«Hoffe auf viel Euphorie»
15.11.2024 Sport, HandballRekorde und Euphorie
Für Handball-Boss Pascal Jenny und drei Freiämterinnen steht die Heim-EM im Frauenhandball an
In drei Wochen steht ein sportliches Highlight an: die Frauen-Handball-EM. «Das wird begeisternd», sagt ...
Rekorde und Euphorie
Für Handball-Boss Pascal Jenny und drei Freiämterinnen steht die Heim-EM im Frauenhandball an
In drei Wochen steht ein sportliches Highlight an: die Frauen-Handball-EM. «Das wird begeisternd», sagt Präsident Jenny.
Stefan Sprenger
«Wir wollen Euphorie auslösen», sagt Pascal Jenny, seit 2022 Präsident des Schweizerischen Handballverbandes (SHV). Für den Wohler werden die 12 Spiele, die vom 28. November bis 3. Dezember in der Basler St.-Jakobs-Halle stattfinden, ein Highlight. Und auch für das Schweizer Nationalteam.
Gleich drei aus der Region dabei
In der A-Nati sind mit Nora Snedkerud (Widen), Seraina Kuratli (Wohlen) und Daphne Gautschi (Muri) gleich drei Spielerinnen aus dem Freiamt mit dabei. Das gab es noch nie – in vermutlich kaum einer A-Nati in irgendeiner Sportart. «Das spricht für die hervorragende Arbeit der Handballvereine in meiner Heimat», sagt Jenny.
Am Freitagabend, 29. November, spielen die Schweizerinnen gegen die Färöer-Inseln und wollen die Heim-Europameisterschaft mit einem Sieg starten. In diesem Turnier, das die Schweiz zusammen mit Österreich und Ungarn organisiert, ist gemäss Jenny «vieles möglich für unser Team, wenn es in Fahrt kommt». Auf den Zuschauerrängen ist Euphorie schon jetzt garantiert. «Wir werden sämtliche Fan-Bestmarken der Geschichte der Frauen-EM-Vorrunden brechen», sagt Jenny im Interview.
Interview mit dem Wohler Pascal Jenny, Präsident des Schweizerischen Handballverbands, vor der Heim-EM in Basel
12 Spiele, vom 28. November bis 3. Dezember ist die Handball-EM in der Schweiz. «Ein Highlight für den Sport und das ganze Land», sagt der Wohler Pascal Jenny. Im Vorfeld hatte man viele Herausforderungen zu meistern – und wohl auch in Zukunft, denn der Handballsport kämpft um Zuwachs.
Stefan Sprenger
Wo sind Sie am Freitagabend, 29. November?
Pascal Jenny: (Lacht.) Ich bin in der hoffentlich ausverkauften St. Jakobshalle in Basel und juble über den ersten Sieg des Schweizer Frauen-Nationalteams an einer EM überhaupt.
Auf dem Feld sind mit Nora Snedkerud aus Widen, Seraina Kuratli aus Wohlen und Daphne Gautschi aus Muri gleich drei Freiämterinnen.
Das freut mich und ist ein Kompliment an die Arbeit im Frauenhandball in meiner Heimat. Der Aufstieg der Torhüterin Seraina Kuratli ist raketenhaft, Rückraumspielerin Daphne Gautschi ist eine Leistungsträgerin und Nora Snedkerud wird einen wichtigen Job am Kreis übernehmen. Alle drei haben sich die Nomination durch ihre Leistungen verdient. Aber böse Zungen behaupten, ich als Präsident hätte dafür gesorgt, dass die drei Freiämterinnen in der Nati dabei sind (lacht).
Und ist da etwas dran?
Natürlich nicht. Als Präsident mische ich mich nicht in die sportlichen Belange ein. Ich habe andere Aufgaben.
Sie sind seit 2022 SHV-Präsident. Welchen Stellenwert hat diese Heim-EM für Sie und den Handball im Land?
Riesig. So etwas gibt es selten. Zuletzt war 2006 die Männer-EM in der Schweiz. Die Arbeit für diese EM hat bereit vor vielen Jahren begonnen, ein Leuchtturm-Event für das ganze Land und für unseren Sport.
Und für Sie persönlich?
Die EM jetzt ist für mich als ehrenamtlichen Präsidenten intensiv. Ich werde zwischen dem 28. November und 3. Dezember täglich in Basel sein und mich mit anderen Verbandsvertretern treffen, alle Spiele und die vielen Nebenevents besuchen. Für mich ist es auch eine Gelegenheit, um zu repräsentieren und den Handballsport zu fördern.
Andere Sportarten laufen dem Handball den Rang ab. Richtig?
Teilweise, ja. Die Lizenzen gingen viele Jahre zurück und zeigen erst seit Kurzem wieder leicht nach oben, was auch eine Generationsfrage ist. Die heutige Jugend will sich weniger verpflichten. Ich glaube, der Handballsport hat hierzulande einen guten Stellenwert. Im Leistungssport haben wir uns sehr gut entwickelt, siehe die Handball-Akademie im «OYM» in Cham und die Teilnahme an Welt- und Europameisterschaft – bei den Frauen und Männern. Und unsere U16-Juniorinnen-Nati feierte gar den EM-Titel in diesem Jahr.
Aber …?
Aber wir haben die Belohnung noch zu wenig ausgeprägt erhalten. Diese würde sich in deutlich mehr lizenzierten Spielerinnen und Spielern zeigen. Ich hoffe, die Heim-EM 2024 der Frauen und die Heim-EM 2028 der Männer kann etwas auslösen. Und auch wir vom Verband sind gefragt, indem wir beispielsweise die unteren Ligen flexibler und einfacher gestalten. So können wir der gesellschaftlichen Veränderung, eben dass man sich heutzutage nicht mehr so schnell verpflichtet, entgegentreten.
Was kann die Heim-EM diesbezüglich bewirken?
Die Heim-EM dient nun dazu, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Zum einen möchten wir den Leistungssport stärken, mit dem Fernziel Olympiateilnahme der Frauen im Jahr 2032 in Australien. Zum anderen haben wir im SHV das Ziel, nach der EM innerhalb von zwei bis drei Jahren bei den Frauen zusätzlich mindestens 3500 Lizenzierte gewinnen zu können. Hierzu soll uns die erhöhte Aufmerksamkeit des Frauenhandballs durch die EM helfen, qualitativ wie auch finanziell. Letzteres durch den Aufbau von langfristigen Partnerschaften über die EM hinaus.
3500 Lizenzen mehr. Das wird herausfordernd.
Ja. Ich mag Herausforderungen (lacht). Wir müssen vorbildlich agieren. Aber ja, mehr Spielerinnen und Spieler bedeutet dann auch mehr Funktionäre, Trainer, Schiedsrichter und besser zugängliche Infrastrukturen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.
Lohnt sich diese EM finanziell für den Verband?
Am Ende wird es ein kleines Defizit geben. Auch weil wir vonseiten Kanton und Bund nur wenig Gelder erhalten. Erst recht, wenn ich vergleiche, was der Frauenfussball kriegt. Aufgrund der Regelung des europäischen Handballverbandes EHF waren unsere Optionen, um Sponsorengelder zu gewinnen, leider eingeschränkt. Die lukrativsten Vermarktungsrechte liegen beim EHF. Auch eine adäquate TV-Präsenz können wir neuen Sponsoren nicht geben, weder auf dem Spielfeld, an dessen Rand noch auf der Spielerinnenbekleidung.
Also muss der SHV für diese EM noch drauflegen?
Die EM soll uns nachhaltig etwas bringen. Das kleine Defizit sehe ich als Investment in die Handballbewegung. Die EM kann einen kleinen Boom auslösen. Und das ist langfristig gedacht von grossem Wert.
Was sind die Einnahmequellen an dieser EM für den Verband?
Zwei Dinge: Merchandising, wo ich auch Getränke und Essen dazuzähle – und der Ticketverkauf.
Und wie sieht es beim Ticketverkauf aktuell aus?
Wenn wir finanziell erfolgreich sein wollen, benötigen wir eine 100-prozentige Ticketauslastung der drei Schweizer Spieltage. Also rund 5500 Zuschauer. Und da sind wir auf Kurs. Die Spiele der Schweiz werden ausverkauft sein – oder nur wenig freie Plätze haben. Auch aus meiner Heimat Freiamt haben wir sehr viele Menschen, die an die EM reisen. Der TV Muri, der HC Mutschellen und Handball Wohlen haben als Verein viele Tickets gelöst – und das freut mich riesig.
Wie sieht der Ticketverkauf an den Spieltagen ohne Schweizer Beteiligung aus?
An den anderen drei Spieltagen sind die Weltmeisterinnen aus Frankreich, Spanien, Portugal und Polen zu sehen. Für diese Tage benötigen wir eine Auslastung von mindestens 40 Prozent. So kämen wir finanziell in Richtung einer schwarzen Null. Bislang sind 16 000 der rund 27 000 Tickets abgesetzt, besonders an den Frankreich-Spieltagen gibt es noch Luft nach oben. Deshalb werben wir nun insbesondere auch im Elsass und im handballbegeisterten Süddeutschland. Wir möchten auch Schulklassen und Jugendliche aus dem Raum Basel an die Spiele locken. Wir betreiben einen grossen Aufwand, damit diese EM ein Erfolg wird.
Schon jetzt ist klar, dass die Zuschauerzahl einen Rekord brechen wird.
Wir werden Fan-Bestmarken in der Geschichte der EM-Frauenhandball-Vorrunden brechen. An anderen Europameisterschaften waren jeweils die Hallen fast leer – ausser das Heimteam spielte. Bei uns wird das anders sein. Auf die Schweiz wartet ein wahres Handballfest. Es wird tolle Stimmung geben und ich hoffe auf viel Euphorie.
Dafür muss die Frauen-Nati aber erfolgreich sein. Was trauen Sie der Schweiz zu?
Erfolg ist ein entscheidender Faktor. Ein Sieg gegen die Färöer-Inseln am 28. November, eine gute Leistung gegen Topteam Dänemark am 1. Dezember – und dann haben wir gegen Kroatien am 3. Dezember ein Endspiel. Wenn wir es dann in die Hauptrunde schaffen, dann ist vieles möglich. Und diesem Team traue ich das zu – natürlich auch dank den drei Freiämterinnen im Team (lächelt).
Mini-EM-Serie
Vom 28. November bis 3. Dezember finden in Basel sechs Spieltage der Frauen-EM 2024 statt. Mittendrin sind nebst SHV-Präsident Pascal Jenny auch Nora Snedkerud (Widen), Seraina Kuratli (Wohlen) und Daphne Gautschi (Muri). Bis zum Start am 28. November werden in einer Mini-EM-Serie diese drei Spielerinnen porträtiert.