Fadenlager wie in der Mercerie
30.08.2024 MuriSommerserie «Hinter den Kulissen»: Ein Besuch auf der Operationsstation im Spital Muri
Was braucht es, damit eine Operation erfolgreich durchgeführt werden kann? Der Blick dahinter zeigt, was vorbereitet, geklärt und bereitgestellt werden muss. Adrian ...
Sommerserie «Hinter den Kulissen»: Ein Besuch auf der Operationsstation im Spital Muri
Was braucht es, damit eine Operation erfolgreich durchgeführt werden kann? Der Blick dahinter zeigt, was vorbereitet, geklärt und bereitgestellt werden muss. Adrian von Briel, Leiter OP-Betrieb, gibt Einblick in seine Abteilung.
Alle stehen zurück und zeigen ihre Hände, eine Operationstechnikerin liest die Checkliste vor. Sie liest Punkt für Punkt, und jeder Punkt wird vom Team rückbestätigt. Erst jetzt wird das Licht im OP gedimmt, das Operationslicht eingeschaltet und das Skalpell angesetzt. Die Operation beginnt.
Freie Betten sind wichtig für den OP-Plan
In der zentralen Disposition wird der OP-Plan von Kristina Milos erstellt. Der Plan wird in der ganzen Abteilung quasi als «Fahrplan» auf verschiedenen Monitoren aufgeschaltet. Er zeigt farblich an, welche Operation gerade am Laufen ist, welche noch anstehen und welche Patienten bereits in die Tagesklinik verlegt werden konnten. So wurden im vergangenen Jahr 5710 Operationen im Spital Muri durchgeführt.
Zu dieser minuziösen Planung gehören OP-Dauer, Fehlzeiten vermeiden, die personellen Möglichkeiten abklären und die Bettenbelegung im Blick halten. Denn das sind die Faktoren, die den Plan beeinflussen. «Im Sommer nehmen die geplanten OPs ab», weiss der Abteilungsleiter. Dagegen werden Ende Jahr jeweils die Franchisen in der Orthopädie genutzt. «Bei der OP-Planung gilt es, eine gute Auslastung zu erreichen, eine Überbelastung zu vermeiden und die Patientenbedürfnisse einzubeziehen», erklärt Kristina Milos, Leiterin Integrales Kapazitätenmanagement. Dazu kommen die täglichen Rückfragen und Umdispositionen. Heute sind der OP-Plan und die Bettenstation aufeinander abgestimmt, damit möglichst keine Operationen verschoben werden müssen. Adrian von Briel erklärt: «Eine Leerminute im OP kostet das Spital Muri zwischen 30 bis 50 Franken.»
Das Spital Muri hat sechs OP-Säle. Hier gilt die interne Devise, um 7.50 Uhr wird der erste Schnitt gesetzt. Einer der OP-Säle steht für Notfälle 24 Stunden bereit. In solchen Notfällen kann das Spital innert kurzer Zeit aus der Tagesbelegung die notwendige Crew zusammenstellen. Auf der Rückseite der Säle hat es zentral ein Fadenlager. Das macht in Grösse und Anzahl einer gut bestückten Mercerie allemal Konkurrenz, ausser bei den Farben. Dafür hat es sich auflösende Fäden und solche mit grosser Stärke.
Schleusen für den Check vor und nach dem Eingriff
Durch die Schleusen werden die Patienten in die zugewiesenen Räume gefahren. Auch hier hat es eine Checkliste, welche vor dem eigentlichen Eintritt in den OP abgearbeitet wird. Das Bett des Patienten wird von zwei Lagerungsspezialisten und einem Leitenden Anästhesisten begleitet. Denselben Prozess arbeiten die Spezialisten und Mediziner nach der Operation akribisch durch. Erst dann wird das Bett in den Aufwachraum mit allen Überwachungsmonitoren und speziell ausgebildetem Pflegepersonal gefahren. «Dies ist der kritischste Moment nach der OP», erklärt der Anästhesieprofi. «Wir haben klare Verlegungskriterien, sobald ein Patient stabil und schmerzfrei ist.» Einen eigenen Zugang zu den OP-Sälen hat die Geburtshilfe. Ein reservierter Lift hilft den Ärzten, Hebammen und Pflegenden, im Fall einer Komplikation sofort ohne Hinderung in die Abteilung zu gelangen.
Am gleichen Tag wieder heim
Das Spital Muri arbeitet mit dem SDS-Programm (Same day surgery). Das heisst, dass die Patienten am Tag der Operation ins Spital kommen. Bei ambulanten Eingriffen sollten die Patienten demnach nicht länger als anderthalb Stunden warten, bevor sie für ihre OP vorbereitet werden. Mit dem Patienten wird das bestmögliche Anästhesieverfahren festgelegt. Dabei hat die Regionalanästhesie einen hohen Stellenwert im Spital Muri.
Adrian von Briel hat vor zwölf Jahren in Muri als einer der Ersten das Nachdiplomstudium zum Anästhesiepfleger absolviert. Danach war er am Unispital Zürich tätig. Berufsbegleitend hat er einen Master in Health Care Management absolviert. Zurzeit ist der Leiter OP-Station daran, seinen CAS-Studium in OP-Management abzuschliessen. Alle Mitarbeitenden im OP-Bereich, ausser den Ärztinnen und Ärzten, sind dem Bereich Klinischer Betrieb unterstellt. «Unsere Devise heisst ‹Ärzte führen Ärzte›. Damit sie sich auf ihre Kernaufgaben fokussieren können.»
Notwendiges Besteck stets bereit
Sämtliche Instrumente, welche während eines Eingriffs verwendet werden, wurden in der Aufbereitungseinheit im Untergeschoss des Spitals gewaschen, mit der Lupe kontrolliert, mit einer Etikette, einem Strich-Code versehen, in einer Liste aufgeführt, verpackt und bei 130 °C während 18 Minuten sterilisiert.
Die Kontrolle des Sterilisiervorgangs wird mittels elektronischer und optischer Kontrolleinheit geprüft. Dabei bieten der Strichcode und die dazu geführten Listen eine lückenlose Nachvollziehbarkeit und Kontrolle der Hygienemassnahmen. Damit jederzeit Auskunft über ein Instrument und dessen Prozess gegeben werden kann.
Instrumente, welche selten in Gebrauch sind, werden zugemietet. Was heisst, dass sie früh genug beim Lieferanten angemietet werden. Über Nacht werden diese angeliefert und am Morgen kommen sie in die Aufbereitungseinheit zum Optischen-Erfassen und zur Sterilisation. Dieser Prozess bedarf rund vier Stunden. Verpasste Bestellung heisst verschobene OP.
Zusammenarbeit läuft Hand in Hand
Während einer Operation befinden sich in einem Saal, neben Operateur mit seinen Assistenten und dem Leitenden Anästhesisten, eine Anästhesiepflegerin, ein Lagerungsspezialist, zwei Operationstechnikerinnen, welche seit Neustem auch im Regionalspital Muri ausgebildet werden. Auch neu ist, dass Fachmitarbeitende Gesundheit mit im OP sind. Bei kleineren Eingriffen als Helfer und bei grösseren Eingriffen als Springerin. Dazu hat es Reinigungskräfte, welche den OP nach dem Eingriff reinigen und für den nächsten Eingriff vorbereiten, damit die Leerzeiten möglichst wegfallen. Der komplette Raum wird gereinigt, bevor die Instrumente für den nächsten Eingriff bereitgestellt werden.
Lange Präsenzzeiten sind üblich
Muri bietet ein breites Spektrum an Eingriffen in der Grundversorgung an. Knie-, Hüft- und Schulterprothesen gehören hier zum Standard. Dazu kommt auch der Bereich der Bariatrie (Adipositas-Zentrum) und vieles mehr. Da die Mediziner und Pfleger zum Teil lange Präsenszeiten haben, hat es im OP-Trakt auch einen Ruheraum sowie ein «Kafistübli». Denn wer im OP-Trakt ist, verlässt diesen nicht gern, da dies mit aufwendigen Hygienemassnahmen verbunden ist. –vaw