Gift für die politische Arbeit
25.10.2024 Mutschellen, Oberwil-LieliMehrere Fraktionen des Kantonsparlaments geben gemeinsame Erklärung zum Fall Rita Brem-Ingold aus Oberwil-Lieli ab
SVP-Nationalrat Andreas Glarner kritisierte Rita Brem-Ingold mit Inseraten, die im Netz kursieren. Daraufhin wurde die Grossrätin bedroht. Das ging ...
Mehrere Fraktionen des Kantonsparlaments geben gemeinsame Erklärung zum Fall Rita Brem-Ingold aus Oberwil-Lieli ab
SVP-Nationalrat Andreas Glarner kritisierte Rita Brem-Ingold mit Inseraten, die im Netz kursieren. Daraufhin wurde die Grossrätin bedroht. Das ging so weit, dass sie unter Polizeischutz gestellt wurde. Die Fraktionen der Mitte, der SP, der FDP, der GLP, der Grünen und der EVP nahmen Anfang Woche Stellung zu diesem Thema.
Sabrina Salm
«Respektlos, demokratiefeindlich und unfair», so beginnt die Fraktionserklärung, die Alfons Paul Kaufmann, Fraktionspräsident der Mitte, zusammen mit den Co-Präsidentinnen der Mitte Aargau Karin Koch Wick und Edith Saner verfasst hat. Im Namen der Mitte, der SP, der FDP, der GLP, der Grünen und der EVP äusserten sie sich Anfang Woche gegen das Vorgehen des SVP-Aargau-Präsidenten Andreas Glarner im Vorfeld der Wahlen gegenüber Rita Brem-Ingold. «Was Andreas Glarner in den letzten Wochen mit seiner angeblichen Informationskampagne bewusst gegen die Grossrätin Rita Brem ausgelöst hat, ist unverantwortlich und grenzt an Hetzerei», steht im Schreiben deutlich.
Was war geschehen? Vor den Grossratswahlen kritisierte Andreas Glarner das Politisieren von Rita Brem-Ingold mit Inseraten im Dorfblatt von Oberwil-Lieli und in den sozialen Medien. Er prangerte unter anderem an, dass sie vor zwei Jahren die Einbürgerung eines jungen Mannes unterstützte, obwohl dieser wegen eines Kleindiebstahls straffällig geworden war. Oder dass sie für den höheren Eigenmietwert ihre Stimme gab.
Fraktionen distanzieren sich klar von solchen Aktionen
Daraufhin wurde die Grossrätin aus Oberwil-Lieli angefeindet. Rita Brem wurde in den vergangenen Tagen mit Hass-E-Mails und Briefen bedroht und eingedeckt. In der Fraktionserklärung wird festgehalten: «Dies ging und geht so weit, dass Rita Brem in der Zwischenzeit unter polizeilichen Personenschutz gestellt werden musste und sich nicht mehr frei bewegen kann, da sie zum Teil sogar in ihrer näheren Umgebung verbal bedroht wurde.» Dies schockiert die beteiligten Fraktionen. Sie unterstreichen: «Wir distanzieren uns klar von irreführenden, respektlosen, unsachlichen und gegen die Person gerichteten Aktionen.» Im Weiteren weisen die Fraktionen darauf hin, dass dieser nun notwendige Polizeischutz für den Kanton alles andere als gratis sei und vermeidbar gewesen wäre, wenn sich alle an die Spielregeln bürgerlichen Anstandes halten würden.
Beklemmendes Gefühl
Viel Zuspruch habe sie in den letzten Tagen erhalten. Das grosse mediale Echo um ihre Person hätte Rita Brem-Ingold aber gerne vermieden. «Aber es geht um die Sache. Dieses Thema darf man nicht unter den Tisch kehren.» Denn jedem könnte das passieren und darauf müsse man aufmerksam machen. Mit solchen Kampagnen, wie gegen sie gefahren wurde, werde der Rechtsstaat untergraben. «Und das darf nicht sein.» Sie stehe nach wie vor dazu, wie sie bei den Abstimmungen zur Einbürgerung und zum Eigenmietwert gestimmt habe. «Ich wurde von den Wählerinnen und Wählern nicht nach Aarau gewählt, um alles einfach abzunicken», sagt sie. «Ich habe ehrlich und nach bestem Wissen und Gewissen meine Stimme abgegeben. Wenn man die Demokratie im Kleinen nicht mehr leben kann, machen wir diese kaputt.»
Die polizeilichen Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Über das Geschehene könne sie mit vielen Menschen aus ihrem Umfeld sprechen. Doch das beklemmende Gefühl werde wohl noch etwas bleiben. Rita Brem-Ingold hofft nun, dass das Thema heruntergefahren wird und «wieder andere wichtige Themen in der Politik Platz haben».
Öffentliche Entschuldigung verlangt
Zurück zum Fraktionsschreiben. Darin sprechen die Verfasser von Respekt und Fairness, die Werte sind, die jedes Kind im Elternhaus und in der Schule lernt. «Von Politikerinnen und Politikern aller Parteien, die in der Öffentlichkeit stehen und eine Vorbildfunktion in unserer Gesellschaft innehaben, kann und muss verlangt werden, dass sie sich dessen bewusst sind, mit ihrer Verantwortung umsichtig umzugehen und diese nicht für allfällige persönliche Hass- oder Racheaktionen zu missbrauchen.»
Es bleibe zu hoffen, dass die nun erstarkte SVP einen Politstil pflege, der die Würde, die Toleranz und den respektvollen Umgang miteinander in den Mittelpunkt stelle. Solche Machenschaften, wie sie Rita Brem-Ingold erlebt habe, seien Gift für die politische Arbeit und «belasten oder verunmöglichen künftig notwendige Vernetzungen untereinander». Sie erwarten von der SVP-Fraktion, dass sie solche Machenschaften ihres Präsidenten nicht toleriert, sondern verurteilt. «Von Andreas Glarner verlangen wir eine öffentliche Entschuldigung.»
Für Transparenz sorgen
Dafür sieht der SVP-Aargau-Präsident keinen Grund. Andreas Glarner hält fest: «Es geht nicht, dass in der Schweiz jemand so bedroht wird. Und falls das wirklich so war, dann tut es mir leid für Frau Brem-Ingold.» Trotzdem findet er nicht, dass es eine Hetzkampagne war und er für das Verhalten anderer Leute schuldig gesprochen werden kann. «Es war nicht meine Absicht, dass sie solchen Anfeindungen ausgesetzt wird. So etwas ist abscheulich und klar zu verurteilen.» Er empfindet, dass das Thema hochgekocht werde, und sieht das Schreiben der Fraktionen als Schmälern des Erfolgs der SVP, die mit ihrem historischen Resultat bei den Grossratswahlen glänzte.
Seine Absicht war es, mit den Inseraten für Transparenz zu sorgen. «Nach wie vor finde ich es richtig und wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger das Stimmverhalten von Politikern kennen. Damit die Stimmberechtigten wissen, wen sie da wählen.» Wenn man nicht mehr auf solches Verhalten aufmerksam machen dürfe, dann wäre der Umkehrschluss, dass man nicht mehr veröffentlichen darf, wer wie abstimmt. «Und das wäre alles andere als transparent.»