«Frauenrevier» ist Geschichte
12.08.2025 Uezwil, Region UnterfreiamtIn Uezwil geht neu auch wieder ein Mann mit auf die Jagd – die Frauenquote bleibt allerdings einzigartig
Drei Pächterinnen, die sich ein Jagdrevier teilen – damit hat sich Uezwil einen Sonderstatus im Kanton erarbeitet. Beabsichtigt war das nicht, wie nun ...
In Uezwil geht neu auch wieder ein Mann mit auf die Jagd – die Frauenquote bleibt allerdings einzigartig
Drei Pächterinnen, die sich ein Jagdrevier teilen – damit hat sich Uezwil einen Sonderstatus im Kanton erarbeitet. Beabsichtigt war das nicht, wie nun die Aufnahme von Christoph Bissig aus Villmergen als offizieller Mitpächter beweist.
Thomas Stöckli
In der Jagdausbildung sind Frauen deutlich in der Minderheit, in manchen Jagdgesellschaften die Männer nach wie vor unter sich. «Das braucht Zeit», sagt Sandra Schmid, Jagdaufseherin aus Uezwil. Die Gruppe von Frauen, mit der sie 2019 die zweijährige kantonale Jagdschule abgeschlossen hat und die sich immer noch jährlich trifft, bezeichnet sich selbstironisch als «Flintenweiber». Ungern höre sie es allerdings, wenn andere ihr Jagdrevier Uezwil als «Hausfrauenrevier» bezeichneten: «Wir nannten uns ‹Frauenrevier›», stellt sie klar. Und etwas Stolz schwingt mit. Schliesslich war es das einzige Revier im ganzen Kanton, das ausschliesslich aus Jägerinnen bestand. Dabei war das gar nicht beabsichtigt: «Das hat sich so ergeben.»
Das Kollegiale ausleben
Bis vor Kurzem bildeten Sandra Schmid und Heidi Sutter mit zwei Männern die Jagdgesellschaft von Uezwil. Dann starb einer der Herren an Krebs, der andere zog sich altershalber zurück. Dazwischen wurde das Team durch Helen Sutter, die Tochter von Heidi, ergänzt. Vorübergehend waren es also drei Frauen, die das Revier-Team bildeten. «Das Klischee der verschworenen Truppe mit Stümpli und Bier erfüllen wir nicht ganz», sagt Sandra Schmid. Wobei sie selbst auch gerne mal ein Bier trinke und eine rauche. Die Frauen leben das Kollegiale genauso aus, sitzen zusammen, machen ein Feuer, bräteln eine Wurst und trinken etwas. «Ich kann auch eine Motorsäge in die Finger nehmen», entkräftet sie sogleich das nächste Vorurteil.
Das Jagd-Gen hat die Jagdaufseherin von ihrem Vater geerbt. Seit 50 Jahren ist er bereits im Revier Maiengrün aktiv und war jahrelang Jagdaufseher. «Ihn kann ich fragen, wenn ich etwas nicht weiss», sagt sie. Denn die Materie ist komplex. Sie rückt bei Wildunfällen aus, wie sie in Uezwil vier- bis fünfmal im Jahr vorkommen, arbeitet mit dem Hund, behält den Wildbestand im Auge und erfüllt die kantonalen Vorgaben bezüglich Bestandsregulierung.
Jagdstrategie anpassen
Aktuell läuft die Rehbock-Jagd. Zwölf Stück Rehwild sollen diese Saison erlegt werden. Dabei setzt die Jagdgesellschaft seit drei Jahren ausschliesslich auf die Ansitzjagd. «Das ist bei einem so kleinen Revier sinnvoller als die Bewegungsjagd», sagt Sandra Schmid.
Gleichzeitig werden schon die Bewegungsrouten der Hirsche im Auge behalten. Diese sind im Herbst zum Abschuss freigegeben, für das Revier Uezwil, welches einem Hegering angeschlossen ist, voraussichtlich zwei Exemplare. «Die Hirschjagd erfordert eine andere Strategie», sagt Sandra Schmid: «Während Rehe sehr standorttreu sind und abends ruhig zum Äsen rauskommen, sind die Radien der Hirsche viel grösser.» Entsprechend sei weniger berechenbar, wo die Tiere auftauchen. Zudem seien die Tiere «schusslernend», meiden also Bereiche, in denen sie schon mal bejagt wurden. «Um einen Hirsch zu erlegen, muss man schlau sein», fasst sie zusammen.
Verträgliche Lösungen finden
Die Bestandsregulierung gehört zu den Pflichten, welche die Jagdreviere zu erfüllen haben. Das Reh- und Hirschfleisch gelangt weitgehend in den Verkauf. Fallwild – also etwa von Autos angefahrene Tiere – darf nach Möglichkeit für den Selbstkonsum verwertet werden. Zum respektvollen Umgang gehört nebst der möglichst schmerzlosen Erlegung auch der Umgang mit dem toten Tier und die umfassende Verwertung. Bezüglich Raubwild werden die Jägerinnen und Jäger auch aktiv, wenn etwa ein Fuchs dem Siedlungsraum zu nahe kommt oder ein Dachs in einem Maisfeld Schaden anrichtet. Dann werden in Zusammenarbeit mit den Betroffenen Strategien erarbeitet. Will heissen: Man prüft Schutzmassnahmen wie Zäune oder Vergrämungsoptionen. Erst wenn das nichts bringt, komme es infrage, jagdlich aktiv zu werden. «Wobei man etwas Schaden auch tolerieren muss», sagt Sandra Schmid.
Das Wohl der Tiere liegt ihr offensichtlich am Herzen. Das beweist ihr Engagement in der Rehkitzrettung. Dazu gehört, dass Felder vor dem Mähen systematisch verblendet werden, also weisse Fahnen Rehe mit ihrem Nachwuchs vertreiben sollen. Weitere Unruhe kann man erzeugen, indem man den Jagdhund durch die Wiese führt. Für absolute Sicherheit sorgt dann ein Kontrollflug mit Drohne und Wärmebildkamera unmittelbar vor dem Mähen. «Letztes Jahr haben wir so zwei Rehkitze gefunden, wo wir nie mit ihnen gerechnet hätten: In einem zehn Meter breiten Grasstreifen, 100 Meter vom Waldrand weg und nahe einer Ortsverbindungsstrasse.»
Hund als Jagdbegleiter
Untrennbar mit dem Jagdhandwerk verbunden ist für Sandra Schmid auch die Arbeit mit Hunden. Sie engagiert sich in der regionalen Schweisshunde-Gruppe. Dort werden die Hunde trainiert, Fährten zu verfolgen. Als jagdliche Begleiter machen sich Hunde darüber hinaus verdient, indem sie Fährten und Sichtungen durch unterschiedliche Laute mitteilen und Wild apportieren. Wichtige Rollen spielen der Gehorsam und das Einschätzen von Distanzen. Letzteres sei insbesondere im Umgang mit Wildschweinen wichtig, betont die Jagdaufseherin. Entsprechend ist ihr Hund treuer Begleiter – nicht nur auf der Jagd.
Seit Anfang Juli ist das «Frauenrevier» also Geschichte, der Villmerger Christoph Bissig vom Gast auf Probe zum offiziellen Pächter aufgestiegen. Als einziger Mann im Revier. «Für ihn ist das okay», sagt Sandra Schmid. Für die drei Frauen offenbar auch.