«Ich sehe das Amt als Privileg»
04.07.2023 TägerigBeat Nietlispach, Gemeindeammann von Tägerig, erklärt seinen Rücktritt auf Ende Jahr
Nach rund 14 Jahren im Amt als Gemeinderat, davon mehr als sechs als Vizeammann und sechs weitere als Ammann, endet im Dezember die Amtszeit von Beat Nietlispach. Er stand ...
Beat Nietlispach, Gemeindeammann von Tägerig, erklärt seinen Rücktritt auf Ende Jahr
Nach rund 14 Jahren im Amt als Gemeinderat, davon mehr als sechs als Vizeammann und sechs weitere als Ammann, endet im Dezember die Amtszeit von Beat Nietlispach. Er stand in einer «struben» Zeit an der Spitze der Gemeinde, hat diese aber souverän durch alle Stürme geführt.
Chregi Hansen
Das Rücktrittsschreiben ist sehr kurz verfasst. «Aus privaten/persönlichen Gründen reichte ich am 27. Juni meine Demission per 31. Dezember beim Departement Volkswirtschaft und Inneres ein. Dem Gesuch wurde mit Schreiben vom 28. Juni stattgegeben», schreibt Beat Nietlispach in einer Mitteilung an die Medien. Und weiter: «Leider haben sich meine persönlichen Verhältnisse in eine Richtung entwickelt, welche eine weitere Zugehörigkeit im Gemeinderat von Tägerig nicht rechtfertigen würde. Damit sich die Ratskollegen und -kollegin auf eine starke und präsente Führung verlassen können, habe ich die Demission eingereicht.»
Ende Jahr ist also Schluss für Beat Nietlispach. Er wirkt seit Januar 2010 im Gemeinderat Tägerig mit und übernahm im Juli 2011 das Amt des Vizeammanns. Im September 2017 wurde er mit sehr gutem Resultat zum neuen Ammann gewählt und vier Jahre später im Amt bestätigt. Nietlispach ist als Sachbearbeiter bei der Kantonspolizei Zürich tätig und gehört der SVP an. Er war gerne für die Gemeinde tätig. «Es war mein Beitrag an die Gemeinschaft und ich sehe es als ein Privileg, in welchem politischen System wir in der Schweiz unterwegs sind. Diesem sollte man Sorge tragen», sagt er.
Für Eigenständigkeit gekämpft
In seine Amtszeit fielen einige wichtige Entscheidungen. So etwa die Revision der Bau- und Nutzungsordnung sowie der Gestaltungsplan Floss- und Stockacher. Es war nicht immer eine einfache Amtszeit. Tägerig erlebte zuletzt einige «strube» Jahre, ausgelöst durch die schwierige finanzielle Lage. Im November 2019 lehnte die Gemeindeversammlung nach intensiven Diskussionen das Budget ab, drei Monate später genehmigten die Bürger zwar das überarbeitete Budget, liessen aber keine Zweifel daran, dass die Situation weiterhin prekär ist. Darum wurde auch ein Antrag überwiesen, dass der Gemeinderat die Möglichkeit eines Zusammenschlusses mit einer anderen Gemeinde überprüfen soll. Kurz darauf legte das Corona-Virus das Leben in der Schweiz mehrheitlich lahm – was die Aufgabe des Gemeinderates nicht gerade vereinfacht hat.
Inzwischen ist Ruhe eingekehrt. Und das hat auch viel mit Beat Nietlispach zu tun. Er führte die Gemeinde souverän durch die Krise. Persönlich machte er nie einen Hehl daraus, dass er gegen eine Fusion mit einer anderen Gemeinde ist. Die Eigenständigkeit bewahren, das hat er schon bei seiner Wahl zum Ammann im Herbst 2017 als Ziel genannt. Trotzdem hat der Gemeinderat Abklärungen bezüglich eines Zusammenschlusses mit allen Nachbargemeinden getätigt. Und im Dezember 2022 die Bürger informiert.
Immer neue Herausforderungen
An diesem Abend konnte der Ammann glänzen. Rund eine Stunde lang legte Beat Nietlispach den Anwesenden ruhig und sachlich die Überlegungen des Gemeinderates zum Thema einer Fusion vor. Er tat dies so überzeugend, dass nach seinen Ausführungen keine Diskussion mehr verlangt wurde. Mit 125 zu 26 stimmten sie dem Antrag des Gemeinderates zu, die Arbeiten für eine Fusion an dieser Stelle abzubrechen. Ein Jahr zuvor war eine Mehrheit noch für einen Zusammenschluss. «Ich habe die Diskussion als sachlich und fair wahrgenommen», sagt der abtretende «Amme» heute. «Der Souverän hat entschieden, worüber ich sehr erfreut bin.» Wie lange Tägerig die Selbstständigkeit erhalten kann, darüber wagt er keine Prognose. «Entscheidend wird sein, wie sich zukünftig in Aarau der Grosse Rat verhält. Manchmal wird über unseren Köpfen entschieden und man steht vor vollendeten Tatsachen und muss sich neuen Gegebenheiten und Herausforderungen stellen.»
Doch nicht nur die Stimmung bezüglich Fusion kippte an diesem Abend, auch die finanzielle Lage der Gemeinde hat sich stark verbessert. Sowohl die Rechnung 2021 wie auch 2022 schlossen mit einem Plus ab. Auch die Schulden konnten zum grössten Teil getilgt werden, derzeit besteht noch eine Schuld von rund 600 Franken pro Kopf, was als problemlos gilt. «Die Finanzlage hat sich deutlich entspannt. Damit fällt das Hauptargument für eine Fusion weg», sagt der Ammann.
Noch einige Projekte
Nietlispach kämpfte in seiner Amtszeit für die Eigenständigkeit, obwohl er selber ein Zugezogener ist. Aufgewachsen ist der abtretende Ammann in Dietikon, nach Tägerig zog er mit seiner Familie Anfang der 2000er-Jahre. Derzeit hat er unter anderem die Ressorts Hochbau, Raumplanung, Forst- und Ortsbürgerwesen, Gemeindeorganisation und Personal sowie Landwirtschaft unter sich. Ende Jahr also gibt er sein Amt ab. Davor warten noch einige wichtige Projekte auf ihn, wie er berichtet. So etwa die Schulhauserweiterung, die Kulturplanänderung sowie die personellen Rochaden auf der Gemeindeverwaltung, wo der langjährige Gemeindeschreiber in absehbarer Zeit in Pension geht.
Und was gibt er seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin mit auf den Weg? «In der Politik darf man nichts persönlich nehmen», sagt Beat Nietlispach. «Man soll ehrlich für das, wofür man gewählt wurde, politisieren und entscheiden.» So hat er es stets gehandhabt. Und so soll es auch bleiben.