Kein Tag ohne zu stricken
31.07.2025 MuriSommerserie «Auf den Punkt»: Ein Besuch bei Heidi Keller in ihrem Stoff- und Wullehüsli
Wer näht, strickt oder häkelt, kennt das Stoff- und Wullehüsli in Muri sicher. Heidi Keller blickt auf ihre Anfänge im Geschäft zurück und ...
Sommerserie «Auf den Punkt»: Ein Besuch bei Heidi Keller in ihrem Stoff- und Wullehüsli
Wer näht, strickt oder häkelt, kennt das Stoff- und Wullehüsli in Muri sicher. Heidi Keller blickt auf ihre Anfänge im Geschäft zurück und sinniert über die Zukunft. Zudem erzählt sie, dass Wolle längst nicht mehr nur synthetisch oder tierisch ist. Es gibt sie mittlerweile sogar aus Ananasfasern.
Annemarie Keusch
In allen möglichen Farben. Einem Regenbogen gleich sind die Wollknäuel, die gleich beim Eingang zum Stoff- und Wullehüsli angeordnet sind. Es ist Doris Schweizers Werk. Dass genau das zum Hintergrund des Fotos wird, macht sie stolz, aber auch ein wenig verlegen. Die Wolle, sie ist das Produkt, weshalb die meisten Kundinnen und Kunden in den kleinen Laden an der Marktstrasse kommen. Und wer nun denkt, dass dies ausschliesslich ältere Semester sind, täuscht sich. Heidi Keller führt das Stoff- und Wullehüsli. Sie sagt: «Es kommen auch junge Leute und nicht nur einzelne.» Das Stricken sei wieder in. «Vielleicht nicht mehr nur Socken, sondern vielmehr auch Mützen, Schals und Stirnbänder.» Aber auch Junge wagen sich noch an die Socken. «Bei den Spiralsocken entfallen auch die schwierigen Fersen, wovor viele Anfängerinnen und Anfänger Respekt haben.»
Fersen zu stricken – für Heidi Keller ist das längst Routine. Sie führt das Stoff- und Wullehüsli seit 1986. «Es ist ein grosser Teil meines Lebens», sagt sie. Viel Freude und Herzblut sei damit verbunden. «Ich habe bisher nicht einen Gedanken daran verloren, damit aufzuhören», sagt die mittlerweile 69-Jährige. Zu sehr schätzt sie die Kundschaft, das Miteinander im Team – und natürlich das Stricken selbst. «Es vergeht kein Tag, ohne dass ich die Nadeln und das Garn selbst in die Finger nehme.» Die Modelle im Laden sind alle von Keller oder einer ihrer vier Teilzeit-Mitarbeiterinnen selbst gestrickt. «Wir wollen schliesslich sicher sein, dass die Muster, die wir empfehlen, auch wirklich passen.» Übrigens sind Strickberechnungen nach Mass eine der Dienstleistungen, die das Stoffund Wullehüsli anbietet. «Aber nur für jene, die auch die Wolle hier kaufen. Sonst wäre es, als würde man im Grossverteiler Bündnerfleisch kaufen und der Metzger soll es aufschneiden.»
Via Zeitungsannonce nach Muri
Denn, wer meint, hier nur Wolle einkaufen zu können, der täuscht sich. Auch wenn die Zeit im kleinen Laden etwas stehen geblieben zu sein scheint. Hier ertönt noch eine Glocke, wenn die Tür aufgeht. Hier begrüssen einen seit vielen Jahren dieselben Gesichter. Die Dienstjüngste arbeitet seit zwölf Jahren hier. Fast alle sind mittlerweile pensioniert. Doris Schweizer absolvierte einst gar die Lehre hier – Detailhandel, Fachrichtung Textil. «Allein die Lernenden im Bereich Handarbeit füllten schweizweit nie eine ganze Klasse», weiss Heidi Keller. Ein wenig Wehmut schwingt in ihren Worten mit.
Das Stoff- und Wullehüsli an der Marktstrasse hat in Muri eine lange Tradition. Schon bevor Heidi Keller das Geschäft übernahm. Keller wuchs in Zürich auf, arbeitete bei einer Versicherung. Nach dem Umzug nach Auw suchte sie eine neue berufliche Herausforderung. «Und weil ich schon immer Freude an der Handarbeit hatte, sah ich mich in diesem Segment um, mit der Idee, mich selbstständig zu machen», erzählt sie. Dass dies auf dem Land möglich sei, daran habe anfangs nicht nur ihr Mann gezweifelt. «Schliesslich gab es damals noch keine Busverbindung nach Auw.» Etwas grösser als Auw sollte die Standortgemeinde dann doch sein. Aber Keller hatte keine Ahnung, um welches Dorf es sich handle, als damals in der NZZ ein Handarbeitsgeschäft ausgeschrieben war. «Als ich nachfragte, war die Antwort: in der Nähe von Muri.» Erst zwei Wochen vorher hatte Keller das Stoff- und Wullehüsli in Muri als Kundin kennengelernt. «Ich staunte nicht schlecht, als die Garage von Louis Frey der Treffpunkt war und das Stoff- und Wullehüsli wirklich das Ziel.» Einen Monat später eröffnete sie das Geschäft.
Viel gelesen, zugehört und gelernt
Das kalte Wasser, in das sie anfangs sprang, ist längst angenehm warm geworden. Auch vor den Reissverschlüssen hat sie keinen Bammel mehr. «Es gibt zig verschiedene, das verunsicherte mich anfangs.» Längst ist Heidi Kellers Erfahrungsschatz reich. Viele Kurse halfen, viel zuhören, viel nachlesen. «Denn wirklich von der Pike auf gelernt habe ich dieses Metier nicht – weder das Handwerkliche, noch das Führen eines Geschäfts.» Funktioniert hat es dennoch von Anfang an, auch weil Heidi Keller mit ganz viel Leidenschaft am Werk war und es immer noch ist. Lange Zeit ergänzte ein reiches Kursangebot den Laden – Patchwork-Nähen, Häkeln, Stricken. «Damit haben wir nach der Pandemie nicht wieder angefangen. Auch, weil ich mich entscheiden musste, ob ich mit über 60 Jahren vielleicht künftig auch einmal die Abende zu Hause verbringen will.»
Gelb und Curry sind im Trend
Der Laden aber ist geblieben. Und Heidi Keller ist überzeugt, dass dies trotz grosser Konkurrenz aus dem Internet weiter möglich ist. «Wer Beratung will, kommt zu uns», sagt sie. Und weil gerade auch Wolle zeitlos ist, sich über die Jahre und Jahrzehnte der Mode angepasst hat. «Heute sind die Kombinationen mit anderen Materialien vielfältiger, aber auch die Wolle selbst», erzählt sie. Hanf, Leinen, Bambus, natürlich Schaf- und Baumwolle, solche synthetischen Ursprungs. «Und auch Ananasfaser. Es gibt immer wieder neue, verrückte Produkte.» Sich den Trends anzupassen, das gehört für Heidi Keller ganz selbstverständlich dazu. Gelb und Curry seien die Farben, die in den letzten Jahren zunehmend aufgekommen sind.
Ganz ohne Maschine
«Für die Seele» so beschreibt Heidi Keller das Stricken. Kaum jemand strickt mehr, um günstiger Kleider produzieren zu können. Vielmehr ist es ein Hobby. «Auch weil im Laufe der Jahre die Wolle teurer und die Produkte aus der Modeindustrie immer günstiger wurden.» Auch Keller selbst liebt das Stricken. «Ich bin kein Maschinen-Mensch», sagt sie. Genäht wird höchstens im Patchwork-Stil, ohne Nähmaschine. Das Handwerkliche mit dem Kreativen zu verbinden, ist es, was ihr an ihrem Alltag so gefällt. «Darum würde mir ganz sicher etwas fehlen, gäbe es das Stoff- und Wullehüsli nicht», sagt sie. Auch wenn Haus und Garten in Auw auch Arbeit mit sich bringen. «Ich brauche das Stricken.» Den Austausch mit den Kundinnen und Kunden. Das Miteinander im Team. Kurzum, Heidi Keller braucht das Stoffund Wullehüsli und betreibt es mit entsprechend grosser Leidenschaft.
Mehr Informationen: www.wullehüsli.ch.