Mehr und anspruchsvollere Fälle
03.06.2025 MuriAbgeordnetenversammlung des KESD des Bezirks Muri heisst Aufstockung der Stellen gut
Den Klienten ein eigenständiges Leben ermöglichen – das streben die Berufsbeistände an. Dem steigenden Aufwand wird nun mit einem Personalausbau Rechnung ...
Abgeordnetenversammlung des KESD des Bezirks Muri heisst Aufstockung der Stellen gut
Den Klienten ein eigenständiges Leben ermöglichen – das streben die Berufsbeistände an. Dem steigenden Aufwand wird nun mit einem Personalausbau Rechnung getragen.
Thomas Stöckli
«Das ist ein Szenario, das uns allen nicht gefällt.» Daniel Räber, Gemeinderat von Muri und Vizepräsident des Bezirks-KESD, spricht aus, was zu diesem Moment die meisten im Raum denken dürften. Die Leistungen des Kindesund Erwachsenenschutzdiensts werden die Gemeinden in Zukunft deutlich teurer zu stehen kommen. 24 Prozent mehr. Der kontinuierliche Anstieg setzt sich ohne Anzeichen auf eine Trendwende fort, wobei die Fälle zunehmend komplexer werden. Auch, weil die vorgelagerten niederschwelligeren Instrumente «einfache» Fälle bereits abfedern.
Den Mitarbeitenden Sorge tragen
In ihren 14 Jahren im KESD-Vorstand – die letzten zwölf als Präsidentin – sei die Zunahme der Belastung ein Dauerthema, so Claudia Dober. Aktuell liege die Belastung der Mitarbeitenden bei 105 bis 182 Prozent, zeigt sie den Abgeordneten der Bezirksgemeinden auf. Rund 400 Überstunden haben sie kumuliert. Seit 2022 hat die Anzahl Mandate von 234 auf 271 zugenommen. Das lässt sich mit gleichbleibenden Ressourcen nicht stemmen. «Wir finden es nicht cool, zusätzliche Pensen beantragen zu müssen», so Räber. Und doch muss man genau dies einmal mehr tun. Schliesslich will man die guten, engagierten Mitarbeitenden nicht verheizen.
Konkret sollen 150 Stellenprozent dazukommen, auf neu insgesamt 920 Stellenprozent. «60 Prozent per sofort», präzisiert die KESD-Präsidentin, «die restlichen Prozent werden wir wohl auch noch dieses Jahr brauchen.» Und: «Damit sind wir immer noch unter den Anforderungsrichtlinien der KOKES», so Dober. Die Argumentation stösst bei den 19 anwesenden Gemeinde-Abgeordneten offenbar auf Verständnis, sie heissen die vom Vorstand beantragte Stellenaufstockung einstimmig gut.
Massgeschneiderte Lösungen
Was es mit diesen Richtlinien der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) auf sich hat, das stellt Urs Vogel, Dozent, Berater und Projektleiter mit Erfahrung als Amtsleiter und Fachexperte im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der gesetzlichen Sozialarbeit, den Anwesenden in einem Kurzreferat vor. Dabei geht er vom neuen Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz aus, das seit 2013 in Kraft ist. Es gewichtet unter anderem die Selbstbestimmung höher, fordert massgeschneiderte Lösungen und lässt Massnahmen erst als letztes Mittel zu, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Diese Anforderungen bringen es mit sich, dass ein Beistand jedes Mandat persönlich führen und eine Vertrauensbeziehung aufbauen muss. «Dadurch wird der Aufwand viel grösser», spricht der Referent das Offensichtliche aus. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Beistandschaft so hoch, dass sie sich kaum auf eine einzelne Person vereinen lassen. Es braucht eine Gesamtheit von Kompetenzen, die nach verschiedenen Berufsprofilen verlangt. «Kleinstorganisationen funktionieren da nicht», stellt der Referent klar, «es braucht mindestens 10 bis 14 Mitarbeitende.»
Für die Aufstellung solcher Teams sind Analysen gefragt. «Es braucht Modellvorschläge», so Vogel, «Empfehlungen, wie Berufsbeistandschaften geführt werden sollen.» Schliesslich gilt es, zu hohe Belastungen – und damit unnötige Fluktuationen und krankheitsbedingte Ausfälle – zu vermeiden. «Die Gemeinden sind verpflichtet, persönliche Hilfe zu leisten», stellt Vogel klar, «und dazu braucht es genügend Berufsbeistände.» Gleichzeitig macht er sich für vorgelagerte Instrumente stark, wie sie etwa von Vereinen und Kirchgemeinden geleistet werden: «Freiwillige Sozialhilfe trägt dazu bei, aufwendige behördliche Massnahmen zu reduzieren.»
Personeller Ausbaubedarf
Der KESD Bezirk Muri habe viele der KOKES-Empfehlungen bereits erreicht, stellt Vogel der hiesigen Organisation ein gutes Zeugnis aus, spricht von einer «soliden Organisation», welche die Strukturen biete, professionelle Arbeit leisten zu können. «Bezüglich der personellen Ressourcen allerdings noch nicht», stellt der Referent allerdings auch unmissverständlich klar. Während früher pro Mandat mit einem Zeitaufwand von 1,5 Stunden pro Monat gerechnet werden konnte, seien es heute für Erwachsene zwei bis zweieinhalb, für Kinder bis drei Stunden. Das erklärte Ziel lautet, die Klienten dahin zu begleiten, dass sie ein eigenständiges Leben führen können.
Bis 2030/31 wolle der KESD bezüglich KOKES-Richtlinien das Soll erreichen, blickt Daniel Räber in die Zukunft. Als nächsten Schritt plant der Vorstand deshalb eine Auslegeordnung und einen konkreten Weiterentwicklungsplan. Dazu ruft er die Gemeinden auf, sich im Sinne einer «Echokammer» mit einem Vertreter oder einer Vertreterin in den Prozess einzubringen.