Mehr Aufenthaltsqualität statt Stau
04.04.2025 MuriStudierende der Fachhochschule Ostschweiz präsentieren Lösungsvorschläge für die Verkehrssituation in Muri
Im Nahverkehr aufs Auto verzichten und den Durchgangsverkehr vor dem Siedlungsgebiet dosieren – sechs junge Männer zeigen, wie sie ...
Studierende der Fachhochschule Ostschweiz präsentieren Lösungsvorschläge für die Verkehrssituation in Muri
Im Nahverkehr aufs Auto verzichten und den Durchgangsverkehr vor dem Siedlungsgebiet dosieren – sechs junge Männer zeigen, wie sie Muri vom Stau entlasten würden. Dabei schneidet ein Knotenpunkt besonders kontrovers ab.
Thomas Stöckli
«Der Turbokreisel ist sehr leistungsfähig», stellen Mario Brüngger und Nico Desait, Studierende an der Fachhochschule Ostschweiz, fest. Das grosse Aber folgt allerdings sogleich: Das gelte nur für den Autoverkehr. Carsten Hagedorn, Leiter des Studiengangs Stadt-, Verkehrs- und Raumplanung, wird deutlicher: «Der Turbokreisel ist für den Veloverkehr nicht geeignet.» Dabei müsse es in Muri im Sinne einer nachhaltigen Mobilitätsbewältigung darum gehen, für kurze, direkte Fussweg- und Veloverbindungen zu sorgen, hat Valérie Weibel von der Arbeitsgruppe Mobilität und Ortsplanung des Muri Energie Forums bereits in ihrer Einführung ins Thema betont. Schliesslich ist auch in der Mobilitätsstrategie 2050 und im kommunalen Gesamtplan Verkehr festgehalten, dass der Anteil des motorisierten Individualverkehrs reduziert werden soll.
Velo und Bus kombinieren
Das Velo, der öV und das Zu-Fuss-Gehen sollen für Kurzstrecken im Dorf zur sinnvolleren und sicheren ersten Wahl werden, was Muri vom Stossverkehrs-Chaos entlasten würde. Dazu gehört gemäss Desait und Brüngger auch, dass die Velowege entlang der Luzernerstrasse gegenüber den Abzweigungen Vortrittsrecht geniessen sollten. Und eben: Dass der Turbokreisel zum «normalen» Kreisel umgebaut wird, auf dem sich die Velos sicher mittig auf der Fahrspur einordnen können.
In drei Zweierteams haben sich die Studenten, die kurz vor dem Bachelor-Abschluss stehen, und ihr Dozent Manuel Oertle einen Monat lang mit dem Thema Verkehrsplanung von Muri befasst. Dass der Kreisel vor dem Coop gemäss Brüngger und Desait «das zweitbekannteste Bauwerk im Dorf» – nach dem Kloster notabene –, der grosse Knotenpunkt ist, sind sich alle einig. Doch auch weitere Problemfelder und Lösungsansätze kommen zur Sprache. Für Roman Höhener und Nico von Arx ist klar, dass Parkfelder reduziert werden müssen, um unnötige Fahrten ins Zentrum zu reduzieren. Weiter empfehlen sie Velo-Abstellplätze an den Bushaltestellen, um nachhaltige Verkehrsmittel besser kombinieren zu können, dazu hier und dort Temporeduktionen sowie eine Fussgängerzone an der Marktgasse.
Lichtsignal am Dorfeingang
Einen ihrer Leitsprüche, «Alles nah, alles da», teilen auch Marcin Lusser und Jan Koller. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einer «15-Minuten-Gemeinde». Will heissen, dass alle Versorgungseinrichtungen in einer Viertelstunde erreichbar sind, ohne ins Auto steigen zu müssen. Das sei Muri bereits, sollte Stefan Staubli, Präsident des Muri Energie Forums dazu später anmerken, mit Verweis auf den aktuellen Newsletter des Vereins, der genau das zum Thema hat.
Koller und Lusser schlagen vor, den Verkehrskollaps mittels Lichtsignalen am Dorfrand aus dem Zentrum fernzuhalten. Das soll die Aufenthaltsqualität im Dorf erhöhen, ebenso wie Bäume, die Plätze abgrenzen und im Sommer gleichzeitig Schatten und damit Abkühlung spenden. Als Beispiel führen sie den Platz vor dem Jugendhaus muri13 auf. Hier schwebt ihnen ein Freiluft-Aufenthaltsraum mit Trinkbrunnen und Liegebänken vor. Auf der vorderen Hälfte des Chäsi-Parkplatzes soll derweil ein Imbiss mit Sitzplätzen Platz finden, dazu eine reiche Bepflanzung, Bänke und ein öffentliches WC.
Autoarmes Wohnen fördern
Den Turbokreisel haben alle Teams als unfallgefährlich und als Rückstau-Element erkannt. Charakteristisch für Muri und seine Verkehrsprobleme ist zudem die stark in Ost und West trennende Wirkung des Bahntrassees. Als Schwerpunkt für die Planbarkeit der künftigen Entwicklung haben die Studenten das Areal Brühl geortet. Es birgt das Potenzial von über 1000 zusätzlichen Autofahrten pro Tag. Hier liesse sich mit einer konsequenten Förderung von autoarmem Wohnen der Zusatzverkehr um 30 bis 40 Prozent reduzieren.
Weiter sprechen sich die Studenten für eine starke Durchwegung zwischen dem Bahnhof und dem Oberstufen-Schulareal aus. Und auch ein zusätzlicher Bahnhof im Industriegebiet und eine Veloverbindung entlang der Bahnlinie werden in Erwägung gezogen.
Verkehr an der «Gmeind»
Für die Studierenden sei es schön, eine Arbeit mit praktischem Nutzen zu leisten, so der Studiengangsleiter. Im Refektorium müssen sie aber auch erleben, wie ein Stadt-, Verkehrs- und Raumplaner zuweilen im Gegenwind steht. Jemand unter den rund 50 Interessierten im Saal stört sich daran, dass die Bus-Anbindung viel zu wenig berücksichtigt worden sei, ein anderer moniert derweil, die reduzierten Parkplätze würden bei kulturellen Anlässen fehlen, eine dritte, für die angestrebte Veloverbindung entlang der Bahnlinie fehle schlicht der Platz. In der Aufgabenstellung habe man auf die lokale, nicht auf die regionale Sicht fokussiert, nimmt Hagedorn die jungen Männer in Schutz. Auch ein Einbezug der Bevölkerung – sonst in jeder Planung ein Muss – sei in der kurzen Zeit nicht möglich gewesen.
Andreas Leuppi, Geschäftsführer des Muri Energie Forums, macht Mut, sich mit utopisch anmutenden Ideen auseinanderzusetzen und statt einfach «Geht nicht!» zu rufen, sich ernsthaft zu fragen, was man ändern müsste, um etwas Sinnvolles eben doch realisieren zu können. «Das Thema Verkehr ist immer emotional», meldet sich auch Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger noch zu Wort. Zumindest seien die Problemfelder erkannt. Und er macht schon mal Appetit auf die kommende Sommer-«Gmeind». Dort wird dann Tempo 30 Thema sein. Und die Bahnhofs-Verbindung Mürlifeld.