Gut, aber da geht noch mehr
05.09.2023 Ringen, SportRingen, Nationalliga A: RR Einsiedeln – RS Freiamt 12:26
Comeback-Sieg, Premieren-Triumph, Forfait-Niederlage und ein unerwarteter «Man of the Match». Der Sieg der Ringerstaffel Freiamt war deutlich. Und trotzdem war Michi Bucher nach seinem ersten Einsatz ...
Ringen, Nationalliga A: RR Einsiedeln – RS Freiamt 12:26
Comeback-Sieg, Premieren-Triumph, Forfait-Niederlage und ein unerwarteter «Man of the Match». Der Sieg der Ringerstaffel Freiamt war deutlich. Und trotzdem war Michi Bucher nach seinem ersten Einsatz als NLA-Trainer am nächsten Tag ziemlich heiser.
Er will immer mehr. Er will immer besser werden. Trotz des deutlichen Sieges zum Saisonauftakt sagt der 26-jährige Trainer Michi Bucher nach seinem ersten offiziellen Einsatz als Trainer des NLA-Teams: «Wir hätten noch mehr rausholen können.» So ist es sinnbildlich, dass er sich bei der einzigen Niederlage für die Freiämter die Stimme kratzig schreit. 130 kg, Greco: Freiamts Christian Zemp tritt gegen Sven Neyer an. Der Einsiedler ist ganze 20 kg schwerer. Physisch ist Zemp also deftig unterlegen. «Und er hat sich zusätzlich noch ein paarmal unnötig erwischen lassen», so Bucher. Doch Zemp kämpft sich zurück. «Sein Wille war richtig gut. Der Kampf ging brutal an die Substanz, deshalb reichte es am Ende nicht mehr ganz.» Zemp verliert 11:12. Wenn man bedenkt, dass Zemp länger ausfiel aufgrund des pfeifferschen Drüsenfiebers, ist dieser Auftritt «absolut nicht tragisch».
Infekt legt Vock flach
Es ist die einzige Pleite – jedenfalls auf der Matte. Denn der Kampf von Randy Vock (75 kg, Freistil) wird mit 0:4-Forfait gewertet. Vock erwischte einen Infekt zum Ende der Woche. «Wir haben dann entschieden – auch weil es der zweitletzte Kampf war und der Sieg schon klar war –, dass Randy Vock aussetzt», erklärt der Trainer. Michi Bucher selbst wäre ein Ersatzmann gewesen. Oder jemand aus der 2. Mannschaft. «Ich wollte aber nicht bereits im ersten Kampf auf die Matte. Und die 2. Mannschaft wollte ich nicht kurzfristig über den Haufen werfen», erklärt Bucher. Es ist eine Forfait-Pleite, die verkraftbar ist.
«Es gibt keine Sündenböcke – Freiamt war einfach besser»
Denn die Freiämter fegen vor 300 Zuschauern in der Sporthalle Brüel über den Gegner hinweg. Die Einsiedler mit Durchschnittsalter 23 sind den Freiämtern mit Durchschnittsalter 24 unterlegen – in fast allen Belangen. Einsiedeln-Präsident Werner Schönbächler schreibt im Bericht: «Nein. Es gibt keine Sündenböcke. Freiamt war einfach besser, ausgeglichener und wuchtiger.»
Eine kurze Zusammenfassung der Überlegenheit. River Perlungher – ein Ringer aus Oberwil-Lieli, der zuletzt mehrere Jahre in den USA dem Ringsport nachging – zeigte ein starkes Debüt. Sein Gegner Robin Biederer (57 kg, Freistil) musste untendurch. «Er war nicht so spritzig. Eine gewisse Nervosität war spürbar», meint Trainer Bucher. Aber er gewinnt klar mit 2:10 (1:3 Mannschaftspunkte).
«Man of the Match» heisst Robin Birchler
Einen Erdrutschsieg schaffte Robin Birchler (61 kg, Greco) gegen Dany Kälin. Der Freiämter mit Jahrgang 2005 erlernte in Brunnen das Ringer-Abc, ringt jedoch schon seit einigen Jahren für die RS Freiamt (und lebt seit diesem Jahr in Bünzen). Er gewinnt 16:0 und holt die vier Punkte fürs Team souverän. Er wurde danach auch von der Ringerstaffel Freiamt zum «Man of the Match» gekürt. Eine Auszeichnung, die unter Trainer Bucher entstanden ist und bei jedem Kampf teamintern verliehen wird.
Auch Flurin Meier (65 kg, Freistil) und Saya Brunner (70 kg, Greco) oder Marc Weber (86 kg, Greco) holen souveräne Siege – allesamt mit 3:1 Mannschaftspunkten. Zu allen drei Duellen meint Trainer Bucher: «Gut. Grösstenteils. Aber bei allen liegt noch mehr drin. Überall gibt es noch Dinge, die man verbessern kann.» Absolut nichts auszusetzen gibt es beim Auftritt von Captain Pascal Strebel (75 kg, Greco). Gegen seinen jungen Kontrahenten Cyrill Kälin wird der Freiämter kaum gefordert. 15:0. Sieg durch technische Überlegenheit. 4:0 Punkte fürs Team.
Gelungenes Comeback und Marathon-Meier
Ein besonderes Augenmerk richtete die Ringer-Schweiz auf Magomed Ayskhanov, der nach einjähriger Sperre gegen Andreas Burkard (97 kg, Freistil) sein Comeback gab. «Er hat sich noch etwas schwergetan und es lief nicht optimal. Ich bin mir aber sicher, er wird noch richtig warmlaufen in den nächsten Kämpfen», so der Trainer. Auch wenn Ayskhanov nicht sein ganzes Potenzial ausschöpfen kann, gewinnt er deutlich mit 6:2 (2:1 Mannschaftspunkte).
Ein wahres Mammutprogramm legte der Niederwiler Joel Meier am Samstag ab. Tagsüber war er am Nationalturntag im Baselland im Einsatz. Abends holte er für die RS Freiamt 3:1 Mannschaftspunkte (8:3) gegen Jan Walker (80 kg, Freistil). Er war zwar nicht ganz so spritzig wie sonst, kam aber nie in Bedrängnis.
Trainer Michi Bucher holt bei seiner Premiere als NLA-Trainer einen souveränen Sieg. Wie war es für ihn – erstmals auf dem Trainerstuhl zu sitzen – und das als jüngster Trainer der NLA-Geschichte. «Halb so wild», meint er cool. «Das Zusammenspiel mit dem Team klappt schon ganz gut, aber wir müssen weitere Erfahrungen sammeln. Es geht noch besser.»
Auch 2. Mannschaft siegt
Die Freiämter übernehmen mit dem deutlichen 26:12-Erfolg die Leaderposition. Willisau und Kriessern siegten ebenfalls. Die Zweiklassengesellschaft in der NLA ist somit auch schon tabellarisch ersichtlich. Freiamt, Willisau und Kriessern werden wohl den Titel unter sich ausmachen. Einsiedeln, Oberriet-Grabs und Schattdorf streiten sich um Platz 4. «So einfach ist es nicht», meint Bucher. Und will den Startsieg nicht überbewerten. «Ich bin zufrieden. Es gab überraschend positive Kämpfe. Es gab aber auch einige Duelle, wo wir noch mehr rausholen müssen. Dort müssen wir cleverer sein, kreativer und kaltschnäuziger. In den Finalkämpfen werden diese Details entscheidend sein.» Der Start war stark, aber nicht perfekt. Das hat Bucher aber auch nicht erwartet. «Es braucht ja noch Steigerungspotenzial. Wir müssen uns ständig verbessern wollen.» Auch er weiss, dass seine Kritik auf hohem Niveau stattfindet.
Übrigens: Auch die 2. Mannschaft der Ringerstaffel Freiamt gewinnt ihre ersten beiden Kämpfe in der 1. Liga gegen Schattdorf und Einsiedeln, «was ich auch als sehr positives Zeichen werte», so Bucher. Nächsten Samstag, 20 Uhr, geht es in Merenschwand beim ersten Heimauftritt in der neuen Saison gegen Schattdorf. --spr
So sieht es der Gegner
Sven Neyer rettet die Ehre der Einsiedler. Im 130-kg-Greco-Duell gegen Freiamts Christian Zemp holt Neyer den einzigen Sieg für die Ringerriege Einsiedeln auf der Matte. «Freiamt war der klare Favorit. Auch, weil bei uns einige Stammkräfte fehlen. Mit Pascal Strebel, Randy Vock, Christian Zemp, Marc Weber, Joel Meier und weiteren starken Ringern haben sie in jedem Kampf mindestens fünf Leute dabei, die ihre Kämpfe mit grosser Wahrscheinlichkeit gewinnen. Bei uns ist das nicht der Fall», so Sven Neyer, der früher selbst für die Ringerstaffel Freiamt auf der Matte stand und dessen Onkel Urs Neyer nach wie vor eng mit dem Verein verbunden ist.
Neyer sagt, dass der Titel wiederum über Willisau, Kriessern und Freiamt laufen wird. «Schattdorf ist stärker geworden. Wir und Schattdorf werden uns um den 4.Rang streiten.»
Was dem erfahrenen Sven Neyer, der auch die technische Leitung bei der Ringerriege Einsiedeln innehat, besonders aufgefallen ist: «An der Seitenlinie der Freiämter ist es nicht mehr so explosiv. Michi Bucher ist ruhiger und ein anderer Pol als Marcel Leutert.» Aber auch er weiss, dass dieser Kampf zwischen Einsiedeln und Freiamt zum Saisonauftakt am Ende viel zu deutlich war, um die ganz grossen Emotionen zu wecken. --spr