Fusion (vorerst) vom Tisch
02.12.2022 Tägerig, Region UnterfreiamtInformationsabend und Konsultativabstimmung in Tägerig
Letztes Jahr sprachen sich in einer Umfrage noch zwei Drittel der Einwohner für eine Fusion aus. Am Mittwochabend waren sie mit 125 zu 26 gegen weitere Abklärungen für einen Zusammenschluss. ...
Informationsabend und Konsultativabstimmung in Tägerig
Letztes Jahr sprachen sich in einer Umfrage noch zwei Drittel der Einwohner für eine Fusion aus. Am Mittwochabend waren sie mit 125 zu 26 gegen weitere Abklärungen für einen Zusammenschluss. «Das hat Tägerig verdient», fand Ammann Beat Nietlispach.
Chregi Hansen
Rund eine Stunde lang legte Beat Nietlispach den Anwesenden die Überlegungen des Gemeinderates zum Thema einer Fusion vor. Dann eröffnete der Gemeindeammann die lange erwartete Diskussion. Doch offenbar waren seine Argumente überzeugend. Niemand wünschte das Wort. Vergeblich wartete Nietlispach auf Rückmeldungen.
Schliesslich erbarmte sich Charly Suter. Der ehemalige Ammann und frühere Präsident der SP-Ortspartei war es, der im Februar 2020 mit seinem überwiesenen Antrag die Fusionsdebatte angestossen hatte. Er fand es wichtig, dass sich der Gemeinderat intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. «Seit dem Antrag ist viel gelaufen. Der Gemeinderat hat die Situation sauber abgeklärt und ich bin mit seinen Schlussfolgerungen einverstanden. Im Moment braucht es keine Fusion. Aber wir bleiben gefordert», machte er deutlich. Diesen Worten pf lichtete Nietlispach bei. «Das Thema wird uns weiter beschäftigen», ist ihm bewusst. Aber aktuell wolle man weiter selbstständig bleiben.
Finanzen haben sich etwas erholt
Und das will auch die Bevölkerung: Mit 125 zu 26 stimmte sie dem Antrag des Gemeinderates zu, die Arbeiten für eine Fusion an dieser Stelle abzubrechen. Damit ist die Stimmung im Dorf innert zwei Jahren massiv gekippt. Im Januar 2021 sprachen sich noch zwei Drittel für eine Fusionsabklärung aus – die Rücklaufquote der Umfrage lag bei beachtlichen 51 Prozent. Es waren vor allem finanzielle Gründe, welche den Ausschlag gaben – im Jahr zuvor musste die Gemeinde den Steuerfuss auf 127 Prozent anheben. Für den Gemeinderat sticht dieses Argument heute nicht mehr. «Die Finanzlage hat sich deutlich entspannt», machte Nietlispach deutlich. Die Rechnung 2021, die Prognosen für das laufende Jahr und auch das Budget für 2023 sehen schon viel erfreulicher aus. «Damit fällt das Hauptargument für eine Fusion weg», so der Ammann. Dass man jetzt den Steuerfuss nicht gleich wieder senke, habe damit zu tun, dass der Gemeinderat eine nachhaltige Finanzpolitik anstrebt. Und bald schon der Umbau des Schulhauses ansteht.
Der Stimmungsumschwung hat aber nicht nur mit diesen Zahlen zu tun. Sondern auch mit den Ergebnissen der bisherigen Arbeit. Obwohl der Gemeinderat nie einen Hehl daraus machte, dass er gegen eine Fusion ist, hat er den Antrag von Suter zum Anlass genommen, umfangreiche Abklärungen vorzunehmen. So hat er Kontakt mit den Nachbargemeinden aufgenommen, um abzuklären, wer überhaupt bereit wäre für einen Zusammenschluss. Stand jetzt wäre dies nur Mellingen – und auch das Städtchen stellt klare Bedingungen, was es dazu im Vorfeld braucht. Das kam in Tägerig nicht besonders gut an. Man möchte gleichberechtigter Partner sein und nicht einfach Bittsteller.
Klein, aber fein
Trotzdem hat der Gemeinderat die Hausaufgaben gemacht. Er hat eine Verwaltungsanalyse durchgeführt – dies auch, weil der langjährige Gemeindeschreiber bald in Pension gehen wird. Der Gemeinderat ist aber überzeugt, dass eine kleine Gemeinde kostengünstiger arbeitet und näher beim Bürger ist. Mag sein, dass die Öffnungszeiten weniger umfangreich sind als in einer grossen Gemeinde, «aber wenn es wirklich brennt, erreicht man immer jemanden», so Nietlispach. Zudem arbeite man schon in vielen Bereichen mit anderen Gemeinden zusammen, mit Verträgen oder in Verbänden. Und das wolle man weiterhin tun. Da, wo es nötig ist.
Überhaupt stehe Tägerig abgesehen von den Finanzen sehr gut da, ist Nietlispach überzeugt. Und in vielen Bereichen gar besser als der grosse Nachbar. Zu den Pluspunkten zählt er die gut funktionierende Schule, deren Weiterführung bei einem Zusammenschluss nicht gesichert wäre. Die verschiedenen Werke, die alle bestens unterhalten sind. Das aktive Vereinsleben. Die kurzen Wege bei Entscheidungen. Die hohe Lebensqualität im Dorf. Aber auch die Tatsache, dass die Gemeinde bislang keine Probleme hat, für die Ämter und Behören genügend fähige Leute zu finden. Sogar bei den Finanzen stehe man im Vergleich gar nicht so schlecht da. «Ja, unser Steuerfuss ist höher. Aber dafür hat Mellingen eine viel höhere Verschuldung», machte Nietlispach deutlich. In Tägerig liegt sie bei rund 1300 Franken pro Kopf und wird wegen der anstehenden Investitionen in den Schulraum auf rund 2500 Franken steigen. Im Nachbardorf liegt die Verschuldung jetzt schon bei rund 4000 Franken pro Kopf.
Ortsbürger wären das Zünglein an der Waage
Der Gesamtgemeinderat ist überzeugt: Als eigenständige Gemeinde kann man die eigenen Interessen besser vertreten. Als Beispiel nannte Nietlispach die Raumplanung. Als Teil einer grossen Gemeinde sei die Mitsprache in diesem Bereich zwar weiter möglich, aber die Interessen würden vermutlich im grossen Mellingen liegen. «Die besonderen Qualitäten, welche unser Dorf ausmachen, wären gefährdet», ist er überzeugt. Zudem gibt es im Fall von Tägerig ein rein formelles Problem. Weil Mellingen über keine Ortsbürgergemeinde verfügt, müsste sich die Tägliger Ortsbürgergemeinde erst auf lösen. «Falls diese das ablehnt, dann ist keine Fusion möglich. Das mag auf den ersten Blick komisch erscheinen, entspricht aber der heutigen Gesetzgebung», so Nietlispach.
Doch die Ortsbürger müssen gar nicht darüber diskutieren, ob sie den Fusionsprozess blockieren wollen oder nicht. Dank dem klaren Ergebnis der Konsultativabstimmung wird der Prozess jetzt gestoppt. Allerdings: Das Nein zu einem Zusammenschluss sei kein Entscheid für die Ewigkeit, ist sich auch der Gemeinderat bewusst. «Wir werden immer wieder neu prüfen müssen, welches der richtige Weg ist», so Beat Nietlispach zum Schluss.