Haus, das Emotionen weckt
16.12.2025 Schule, Region UnterfreiamtJörg Sax ging der 200-jährigen Geschichte des ersten Büttiker Schulhauses auf die Spur
Vor 200 Jahren war es Schulund Gemeindehaus in einem. Und im Obergeschoss lebte der Kaplan. Das erste Schulhaus im Dorf wurde mehrmals umgebaut, seit 1986 ist es Heimat ...
Jörg Sax ging der 200-jährigen Geschichte des ersten Büttiker Schulhauses auf die Spur
Vor 200 Jahren war es Schulund Gemeindehaus in einem. Und im Obergeschoss lebte der Kaplan. Das erste Schulhaus im Dorf wurde mehrmals umgebaut, seit 1986 ist es Heimat des Kindergartens. Jörg Sax arbeitete die Geschichte des Gebäudes auf und stiess damit im Dorf auf viel Interesse.
Annemarie Keusch
Désirée Widmer ist eines von verschiedenen Beispielen. Die Gemeinderätin von Büttikon ist im Dorf aufgewachsen, hat den Kindergarten in dem Gebäude besucht, das einst das erste Schulhaus im Dorf war. Gleiches tat bereits ihre Mutter, Gleiches tun ihre Kinder. «Nun weiss ich, dass auch meine Grossmutter dort zur Schule ging. Eine emotionale Sache», sagt sie. Herausgefunden hat sie es dank Jörg Sax. Der eigentlich längst pensionierte Büttiker Architekt nahm sich der 200-jährigen Geschichte des jetzigen Kindergartens an. Als das Gebäude 2021 zuletzt saniert wurde, war er involviert. «Dabei befasste ich mich vertieft mit der Geschichte.» Sax tauchte ein in die Dokumente des Bauinventars Aargau. «Gebäude erzählen ganz viele Geschichten», sagt er. In seinem Berufsalltag erfuhr er viele davon, vor allem bei Projekten an historischen Bauten oder Kirchen.
Kommt hinzu, dass ihm Geschichte viel bedeutet. «Schon als Kind», gesteht er. Und wenn es um den jetzigen Kindergarten geht, dann ist er auch ganz direkt betroffen. Natürlich, weil auch er zu jenen gehörte, die dort zur Schule gingen. Aber auch, weil er seit vielen Jahren genau dort lebt, wo einst drei Hochstud-Häuser standen. In der Stube von einem dieser Häuser wurden damals die Kinder unterrichtet, bis dieses einem Brand zum Opfer fiel. 1825 wurde als Folge davon das erste Schulhaus in Büttikon gebaut. Ein zweigeschossiger Mauerbau, im Erdgeschoss ein Schulzimmer und ein Zimmer für die Kanzlei, im Obergeschoss eine kleine Wohnung für den Kaplan der Kapelle gleich nebenan und ein Arbeitszimmer. «Gewaltig, wie die Ansprüche im Vergleich zu heute divergieren», sagt Jörg Sax. Natürlich auch im Wissen darum, dass 1900 rund 250 Menschen in Büttikon lebten und es heute fast 1200 sind.
Besonderer Dachstuhl
Was ihn besonders fasziniert: Obwohl das Gebäude mehrmals um- und angebaut wurde, der Charakter blieb über die zwei Jahrhunderte hinweg gleich. Trotz Anbau 1921 – mit neuem Treppenhaus und Toiletten. Übrigens sind im Treppenhaus die Fliesen noch zu weiten Teilen original vom damaligen Umbau. Trotz zusätzlichen Zugängen zum Gebäude. Trotz Garderobenanbau. Eine richtige Attraktion sei dabei die Dachkonstruktion. Jörg Sax erzählt von einem «liegenden Stuhl». Stützen im Raum gibt es keine. «Eine Seltenheit, heute erst recht.»
In seinen Recherchen ging Jörg Sax aber nicht nur auf das Gebäude ein, sondern auch auf die Menschen, die es prägten. Er sammelte Klassenfotos – das älteste von 1900. Damals waren noch alle acht Klassen in einem Schulzimmer, unterrichtet von einer Lehrperson. Davon gibt es zwei, die das einstige Schul- und seit 1986 Kindergartengebäude stark geprägt haben. Gottlieb Scherer unterrichtete ganze 50 Jahre in Büttikon – von 1916 bis 1966. «Er war unser Nachbar», sagt Jörg Sax, dessen Eltern den Dorfladen führten. Und Scherer war nicht nur Lehrer, sondern im Nebenamt Gemeindekassier, Berufsschullehrer und Organist in der Kapelle. «Wer Sax mit Nachnamen hiess, hatte bei ihm keinen guten Stand, als Bub sowieso nicht.» Heute kann Jörg Sax darüber lachen.
Nur zwei Kinder in seinem Jahrgang
Er habe gute Erinnerungen an seine Schulzeit, vor allem an die Freundschaften, die nicht selten viele Jahre überdauerten und noch immer halten. Dennoch, er war froh, dass ihn seine Eltern nach sechs der acht Schuljahre in ein Institut ins Welschland schickten. «Wir waren nur zwei Kinder in meinem Jahrgang. Logisch hat sich Lehrer Scherer zuerst um die grösseren Jahrgänge gekümmert. Ja, wir waren etwas vernachlässigt, aber ich war auch nicht der Typ, der selber Initiative ergriff.» Natürlich gehört zu seiner kleinen Ausstellung auch ein Bild, auf dem er als Schüler zu sehen ist.
Als zweite Person hat Silvia Keusch das Gebäude als Lehrperson geprägt. Seit der Kindergarten dort 1986 untergebracht wurde und bis 2021 unterrichtete sie dort. Längst dient das Gebäude nur noch schulischen Zwecken. Mittlerweile sind zwei Kindergarten-Abteilungen dort. Zusammen mit Uezwil betreibt Büttikon gar eine dritte, diese ist aber im 1974 neu gebauten Schulhaus Boll untergebracht. Von 1974 bis 1986 wurde das Gebäude übrigens vielseitig genutzt. Auch dazu kann Jörg Sax einiges erzählen, schliesslich war es zwischenzeitlich auch das Probelokal von «Quo Vadis», einer Tanzmusik, in der er mitspielte. Später soll es das Kleiderlager für einen Laden in Wohlen gewesen sein.
«Kein Preis ohne Fleiss»
Rund einen Monat lang hat sich Jörg Sax auf die Suche gemacht. Auf die Suche nach Geschichten rund um das einst erste Schulhaus von Büttikon. «Ich laufe quasi jeden Tag daran vorbei, lese gross das Baujahr an der Fassade und den Spruch ‹Kein Preis ohne Fleiss›. «Weil ich nicht hörte, dass sich hinsichtlich dieses Jubiläums sonst etwas tut, nahm ich es selber in die Hand», sagt er und lacht.
Am Freitag hat er in der Kapelle seine kleine Ausstellung präsentiert. Und stiess damit auf reges Interesse. «Die Kapelle war rappelvoll», sagt Gemeinderätin Désirée Widmer. Darunter auch viele Leute, die auf den alten Fotos ihre Eltern, Grosseltern suchten und nicht selten auch fanden. So, wie es auch bei ihr selbst war.

