Finger raus statt Faust im Sack
22.10.2024 Wahlen, Grosser RatDie SVP feiert den Totalerfolg – und stellt neu mit Daniel Urech, Nicole Heggli und Alain Bütler drei Grossräte
Sechs Prozent Wähleranteil gewonnen. Zwei wiedergewählte und ein neuer Grossrat. Die SVP ist die grosse Gewinnerin der Grossratswahlen ...
Die SVP feiert den Totalerfolg – und stellt neu mit Daniel Urech, Nicole Heggli und Alain Bütler drei Grossräte
Sechs Prozent Wähleranteil gewonnen. Zwei wiedergewählte und ein neuer Grossrat. Die SVP ist die grosse Gewinnerin der Grossratswahlen – auch im Bezirk Muri. Präsidentin und Wahlkampfleiter und (fast) alle Kandidatinnen und Kandidaten sind mehr als zufrieden.
Annemarie Keusch
Sie liegen sich in den Armen, empfangen Gratulationen. Sie lachen, applaudieren. Sie feiern. Und dafür hat die SVP des Bezirks Muri allen Grund. Nachdem der dritte Sitz vor zwei Jahren verloren ging, holt die Partei diesen nun zurück. Und mehr noch. Sie steigert den Wähleranteil nochmals stark, von 33 Prozent 2020 auf über 39 Prozent. Entsprechend sagt Parteipräsidentin Nicole Heggli-Boder: «Ich stehe heute lieber vor euch als vor vier Jahren.» Die Partei habe sich zurückgeholt, was sie vor vier Jahren verloren habe. «Mehr noch. Solch hohe Stimmenzahlen haben wir noch nie erreicht, einen solch hohen Wähleranteil ebenfalls nicht. Wir sind knapp gar an einem vierten Sitz vorbeigeschrammt.»
Es gab mehrere Gemeinden im Bezirk Muri, wo über 50 Prozent der Wählenden SVP wählten. Auch kantonal verbucht die Partei einen Erfolg, besetzt in der neuen Legislatur fünf Grossratssitze mehr. «Zusammen mit der EDU und der FDP haben wir neu die Mehrheit», frohlockt Heggli-Boder. Man werde die FDP an die Versprechen erinnern, die bis am Wahltag diesbezüglich gemacht wurden. «Zusammen können wir ganz viele Vorlagen durchbringen», sagt Heggli-Boder.
«Met Herzbluet» ganz nach oben
Zurück zum Bezirk Muri: Alle acht Kandidierenden hätten einen engagierten Wahlkampf geführt. Das betont die Präsidentin und später auch Wahlkampfleiter Benjamin Brander. Und das sagen auch die drei gewählten Grossräte Alain Bütler, Daniel Urech und Nicole Heggli. «Wir wollten diesen Sitz unbedingt. Das spürte man», sagte Heggli. Dass sie und Daniel Urech dabei gar vom neuen Grossrat Alain Bütler überflügelt wurden, was die Anzahl Stimmen betrifft, störe sie gar nicht. «Er hat das verdient, ist schon lange dabei und sehr engagiert. Ich habe mir von Herzen gewünscht, dass er gewählt wird», betonte sie. Alle drei Gewählten erreichten über 3500 Stimmen. «Enorme Zahlen», sagt Heggli-Boder.
Und Zahlen, von denen auch Alain Bütler nicht zu träumen wagte. «Es ist der schöne Abschluss einer intensiven Zeit», betonte er. Er sei dankbar dafür, dass alle Kandidierenden am selben Strick zogen. «Ohne euch wäre dies alles nicht möglich gewesen.» Mit dem Slogan «Met Herzbluet för oises Freiamt» stieg Bütler ins Rennen. Und dieses Herzblut will er nun in Aarau einsetzen. Besonders landwirtschaftliche Themen liegen ihm am Herzen, Verbesserungen im Bereich der Unternehmenssteuern ebenfalls. «Es kann doch nicht sein, dass Gewerbe im oberen Freiamt deswegen in Nachbarkantone abwandert», betont er. Wie das Kalb auf dem Wahlplakat vermuten lässt, legt der Landwirt und Agronom den Fokus auf die Landwirtschaft. Hier vermutet er auch mit einen Grund für seine überragende Wahl. «Landwirte und ihr Umfeld sind treue Wählerinnen und Wähler.»
Ganze Partei engagierte sich
Er sei am Wahlmorgen noch im Stall gewesen, erzählt Bütler. Von seiner Wahl und davon, bestgewählter Grossrat im Bezirk Muri zu sein, erfuhr er im Grossratsgebäude in Aarau. Ab da war es fertig mit der Ruhe. TV-Interview, viele Gratulationen, viele Schulterklopfer, aber auch viele Erwartungen. «Ich freue mich auf alles, was kommt», betont Bütler.
Dass die Wahl auch Erwartungen mit sich bringt, ist allen drei SVP-Grossräten bewusst. Daniel Urech appellierte darum: «Jetzt fängt die Arbeit erst richtig an. Bleibt dran, wir brauchen die Unterstützung aller in vier Jahren wieder.» Und auch Wahlkampfleiter Benjamin Brander hielt fest: «Gebt vollen Einsatz im Grossen Rat, das seid ihr der Wählerschaft schuldig.» Bevor die grosse Arbeit erst richtig losgeht, schaute Wahlkampfleiter Brander aber mit Zufriedenheit auf den Wahlkampf zurück. «Ihr habt alle etliche Stunden und etliches Geld investiert. Ihr habt den Finger rausgenommen, statt die Faust im Sack zu machen.» Junge Leute, ältere, quer durch die Wirtschaftsbereiche verteilt. «Wir konnten auf eine gute Liste zählen. Und eben, auf aktiven Wahlkampf aller, wie es ihn nicht gab, seit ich mich erinnern kann», sagt der ehemalige Grossrat. Aber es brauchte mehr als die acht Kandidierenden. Die ganze Partei habe mitgekämpft. Besonders erwähnte Brander Ernest Heggli, der einen Grossteil der Plakatierung übernahm und immer neue Ideen in den Wahlkampf einbrachte. Der klare Wahlerfolg sei ein Zeichen der Bevölkerung, dass sie «genug hat von der Schönschwätzer-Politik und Leute will, die hinstehen und etwas verändern».
Leise Enttäuschung bei Vivienne Huber
Ihr Sitz konnte vor vier Jahren nicht verteidigt werden. Entsprechend fiel Milly Stöckli ein Stein vom Herzen, dass dies nun korrigiert werden konnte. Dass alle acht SVP-Kandidatinnen und -Kandidaten sehr viele Stimmen holten, zeige, dass die Partei als Team agiere. «Nun sind es ein paar wenige davon, die die Arbeit haben während der nächsten vier Jahre.»
Nicht dazu gehört Cyrill Gauch. Genau 200 Stimmen liegt er hinter Nicole Heggli-Boder und damit hinter einem Grossratssitz. «Enttäuscht? Auf keinen Fall», sagt er. Schliesslich kandidierte Gauch erstmals für den Grossrat. «Eine gute Ausgangslage und viel Motivation, es in vier Jahren wieder zu versuchen», sagt der Landwirt. Eine leise Enttäuschung schwingt stattdessen bei Vivienne Huber mit. Niemand war am Strassenrand mit derart vielen Plakaten präsent wie sie. 2800 Stimmen reichten für den sechsten Platz auf der SVP-Liste. «Ja, eine gewisse Enttäuschung ist da, auch wenn ich Alain die Wahl sehr gönne.» Sie habe alles probiert, an Anlässen teilgenommen, plakatiert, in Restaurants serviert, Briefe verschickt. «Momentan herrscht eine gewisse Unsicherheit, was ich denn noch tun müsste, um gewählt zu werden», sagt sie. Vielleicht liege es am jungen Alter, vermutet die 23-Jährige. Mit Bütler ist nun ein 29-Jähriger gewählt worden. Desillusioniert ist Huber wegen der Nichtwahl keineswegs. «Ich werde es wieder versuchen.»