich zum Start: In dieser Kolumne ist nicht meine eigene Meinung enthalten – ausser ganz am Ende. Ich muss das schon vorneweg einräumen, um Missverständnissen vorzubeugen, denn heutzutage kann es ...
Stefan Sprenger, Redaktor.
Gleich zum Start: In dieser Kolumne ist nicht meine eigene Meinung enthalten – ausser ganz am Ende. Ich muss das schon vorneweg einräumen, um Missverständnissen vorzubeugen, denn heutzutage kann es manchmal gefährlich sein und einen Shitstorm auslösen, wenn man seine Meinung offen sagt – ob online oder am Stammtisch. Mark Twain sagte passend: «Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen – vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir.»
Ein paar Beispiele. Wenn man das Wort Mohrenkopf benutzt, weil es für einen persönlich nichts mit Rassismus zu tun hat, könnte es grobe Kritik hageln. Auch wenn man Toiletten für non-binäre Menschen ablehnt, gibts eins auf den Deckel. Eine andere Meinung zur Impfthematik während Corona zu äussern, war begleitet von viel hasserfülltem Gegenwind. Beim Thema Russland gibt es sowieso nur eine Meinung. Russland böse, Ukraine gut. Wer davon abweicht, kuschelt mit Vladimir Putin.
Auch wenn es um Israel und Palästina geht, darf man nur eine Meinung haben. Aber hoppla. Vor wenigen Tagen wurde ein 296 Seiten (!) langer Bericht veröffentlicht. Nach dem brutalen Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf Israel und dem Krieg in Gaza wurde diskutiert, ob sich die israelischen Gegenschläge zu einem Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung ausgeweitet haben. «Nun kommt Amnesty International als grösste Menschenrechtsorganisation in diesem Bericht zum Schluss, dass Israel einen Genozid begehe», heisst es.
Albert Einstein meinte: «Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.» Darf man jetzt aufgrund dieses Berichts seine Meinung ändern (und öffentlich aussprechen)? Benötigte es dafür einen 296 Seiten langen Bericht? Die Medien schreiben: «Amnesty International wirft Israel Genozid vor.» Also ein Vorwurf. Die Organisation schreibt selbst: «Recherchen belegen den Völkermord.» Also ein Beleg. Was denken Sie? Ich glaube – und jetzt äussere ich meine eigene Meinung über Meinungen: Es gibt Menschen, die sich immer angegriffen wähnen, wenn jemand eine Meinung ausspricht. Und auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben.