Kirche für die Sünder
11.03.2025 MuriIm Film «Kalbermatten» spielt Philipp Galizia als Dorfpfarrer die Hauptrolle
Der Name Galizia zieht in Muri und Umgebung. Das hat sich am Wochenende im Kino Mansarde bestätigt. Zur Vorführung des Films «Kalbermatten» war der Saal ausverkauft. ...
Im Film «Kalbermatten» spielt Philipp Galizia als Dorfpfarrer die Hauptrolle
Der Name Galizia zieht in Muri und Umgebung. Das hat sich am Wochenende im Kino Mansarde bestätigt. Zur Vorführung des Films «Kalbermatten» war der Saal ausverkauft.
Thomas Stöckli
«Wegen mir geht in Zürich niemand ins Kino», macht sich Philipp Galizia keine Illusionen. In Muri sieht das anders aus. Hier kennt man ihn. Nicht als «den Dorftrottel», wie er sich im Kurzinterview vor der Vorführung im Kino Mansarde selbst bezeichnet, sondern als Künstler, als begnadeten Erzähler mit viel Gespür für Absurdität und Timing.
Entsprechend ist die Vorstellung ausverkauft. «125 Leute», verrät Reto Holzgang, der das Kino seit 15 Jahren leitet. Sie alle wollen Galizia in seiner Rolle als kreativer Dorfpfarrer Elio von Guggisberg sehen. Einer Rolle, der er glaubhaft Leben einhaucht. Dafür habe er selbst ins Drehbuch eingreifen und seine Rolle mitentwickeln dürfen, so der Murianer, denn: «Die Autoren waren Reformierte, die hatten offenbar keine Ahnung», sagt er und lacht.
Hauptdarsteller ohne Starallüren
Und wie ist Galizia zu seiner ersten Kino-Hauptrolle gekommen? Regisseur Marc Schippert habe ihn angerufen und ihm das Drehbuch geschickt. «Huere geil» habe er die Geschichte gefunden, berichtet der Murianer. Anstelle eines Castings habe er den Regisseur dann nach Muri eingeladen und ihn selbst bekocht. «Habt ihr zusammen gesoffen?», versucht Holzgang zwischen den Zeilen zu lesen. «Nein, ich habe gut gekocht», versichert Galizia. Und im Garten habe man anschliessend Testaufnahmen einer Trauerszene vor dem Grab gemacht.
Das Filmbusiness sei schon nochmals eine andere Welt, so der erfahrene Bühnenkünstler. Während er sich gewohnt ist, den Ton und das Licht selbst zu machen, sei es im Film üblich, dass einem das Hemd zugeknöpft werde. So habe er darauf bestehen müssen, seine Schuhe selbst zu binden. Als Hauptdarsteller habe er dafür während des Drehs im Hotel in Unteriberg die oberste Suite bekommen.
Ein Bergdorf im Fokus der Welt
Als Drehbuchautor und Produzent steht Andreas Thiel hinter dem Film. Einst gefeierter Satiriker, der es allerdings durch einige grenzwertige Auftritte und Positionsbezüge mit dem Publikum verscherzte und in der Folge kaum noch engagiert wurde. Auch er habe mit Thiel einen Disput gehabt bezüglich dessen Islam-Kritik, blickt Galizia zurück und zitiert sein früheres Ich: «Jetzt hast du so ein Drama gemacht und keiner will dich sprengen.» Nun haben die beiden doch wieder zu einer Zusammenarbeit gefunden. «Er ist ein Kindskopf», sagt Galizia über den einstigen Satiriker. Und schnell schiebt er nach: «Das haben wir gemeinsam.»
Das gilt auch für einen weiteren bekannten Namen im Cast: Rob Spence, Comedy-Import aus Australien. Er verkörpert im Film einen gestürzten Diktator, der gemeinsam mit einer illegalen Einwanderin im idyllischen Bergdorf Kalbermatten Kirchenasyl findet. Wobei die Idylle längst bröckelt. Aufgrund der Schuldenlast drohen sowohl der Verlust der Dorfkirche – in die sich sowieso kaum noch jemand verirrt – wie auch eine Zwangsfusion.
Von Guggisberg bringt wieder Leben in die Kirche, indem er sie zum Ort für die Sünder erklärt, wo selbst der Imam vom Kirchturm zum muslimischen Gebet rufen darf. Um die Gemeindefinanzen nachhaltig zu sanieren, scheint dem Gemeinderat ebenfalls jedes Mittel recht zu sein. Schliesslich entscheidet man sich gegen den Bau eines Atomkraftwerks – das dauert viel zu lange – und stattdessen für ein Ausschaffungsgefängnis. An der Gemeindeversammlung kommt es zur Eskalation und zum Kampf der Geschlechter, womit das kleine Dorf es in die Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit schafft. Um schliesslich gemeinsam die Zukunft ihres Dorfes zu retten, müssen die Dörfler zusammenhalten. Und da ist einmal mehr der Pfarrer gefordert.
Neues Bühnenprogramm
Der Einstieg scheint etwas schwerfällig, doch dann nimmt der Film an Fahrt auf, getrieben von Skurrilität, von überzeichneten Klischees und Brüchen damit sowie vom teils derben Schalk ihrer Figuren. In der Gunst des Publikums tut sich die Produktion allerdings schwer. Am 9. Januar ist «Kalbermatten» ins Kino gekommen. Von 8516 Eintritten in den ersten beiden Monaten spricht Reto Holzgang. Und am Wochenende der Vorführung in Muri sei der Film in keinem anderen Kino der Schweiz gezeigt worden. Tut das weh? «Das geht mir am Arsch vorbei», winkt Galizia ab.
Und doch wünscht er sich für «Kalbermatten» eine Fortsetzung. Ursprünglich als Netflix-Serie geplant, gebe es bereits Ideen, wie die Geschichte weiterentwickelt werden könne, verrät der Bühnen- und nun auch Leinwandkünstler. Und das Leuchten in seinen Augen macht deutlich: Auf den einen oder anderen Twist hätte er deutlich Lust.
Vorerst liegt der Fokus allerdings auf seinem neuen Bühnenprogramm. Am kommenden Freitag feiert «Öppeneso» Premiere. Die drei ersten Aufführungen im Sternensaal Wohlen sind alle ausverkauft.