Kurs in Richtung Los Angeles
31.12.2024 SportMenschen mit einem besonderen Jahr: Das Olympia-Jahr des Berikers Tim Roth
Tim Roth hat sich vom Krankenbett aus an die Olympischen Spiele gekämpft. Dort schnitt der Vierer ohne Steuermann schlechter ab als erhofft. Dennoch bleibt das Jahr für den Beriker in ...
Menschen mit einem besonderen Jahr: Das Olympia-Jahr des Berikers Tim Roth
Tim Roth hat sich vom Krankenbett aus an die Olympischen Spiele gekämpft. Dort schnitt der Vierer ohne Steuermann schlechter ab als erhofft. Dennoch bleibt das Jahr für den Beriker in guter Erinnerung.
Tim Roth verbrachte Weihnachten und Neujahr in der Schweiz mit seiner Familie. Die Monate zuvor war er an der University of California in Berkeley, wo er Wirtschaft und Data Science studiert – und natürlich rudert. «Ich habe mich früh nach den Olympischen Spielen verpflichtet, mit dem Team an der Universität zu trainieren. Sechs Wochen nach Paris war ich wieder im Mannschaftstraining.»
Viele Athleten erleben nach den Spielen eine «Post-Olympia-Depression». «Mir ist nach Olympia durchaus auch der Gedanke gekommen: ‹Und was jetzt?› Als ich wieder ins Training eingestiegen bin, konnte ich aber schnell Anschluss finden und mir neue Ziele setzen. Diese Gedanken waren bald verflogen.»
An einer Uni mit Topathleten
Geholfen hat dem 23-Jährigen sicher auch das Umfeld an der Universität. An seiner Uni studieren viele erfolgreiche Sportler. Vor allem im Schwimmen und Rudern ist die «Cal», wie die Universität abgekürzt wird, sehr stark. «Aber hier studiert zum Beispiel auch ein Litauer, der olympisches Silber im Diskuswerfen gewonnen hat. Die Universität schätzt es, dass so viele ihrer Studenten an Olympischen Spielen teilnehmen, und lässt es die Leute wissen. Als eine meiner Dozentinnen erfuhr, dass ich in Paris war, hat sie ein längeres Gespräch mit mir geführt. Das macht mich stolz.»
Stolz kann er auch darauf sein, dass er von den elf Ruderern seines Hochschulteams einer von nur vier ist, die sich Olympiateilnehmer nennen dürfen. «Dass ich überhaupt dabei war und die Qualifikation schon ein grosser Erfolg ist, lässt mich auch das Resultat etwas besser verarbeiten.» Die Qualifikation des Schweizer Vierers ohne Steuermann war sensationell. An der letzten Regatta gelang es dem Freiämter und seinen Teamkollegen, das Ticket für Paris zu lösen. Und dies, obwohl Roth kurz zuvor an einer Lungenentzündung gelitten hatte. In Paris selbst landeten die Schweizer auf Rang 9 unter 9 Teams. Der letzte Platz und ein verpasstes Olympisches Diplom.
Leaderrolle und Mix aus Druck und Spass
Doch dem Athleten ist es schnell gelungen, das Ergebnis einzuordnen. Kurz nach Olympia sagte er zu dieser Zeitung, dass nicht mehr dringelegen ist. «Wir haben in jedem Rennen versucht, das Maximum herauszuholen. Es hat sich nie nach einem schlechten Lauf angefühlt und wir konnten uns immer sagen, dass wir unser Bestes gegeben haben. Im Schnitt waren die anderen Boote fast einen Olympiazyklus älter als wir. Details können an Olympia viel ausmachen. Es gibt keinen Platz für Fehler. Und wenn ich sehe, wie souverän beispielsweise die USA waren, kann ich mir vorstellen, dass die Routine einen Unterschied ausmacht. Jetzt waren wir einmal an den Olympischen Spielen und können sicher viel für die Zukunft mitnehmen.»
Dass er das getan hat, spürt Roth bereits. Er sagt, dass er lockerer geworden ist, weil er sein grosses Ziel erreicht hat. Andererseits merkt er, dass von ihm erwartet wird, eine Führungsrolle im Team der Universität zu übernehmen. «Es ist ein gesunder Mix aus Druck und Spass, den ich verspüre. Ich will liefern und gute Resultate am Ergometer erzielen.»
«Hoffe, in Los Angeles erfolgreicher zu sein»
Der Trainer liess die Olympia-Teilnehmer allerdings bis Oktober pausieren, um zu regenerieren. «Zuerst war ich dagegen. Als wir dann wieder ins Training eingestiegen sind, habe ich schnell gemerkt, dass die Bereitschaft, an die Grenzen zu gehen, noch nicht ganz da ist. Das hat sich aber schnell gelegt und ich bin bald wieder an meine persönlichen Bestleistungen herangekommen.»
Für Roth sind die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles das nächste grosse Ziel. «Im Frühling 2026 schliesse ich mein Studium ab. Von da an habe ich noch zweieinhalb Jahre Zeit, um mich voll auf Los Angeles vorzubereiten. Dort hoffe ich, etwas erfolgreicher zu sein», fügt er schmunzelnd hinzu. Kalt lässt ihn der 9. Platz in Paris nicht. «Natürlich wollte ich besser abschneiden. Trotzdem war es ein gutes Jahr.» Die Olympischen Spiele bleiben ihm in guter Erinnerung. «Die Zuschauerkulisse war unglaublich. Einen Event mit einer solchen Riesentribüne, wo man wirklich den Eindruck hat, dass man vom Publikum nach vorne gepeitscht wird, habe ich noch nie erlebt. Das hat Spass gemacht. Es war auch eine mentale Erfrischung, danach wieder in die USA zurückzukehren und Kollegen wiederzutreffen, die ich jetzt ein Jahr lang nicht gesehen habe. Das waren alles spezielle Erlebnisse.» Diese Erfahrungen kann ihm niemand mehr nehmen. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Los Angeles werden sie ihm sicher helfen, gute Leistungen zu zeigen. --jl