«Ich kann jeden schlagen»
22.08.2025 Sport, SchwingenJoel Strebel vor dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) in Mollis (30. und 31. August)
«Gesund bleiben. Freude haben. Und schwingen». Dies ist das Motto von Joel Strebel vor dem ESAF in Mollis. Doch es ist klar, dass der sanfte Riese aus ...
Joel Strebel vor dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) in Mollis (30. und 31. August)
«Gesund bleiben. Freude haben. Und schwingen». Dies ist das Motto von Joel Strebel vor dem ESAF in Mollis. Doch es ist klar, dass der sanfte Riese aus Aristau beim Saisonhöhepunkt auch Freiämter Geschichte schreiben will. Der 28-Jährige ist dabei locker wie nie zuvor.
Stefan Sprenger
«Ein enorm schlimmer Moment», sei es gewesen. Jener Moment 2024 beim Stoos-Schwinget, als das Kreuzband im 5. Gang (gegen Werner Schlegel) reisst. Strebels Höhenflug (mit drei Kranzfestsiegen in jener Saison) wurde abrupt beendet. Es folgt Operation, Reha, Physio – und intensiviert auch die Zusammenarbeit mit Mentaltrainer Heinz Müller (aus Zofingen) in jener Phase.
Im Juni 2025 – ein Jahr nach dem Unfall – gibt er sein Comeback. Joel Strebel gewinnt das Südwestschweizer Teilverbandsfes. Er glänzt auf dem Brünig mit dem 2. Rang und holt auch am Nordwestschweizerischen in Lenzburg souverän den Kranz. Und nun steht das Eidgenössische Schwingfest in Mollis an. Es ist nach Estavayer-le-Lac 2016, Zug 2019 und Pratteln 2022 seine vierte ESAF-Teilnahme.
Am letzten Wochenende haben Sie mit den NWS-Schwingern das Festgelände in Mollis besucht. Wie war ihr Eindruck?
Joel Strebel: Die Arena kam mir kleiner vor als sonst. Aber es ist riesig, wie immer. Das wird eine gute Sache.
In einer Woche geht es los. Sind sie nervös?
Ich bin zum vierten Mal an einem Eidgenössischen dabei, das gibt mir eine gewisse Gelassenheit. Es ist mehr das Umfeld und die Schwingwelt, die Trubel machen. Ich muss jetzt nicht nervös sein. In Estavayer und Zug war ich schon Wochen im Voraus angespannt. Das ist jetzt anders. Ich bin ein bisschen erfahrener (lacht). Der Kern bleibt derselbe wie an jedem Schwingfest. Zwei Männer treten gegeneinander an und versuchen, den Gegner auf den Rücken zu werfen.
Was geht in Ihnen vor, wenn Sie an den Einmarsch in die Arena am Samstagmorgen vor 56 000 Zuschauern denken?
Darauf freue ich mich am meisten. Und da werde ich sicherlich auch ein nervöses Kribbeln im Bauch kriegen (lacht).
Was ist Ihr Ziel am Eidgenössischen?
Gesund bleiben. Freude haben. Jeden Gang geniessen. Schwingen.
Und den Kranz holen ...?
Ja.
Es wäre Ihr dritter eidgenössischer Kranz. Das hat in der 100-jährigen Geschichte des SK Freiamt erst Stefan Strebel geschafft.
Dann wäre es doch schön, wenn noch ein zweiter Freiämter das schafft.
Ebenjener Stefan Strebel ist Technischer Leiter des Eidgenössischen Schwingerverbandes – und unter anderem für die Einteilung des 1. Gangs am ESAF zuständig. Haben Sie einen Wunschgegner?
(Lacht) Ich nehme, was kommt. Aber ich bin jetzt schon sehr gespannt, welchen Gegner ich im 1. Gang erhalte.
Am letzten ESAF 2022 in Pratteln waren die Nordwestschweizer stark, holten total 7 Kränze. Wie viele Kränze sind 2025 möglich?
Schwierig zu sagen. Marius Frank, Sinisha Lüscher und Tim Roth sind sehr heisse Kandidaten, um Neu-Eidgenossen zu werden. Dazu sollten alle Eidgenossen aus der Nordwestschweiz ihren Kranz bestätigen: Nick Alpiger, Adrian Odermatt und Lars Voggensperger. Dann wären es sechs, sieben Kränze. Ich hoffe, dass es so sein wird. Es muss aber gut laufen, damit wir das erreichen.
Wer wird Schwingerkönig?
Das ist wohl so offen wie selten zuvor. Einen absoluten Saisondominator gibt es nicht. Es gibt einige Kandidaten auf den Festsieg.
2022 bodigten Sie im 3. Gang den Königsanwärter Samuel Giger und haben seine Chancen auf den Titel zunichte gemacht. Es war ein historischer Moment für das Freiamt. Wollen Sie das wiederholen?
Das wäre natürlich toll, einem Königsanwärter ein Bein zu stellen. Jener Sieg gegen Giger begleitet mich auch heute noch. Die Menschen sprechen mich nach wie vor darauf an, das Bild des damaligen Siegesjubels wird im NWS-Zelt als Motivation aufgehängt. Jener Erfolg gegen Samuel Giger hat gezeigt, dass alles möglich ist. Und es hat auch mir persönlich bewiesen: Ich kann jeden schlagen.
Sie haben 2024 nach Ihrer Verletzung die Arbeit mit Mentalcoach Heinz Müller intensiviert. Er setzt auf Visualisierung. Wie sehr hilft Ihnen das beim Schwingen?
Ich war nie grosser Fan von Mentaltrainern. Mittlerweile hat sich meine Meinung etwas geändert. Es hilft, ganz klar. Man holt noch mehr aus sich raus.
Können Sie ganz vorne eine Rolle spielen – und gar um den Festsieg mitschwingen?
Ich möchte ganz vorne mitschwingen. Das ist mein Ziel. Mich als Königsanwärter zu betiteln, wäre aber vermessen.
Der Schwingsport boomt nach wie vor. Jetzt – vor dem ESAF – ist ein regelrechter Hype zu spüren. Wie finden Sie das?
Die Leute freuen sich auf das ESAF, das ist doch cool. Und dass unser Sport beliebt ist, ist positiv, hat aber auch Nachteile.
Welche?
Ohne zu tief in dieses Thema einzutauchen: Mir persönlich ist es manchmal zu viel, wenn alle nur immer über das Schwingen reden wollen. Ich bin froh, wenn es auch mal um andere Themen geht.
Im dreitägigen Trainingslager von Schwinger-Schleifer Tommy Herzog mussten Sie Ihr Handy für rund 48 Stunden abgeben. Wie war das für Sie?
Das wäre richtig gut. Wir haben es in der Vergangenheit auch schon gemacht und es fühlt sich jedes Mal gut an.
Und wie oft sind Sie jetzt am Handy?
Vor drei Jahren habe ich es auch schon so gemacht und jetzt wieder. Vor dem Eidgenössischen bin ich sehr wenig am Handy und nutze kaum noch die sozialen Medien. Am Handy drückt man stundenlang rum, schaut irgendwelche doofen Videos und verschwendet seine Zeit. Das ist Seich. Das brauche ich nicht. Ich setze meinen Fokus – und der ist momentan voll und ganz auf Mollis gerichtet.
Wie ist der Fahrplan bis zum Eidgenössischen?
Es geht nun darum, sich gut zu ernähren, viel zu schlafen und kurze Schnellkrafttrainings zu absolvieren. Im Sägemehl trainiere ich bis zum ESAF nicht mehr, ich will keine Energie verschwenden.
Ein Blick voraus: Wie geht es nach dem ESAF für Sie weiter?
Danach habe ich keinen Plan. Das ist einerseits schön, andererseits gewöhnungsbedürftig. Ich werde im Oktober sicher mit meiner Freundin in die Ferien fahren. Und ehe man sichs versieht, geht auch schon die Vorbereitung für die Saison 2026 los.
Sie scheinen nach wie vor hoch motiviert. Wie lange wollen Sie noch schwingen?
Mindestens bis zum Eidgenössischen in Thun 2028. Dann bin ich 31 Jahre alt. Dann schaue ich weiter. Ich nehme es, wie es kommt. Hauptsache gesund bleiben, Freude haben – und schwingen.
Viel Erfolg am Eidgenössischen.
Danke. Und wenn ich noch etwas loswerden darf: Ein grosses Dankeschön an meine Familie, mein Umfeld und alle Menschen, die mich unterstützen. Ich schätze das sehr und hoffe, dass in Mollis jeder Schwingfan auf seine Kosten kommt.